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Wie der Wald dem Klima trotzt

Klima.- Wird die Temperatur wärmer, kann das negative Auswirkungen auf Bäume und dessen Lebensraum haben. Doch wie gelingt es, dass Wälder dem Klimawandel widerstehen? Auf dem Welt-Wald-Kongress in Buenos Aires wird diese Frage heftig diskutiert.

Von Volker Mrasek | 19.10.2009
    Als "Natur-Folklore" wird es gelegentlich abgetan, wenn Biologen dazu aufrufen, Tier- und Pflanzenarten um jeden Preis zu schützen. So empfindlich seien unsere Ökosysteme vielleicht gar nicht, wenden Kritiker ein, dass sie nicht den Verlust einzelner ihren Mitglieder verschmerzen könnten.

    Der neue Report aus dem Sekretariat der internationalen Biodiversitäts-Konvention stärkt Artenschützern jetzt den Rücken. Es ist ein sogenannter Synthesebericht zum Stand der Forschung. Die Autoren gehen der Frage nach, unter welchen Bedingungen Wald-Ökosysteme heute am widerstandsfähigsten sind. Der Ökologe Ian Thompson vom Kanadischen Forstdienst in Ontario:

    "Zum ersten Mal wurden für diesen Bericht alle vorliegenden Studien ausgewertet. Mehr als 80 Prozent von ihnen zeigen übereinstimmend: Ja, biologische Vielfalt ist eine entscheidende Größe! Ein artenreicher Wald hat eine größere Widerstandskraft und ist produktiver als ein artenärmerer."

    Der kanadische Forstökologe stellt klar, dass hierbei nicht die absolute Zahl der Arten das Entscheidende ist. Sie könne von Wald zu Wald stark variieren:

    "Jedes Waldökosystem hat sein eigenes Repertoire an Arten, die von Natur aus zusammen vorkommen. Viele boreale Nadelwälder zum Beispiel werden nur von einer einzigen Baumart dominiert, in den Tropen dagegen können es Hunderte sein. Wichtig ist auf jeden Fall, dass sie ihre funktionellen Arten nicht verlieren. Denn dann verändern sich die Ökosysteme dramatisch."

    Mit "funktionellen Arten" sind all jene gemeint, die man als Lebensversicherung für Wälder ansehen könnte. Dabei darf man nicht nur an die beherrschenden Baumarten denken. Funktionell sind auch Bienen und Wespen, die die Blütenpflanzen des Waldes bestäuben. Oder auch Mikroorganismen im Boden, die Laub und totes Holz zersetzen und so auch eine wichtige Rolle im Stoffkreislauf des Ökosystems spielen.

    Das Beste für einen Forst oder Wald ist es wohl, wenn die Biodiversität gerade unter diesen Arten hoch ist. Wenn also die Rollen der Blüten-Bestäuber und Totholz-Zersetzer doppelt oder dreifach besetzt sind. Technische Systeme, die so ausgelegt sind, nennt man redundant.
    Auch die Forstwissenschaftler benutzen diesen Begriff in ihrem Report:

    "Dieses Konzept der Redundanz ist auch in vielen Ökosystemen verbreitet. Und Artenvielfalt spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Klimaerwärmung wird manchen Bewohnern des Waldes stärker zu schaffen machen als anderen. Sie kann auch wichtige funktionelle Arten treffen. In einem redundanten Wald-Ökosystem mit hoher Biodiversität ist die Chance größer, dass andere Arten dann in die Bresche springen, so dass das System weiter funktioniert."

    In vielen Regionen tragen sich Forstwirte heute mit dem Gedanken, die Baumarten-Zusammensetzung von Wäldern zu verändern. Sie überlegen, Hölzer aus wärmeren, trockeneren Klimaten anzupflanzen und empfindliche, angestammte Arten durch sie zu ersetzen. Dabei sollte man aber grundsätzlich behutsam vorgehen, empfehlen Ian Thompson und die anderen Autoren der neuen Studie:

    "Die Frage ist hier: Womit soll man aufforsten, wenn das Klima in Zukunft wärmer wird? Da kann man sagen, dass es von vielen Baumarten Varietäten oder Unterarten gibt, die in warmen Regionen vorkommen. Wenn Förster gezielt diese Sorten anpflanzen, dann vermeiden sie gravierende Veränderungen im Arten-Spektrum des Waldes. Ja, sie erhöhen sogar noch seine genetische Vielfalt."

    Eine Überlebensgarantie ist aber auch das noch nicht. Sollte die Klimaerwärmung das tolerierbare Maß für die meisten Mitglieder der Wald-Kommune überschreiten, dann – so heißt es in dem Report – sei auch der artenreichste Wald in seiner Existenz bedroht.