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Wie aus Baumrinde Mode wird

Kleidung aus der Rinde wilder Feigenbäume. Klingt exotisch. Ist es auch. Aber dann auch wieder ganz anders, als man es sich vorstellt. Nicht hart und spröde ist das Baumrindentuch, sondern weich und anschmiegsam. Es hat ein bisschen was von Leinen, aber auch von Wildleder. Wo es hergestellt wird und wie es nach Deutschland kommt, erzählt uns Joachim Pütz.

von: Joachim Pütz | 29.10.2002
    Kleidung aus der Rinde wilder Feigenbäume. Klingt exotisch. Ist es auch. Aber dann auch wieder ganz anders, als man es sich vorstellt. Nicht hart und spröde ist das Baumrindentuch, sondern weich und anschmiegsam. Es hat ein bisschen was von Leinen, aber auch von Wildleder. Wo es hergestellt wird und wie es nach Deutschland kommt, erzählt uns Joachim Pütz.

    Dieses Lied aus Ostafrika erzählt von einem alten Mythos. Von einem Baum, und von den Göttern, und von der Geburt des ersten Menschen aus dem Stamm dieses göttlichen Baumes. Aus seiner Rinde stellt man in Uganda schon seit Jahrhunderten Textilien her. Einer der Alten erin-nert sich.

    Ja, Rindentuch gab es hier überall, es ist unsere traditionelle Kleidung. Vor etwa 50/60 Jahren hat fast jeder Rindentuch verwendet, z.Bsp. auch als Bettuch oder auch als Leichentuch.

    In den vergangenen Jahrzehnten wurde der traditionelle Stoff immer mehr von Baumwolle oder synthetischen Stoffen verdrängt. Nur durch Zufall entdeckte Oliver Heintz aus Freiburg die exotische Naturfaser.

    Ich habe den Stoff kennen gelernt durch meine Frau. Sie kommt hier aus Uganda. Und als ich das zum ersten Mal gesehen habe, dieses Rindentuch, da dachte ich, was ist das: ist das ein Textil... oder ist das Leder... Und so wurde mein Interesse geweckt, und ich hab dann erfahren, es ist kein Textil im eigentlichen Sinne, sondern reine Baumrinde.

    Zusammen mit seiner Frau Mary Barongo hat Oliver Heintz in Uganda ein Netzwerk Rindentuch produzierender Kleinbauern aufgebaut. Die haben die interessante Perspektive neuer Einnahmequellen schnell erkannt und die fast schon verloren gegangene Tradition wieder zu neuem Leben erweckt. Auch der Schwager von Oliver, Timothy Barongo, hilft mit.

    Wir organisierten die Leute und erklärten ihnen die Vorteile. Wir zeigten ihnen was in Deutschland aus Rindentuch gemacht wird, und das fanden sie sehr aufregend. Jetzt helfen uns die Alten die Jungen in der Herstellungstechnik zu unterrichten. Mit etwas Erfahrung ist es nicht besonders schwer, solange der Baum gesund ist, und inzwischen haben es schon viele junge Leute wieder gelernt.

    Jetzt soll der Stoff aus dem die Bäume sind den deutschen Textilmarkt erobern. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, z. Bsp. als Polsterstoff. Hubertus Klaes, Marketing Direktor beim renommierten Möbelhersteller Rolf Benz, hat da auch schon eine ganz konkrete Zielgruppe im Sinn.

    Ich denke, dass wir`s hier mit einer eher jüngeren Zielgruppe zu tun haben, die durch ihren Konsum eine gewisse Geisteshaltung ausdrücken wollen. In dem sie vielleicht auch sagen: Ich unterstütze nachwachsende Rohstoffe.

    Eine jüngere, bewusstere Zielgruppe will auch die Freiburger Modedesignerin Susana Pinto ansprechen. Experimente mit neuen, ungewöhnlichen Materialien wecken ihre Fantasie und Kreativität. Nichts erinnert bei ihrer eleganten Kollektion noch an rauhe Baumrinde.

    Ja, das ist das Spannende für mich an dem Material, das es so viele Gesichter hat, das man es so umwandeln kann, das man es als Baumrinde nicht mehr erkennen kann. Man kann es so verarbeiten, das es aussieht wie ein Fell oder wie Leder oder eben ganz natürlich lassen.

    Auch Mary Barongo schneidert Kleidung aus Rindentuch und erregt damit Aufsehen.

    Es ist schon was anderes, weil nicht jeder es hat, es ist ganz neu in Deutschland, und wenn ich mal sowas anhabe, fragen die Leute immer: was ist das? wo kommt das her? aus welchem Material? Ich fühle mich dann auch stolz, es ist was schönes und – also ich lebe hier seit 91 – aber ich habe auch Uganda noch nicht vergessen.

    Die Weiterverarbeitung und Veredelung von Rindentuch findet zur Zeit noch in Deutschland statt, aber…

    …mittelfristig soll dieser Veredelungsprozess nach Uganda gebracht werden, damit die Rindentuchproduzenten dort auch ein höheres Einkommen generieren können. Für Oliver Heintz bedeutet das Rindentuch Projekt mehr als nur ein Ge-schäft. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Familie seiner Frau in Uganda wird neben Geld auch viel Gefühl investiert.

    Wir geben natürlich alles. Wir gehen da mit vollem Risiko in das Projekt. Das ist unser Kapital, was da voll mit einfließt, aber es ist eben nicht nur Geld, was da eine Rolle spielt. Das ist ja ein Familienunternehmen, und die ganze Familie zieht da mit, macht da mit. Wir gehen da mit Kopf und Herz...sind wir da voll mit drin. Der Anfang ist gemacht. Was nun folgt ist noch viel Arbeit und natürlich die nötige Portion Glück, damit der Stoff aus dem die Bäume sind auch bei uns seine Liebhaber findet.