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Wie die Schweiz beim Tunnelbau Umweltprobleme berücksichtigt

Es ist ein Eisenbahntunnel der Superlative: 57 Kilometer lang, Bauzeit bis zum Jahr 2015. Untertunnelt wird das Gotthardmassiv, und es ist nicht der einzige Tunnel bei dem ehrgeizigen Projekt, den Güterverkehr quer durch die Schweiz auf die Schiene zu verlagern. Unter dem Lötschberg entsteht zur Zeit ein 35 Kilometer langer Tunnel. Kosten soll diese Neue Eidgenössische Alpentransversale übrigens zehn Milliarden Euro. Die Umwelt soll dabei möglichst wenig belastet werden.

Von Thomas Wagner |
    " Grundsätzlich muss man sagen, dass das Projekt Alptransit eigentlich das größte Umweltprojekt an sich ist. Das hat mit der schweizerischen Verkehrspolitik zu tun, der Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene."

    Da ist, weiß Heinz Ehrbar von der Alp-Transit Gotthard AG, die Schweiz jetzt bereits Europameister. 67 Prozent des Güterverkehrs läuft dort über die Bahn und nur 33 Prozent auf der Straße. In anderen westeuropäischen Ländern ist das Verhältnis umgekehrt. Dabei wird der Verkehr in Zukunft weiter ansteigen. Die EU-Kommission sagt in einer Studie eine Zunahme des alpenquerenden Güterverkehrs bis im Jahre 2010 um 75 Prozent voraus. Um das sensible Öko-System der Alpen von Tausenden und Abertausenden von LKW mit ihren vielen Lärm- und Abgasemissionen zu schützen, baut die Schweiz die beiden großen Eisenbahntunnels durch den Gotthard und den Lötschberg. Dabei gilt es zu verhindern, dass die Belastungen der Umwelt, die mit dem Tunnelbau verbunden sind, die Entlastungen in Zukunft wieder aufheben. Umweltschonender Tunnelbau ist angesagt, soweit das eben möglich ist. Beispiel: Die Planung der Ein- und Ausfahrten. Heinz Ehrbar:

    " Das heißt, dass ein Portal so platziert werden muss, dass es umweltverträglich mit der Umgebung ist. Ein Beispiel ist der Kanton Uri: Dort hat man den gesamten Tunnel um etwa sieben Kilometer verlängert. Das waren Umweltgründe. Das Nordportal wurde dann weiter nach Norden geschoben, um eben den Verkehr von dem Dorf Erstfeld wegzubringen."

    Umweltgerecht müssen auch Erdreich und herausgesprengtes Felsgestein entsorgt werden, die mit einem Volumen von über 13 Millionen Kubikmetern aufeinander getürmt etwa fünf mal so groß wären wie die Cheops-Pyramide. Bevor die Tunnelbohrer in Aktion traten, mussten zudem, zur fachgerechten Entsorgung des Bohrwassers, eine Reihe von Kläranlagen gebaut werden:

    " Die Baustellen betreiben Abwasser-Reinigungsanlagen. Da könnten vermutlich verschiedene kommunalen Behörden stolz darauf sein, eine solche Anlage zu besitzen. Also da wird modernste Technik eingesetzt, um das Wasser entsprechend den Gesetzgebungen in die Vorfluter zurückzugeben."

    Daneben steht das ganze Bauvorhaben unter einem ständigen Öko-Monitoring. Gleichwohl sind, wenn im Beispiel des Gotthard-Massivs auf einer Länge von 157 Kilometern ein Tunnel entsteht, gravierende Umweltauswirkungen nicht zu vermeiden. So haben Wissenschaftler der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich festgestellt, dass es oberhalb der Tunnelröhre zu Absenkungen ganzer Landschaften kommt. Professor Simon Löw vom Geologischen Institut der ETH Zürich führt dies auf die großen unterirdischen Wassermassen zurück, auf die die Bohrtrupps gestoßen sind:

    " Wenn man solche großen Zuflüsse hat, auch bei tiefen Tunnelbauwerken in harten Gesteinen, bilden sich an der Oberfläche Setzungsmulden aus. Die haben vielleicht eine maximale Setzungstiefe in der Größenordnung von 10 Zentimetern oder weniger, aber normalerweise eine große seitliche Erstreckung von vielen Kilometern."

    Solche Absenkungen kennen die Wissenschaftler bereits von früheren Tunnelbauten. Zu beobachten bleibt, wie sie sich bei einem so großen Vorhaben wie dem Gotthard-Tunnel auswirken. Da ist auch ein klein wenig Vorsicht geboten.

    Darüber hinaus ist auch die weltweite Erderwärmung ein Stück weit dafür maßgeblich, wie heftig diese Absenkungen als Folge des Tunnelbaus zukünftig verlaufen. Professor Hilmar Ingensand vom Institut für Geodäsie und Photogrammetrie behält deshalb mit neuen Messverfahren sehr aufmerksam die Gletscher im Umfeld des Gotthards im Auge:

    " Die Gletschermessung machen wir zusammen mit den Klimaforschern vor dem Hintergrund der Frage: Wie schrumpfen die Gletscher zur Zeit? Was geschieht dort ? Durch die Klimaerwärmung haben wir Einflüsse auf den Wassergang, also Winterwasserzufluss / Sommerwasserzufluss, weil es ja darum geht: Inwieweit wird Wasser aus den Schichten wieder ausgelagert, was dann zur Setzung führt? Von daher gibt es dazwischen eine Beziehung."

    Das heißt. Bei einem schnellen Abschmelzen der Gletscher gelangt viel Wasser in den Berg, das beim Anbohren wieder abfließt und den Absetzungsprozess möglicherweise beschleunigt. Ob dem so ist, bleibt den weiteren Forschungen vorbehalten. Dabei haben die Wissenschaftler genügend Zeit, die offenen Umweltfragen zu klären: Der Gotthard-Eisenbahntunnel wird nach den derzeitigen Planungen erst im Jahre 2015 eröffnet.