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Wie ein Fisch auf dem Fahrrad

Medizin. - Bereits vor einem Jahr stellten Wissenschaftler des Instituts für Sportmedizin an der Freien Universität Berlin auf eine harte Probe: In Europas tiefstem Tauchturm mussten die Profis beweisen, welche Belastung in 42 Metern Tiefe und überdies bei Anstrengung auf ihnen ruht. Jetzt wurde eine Vergleichsgruppe aus Berufstauchern und Freizeitsportlern erneut auf die "Tour de l'Eau" geschickt. Die Experimente sollen helfen, künftige Tauglichkeitsuntersuchungen zu verbessern

16.07.2002
    "Es ist hier ziemlich warm und der Puls geht jetzt gegen 200 Schläge in der Minute ? wir fahren jetzt mit den Blutentnahmen fort", berichtet Sportmediziner Günter Strobel von der Freien Universität Berlin aus dem Tauchturm der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Doch trotz des Schweiß treibenden Ambientes kamen die Forscher zu einem verblüffenden Resultat: Von Belastung sei keine Spur zu entdecken, wenn sich Taucher in ihrem Element befinden: "Dabei ist die Herz-Kreislauf Belastung im Vergleich zum Test an Land im Grunde genommen vermindert. Wir wollten sehen, ob dies nun einerseits auch unter körperlicher Belastung sowie bei nicht so erfahrenen Tauchern der Fall ist."

    Die Sportmediziner konzentrierten sich bei ihren Messungen vor allem auf Herz-Kreislauf-Parameter wie etwa die Herzfrequenz sowie typische Stresshormone. Daneben beobachteten Strobel und seine Kollegen auch jene Hormone, die den Wasser- und Elektrolyt-Haushalt beeinflussen, da auch sie unter Wasser besonderen Schwankungen unterliegen. Auch an die Ergometer werden beim Einsatz in der Tiefe besondere Anforderungen gestellt: Sie wurden mit Trossen gesichert und mussten zudem ohne Öl und Schmierstoffe auskommen. Thomas Lehmann, einer der Probanden, dreht zunächst ohne Last seine Runden im Becken und beschreibt seine Empfindungen per Unterwassertelefon: "Man fühlt sich leicht schwerelos bei dieser Belastung. Man hat nicht das Gefühl, als ob man auf dem Fahrrad sitzt, sondern, als ob man auf dem Fahrrad schwebt."

    Dennoch klettern die Teilnehmer ziemlich erschöpft nach einer halben Stunde Tretarbeit aus dem Tauchturm. Sofort wird ihnen Blut abgezapft und überdies - nach einer kurzen Pause - auch Muskelgewebe aus dem Unterschenkel entnommen, das in flüssigem Stickstoff konserviert wird. Professor Dieter Böning erhofft sich aus der Muskelprobe Rückschlüsse auf die Veränderungen, die der Wasserhaushalt des Tauchers durchläuft: "Der Wasserdruck verschiebt Blut im Bereich des Brustkorbes und füllt das Herz verstärkt. In den Herz-Vorhöfen sitzen Fühler, die Meldungen über das Füllvolumen an das vegetative Nervensystem abgeben. Daneben wird auch ein Herzhormon bei verstärkter Dehnung freigesetzt und veranlasst die Niere zu verstärkter Flüssigkeitsausscheidung." Dadurch verliert der Taucher Wasser, das er aber nicht wieder zuführen kann.

    Die Studie soll zeigen, ob Tauglichkeitsprüfungen für Taucher zukünftig andere Parameter stärker als bisher berücksichtigen müssen, erklärt Strobel: "So zeigen die ersten Ergebnisse erstaunlicherweise, dass der Tauchvorgang eher eine Entlastung des Herz-Kreislauf-Systems darstellt. Möglicherweise können zukünftig neben den bisherigen Standardparametern wie Trommelfellzustand, EKG und Lungenfunktion auch Angaben zur Elektrolytverschiebung der Sporttaucher hilfreich sein."

    [Quelle: Wolfgang Noelke]