Archiv


Wie Diktatoren Urlaub machten

Erst vor vier Jahren hat die spanische Regierung die Franco-Diktatur erstmalig offiziell verurteilt. Mehr als hunderttausend Menschen hat das Regime hinrichten lassen. Die Sommerresidenz des spanischen Diktators kann seit diesem Jahr in Galizien besucht werden.

Von Stephanie Eichler |
    Francisco Franco hebt den rechten Arm zum Faschistengruß empor. So zeigt ihn ein Bild in seiner Sommerresidenz, dem Pazo de Meirás. Viele befremdliche Bilder gibt es bei der einstündigen Führung zu sehen, die unter strenger Aufsicht erfolgt: Fünfzehn Sicherheitsbeamte des privaten Wachdiensts Prosegur folgen fünfzehn Besuchern auf Schritt und Tritt.

    Auch der hügelige Garten ist überwacht. Hier stehen wertvolle steinerne Bänke, Brunnen und Kreuze, die Francos Frau, Carmen Polo, aus Gärten der Umgebung zusammengesammelt hat - ohne dafür zu bezahlen. Unter einem Zitronenbaum erzählt eine Besucherin:

    "Ich bin aus Neugierde hier. Die Jagdtrophäen und das Ganze militärische Zeug haben mich nicht überrascht- mir gefällt der schöne Garten aber besser. Das Gebäude wird ja kaum genutzt, die Familie Franco sollte es lieber zurückgeben."

    Eine andere Besucherin meint:

    "Das ist ein Stück spanische Geschichte. Ich stamme aus der Gegend, und da interessiert es mich, wie die Familie Franco ihre Sommer verbringt. Aber es sollten auch die Schlafzimmer und die Bäder gezeigt werden."

    Doch außer den Bildern gibt es nur noch zwei prunkvolle Salons zu sehen, eine Bibliothek und das Arbeitszimmer Francos, in beiden Räumen reichen die Bücher in Ledereinband jeweils bis unter die Decke. Die Flure sind mit Jagdtrophäen dekoriert: mit Geweihen und Elefantenstoßzähnen. Auf einem Treppenabsatz prangt eine überlebensgroße Büste des Gewaltherrschers Franco.

    Ursprünglich gehörte der Pazo de Meirás der epochemachenden Schriftstellerin Emilia Pardo Bazán, die ihn vor gut hundert Jahren auf den Ruinen einer Festung erbauen ließ. Zum Ende des Spanischen Bürgerkriegs stand der Pazo leer, und die Handlanger Francos beschlossen, das Gebäude zu kaufen, um es Franco zu übertragen. Das Geld dazu pressten sie den Menschen aus Meirás ab, und um das Grundstück zu verdoppeln, wurden viele Anwohner gewaltsam enteignet: wie zum Beispiel die Großmutter von Carlos Babío, der für eine linke nationalistische Partei im Stadtrat von Sada sitzt, der Gemeinde, zu der der Pazo von Meirás gehört.

    "Im Fall meiner Großmutter lief es so. Sie warfen sie aus ihrem Haus, rissen es ab und behielten das Land. Rund 100 Menschen wurde das Land weggenommen. Die Handlanger Francos benutzten sehr perverse Methoden: Sie fuhren dich mit vorgehaltener Pistole zum Notar. Dort musstest du deinen Besitz auf Franco übertragen. Und dann bauten sie rings um das Land den Zaun, die äußeren Mauern des Pazo, die wir heute noch sehen."

    Es dauerte Jahrzehnte, bis Babios Großmutter ihr Schweigen brach und sich ihrem Enkel anvertraute. Die Tochter Francos und Erbin der Sommerresidenz, Carmen Franco, möchte sich dazu und auch sonst zu nichts äußern, wie ihr Anwalt mitteilt.


    Zum Pazo de Meirás gehört auch eine Kapelle. Ein barocker Altaraufsatz aus Holz reicht bis unter die gewölbte Decke, und ein steinerner Sarg ist in die Wand gemauert. Er ist leer.

    Bis heute heiraten hier die Nachkommen der Familie Franco - zuletzt eine Urenkelin des Diktators. Vor den Toren des Anwesens versammelten sich unterdessen Demonstranten und forderten die Öffnung des Pazo.

    Viele Spanier wurden in der Franco-Zeit um ihren Besitz gebracht, trotzdem gibt es bis heute kein Gesetz, das Wiedergutmachung vorsieht. Und es ist noch nicht einmal vier Jahre her, dass die spanische Regierung die Franco-Diktatur erstmalig offiziell verurteilte. Schweigen und Vergessen sollten einen reibungslosen Übergang von der Diktatur in die Demokratie garantieren, und das, obwohl das Franco-Regime mehr als hunderttausend Menschen hinrichten ließ.

    So wurde beispielsweise bis vor Kurzem behauptet, der Pazo de Meirás sei ein Geschenk der Menschen Galiciens an Franco gewesen.

    Bürgerinitiativen und Politikern ist es nun gelungen, mit dieser Lüge aufzuräumen und die Sommerresidenz der Francos für Besucher zu öffnen. Mit einer Ausnahme: Wenn sich Ende August Francos Tochter, Enkel und Urenkel zum Familienurlaub treffen, bleibt der Pazo zu.

    Die Besuchsregelung hat Abel López Soto, Bürgermeister der Gemeinde Sada, mit einem Trick in die Wege geleitet:

    "Die einzige Möglichkeit, den Pazo de Meirás zu öffnen, bestand darin, ihn zum Kulturdenkmal zu erklären. Denn nach spanischem Recht müssen Kulturdenkmäler, selbst wenn sie sich in Privatbesitz befinden, viermal im Monat Besuchern zugänglich sein."

    Dem Antrag wurde stattgegeben, mit der Begründung, dass der Pazo eng mit dem Leben der epochemachenden Schriftstellerin Pardo-Bazán verknüpft sei - auch wenn wohl kaum ein Besucher ihretwegen kommt.

    Nach einem anschließenden, jahrelangen Rechtsstreit zwischen Carmen Franco, der Tochter des Diktators, und Regierungsvertretern steht der Pazo seit Frühjahr 2011 nun erstmalig Besuchern offen. López Soto, der Bürgermeister, fordert vom spanischen Staat, das Gebäude zu kaufen, um hier ein Zentrum für die Aufarbeitung von Kriegen in Europa einzurichten:

    "Was wir damit wollen: Versöhnung mit der Vergangenheit. Wir wollen nach vorne sehen, aber ohne die Vergangenheit zu vergessen."

    Vergangenheitsbewältigung in Spanien - besser spät als nie.