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Wie eine zweite Haut

Technik. - Auf Einladung des Deutschen Textilforschungszentrums Nord-West, der Hohensteiner Institute sowie der Universitätshautklinik Jena fand am vergangenen Wochenende in Apolda bei Jena die internationale Tagung "Textilien und Haut" statt. Schwerpunkte dabei bildeten einerseits das Zusammenspiel von Stoffen und Haut sowie die Entwicklung und Einsatz von künstlicher Haut.

    Der Bedarf an künstlicher Haut beziehungsweise an Hautmodellen für Testzwecke steigt ständig. Ein Grund dafür sind auch die hohen medizinischen Anforderungen an Spezialkleidung: Für den Einsatz bei Feuerwehren oder im medizinischen Umfeld werden Spezialtextilien vor der Zulassung bezüglich ihrer physiologischen Wirkung auf die Haut getestet. Quasi Haut aus dem Reagenzglas, angezüchtet aus Spenderzellen, dient heute als Proband, der die Verträglichkeit von neuen Textilien ausgiebig testet. "Aus diesen Zellen wird eine komplette, dreidimensionale Haut erstellt, die selbst eine ganz normale Bindgewebsschicht und eine Epidermis besitzt. Diese Spenderhaut reagiert auf ein Textil oder eine Chemikalie sehr ähnlich wie die normale menschliche Haut ", resümiert Dirk Höfer, Humanbiologe und Leiter des Kompetenzzentrums Medizintextilien im Forschungszentrum Hohensteiner Institute bei Stuttgart. Tests an Freiwilligen - mitsamt möglicher Komplikationen - können einerseits so vermieden werden, andererseits spart das System einen erheblichen Anteil an Kosten

    Doch auch als Ersatzorgan etwa für die Behandlung von Brandopfern wird die Kunsthaut bereits verwendet. Allerdings ist dieses Verfahren noch wenig praktikabel, weil das Züchten großer Hautflächen zu lange dauert. Eine Lösung sehen die Wissenschaftler in der Nanotechnologie, wie sie bei Spezialverbänden heute schon angewandt wird, berichtet Dirk Höfer: "Dabei könnte ein Textil mit einer nanodünnen Schicht etwa aus Siliziumoxid überzogen werden, in der Wirkstoffe eingebettet liegen. Mit einem solchen Pflaster könnten Wachstumsfaktoren oder Enzyme, die die Wundheilung beschleunigen, direkt und gesteuert in die Wunde eingebracht werden." Bei dieser so genannten Nanosoltechnik werden Textilien mit einer sehr dünnen Keramikschicht bedampft und anschließend mit Wirkstoffen beladen. So präparierte Verbände verkleben überdies nicht mit der Wunde und Mikroblutungen bleiben aus.

    Diese Technik eröffnet aber auch völlig neue, zukünftige Anwendungen: So wollen die Forscher das Siliziumoxid statt mit Medikamenten mit Hautzellen beladen. "Dazu könnten normale epidermale Hautzellen, so genannte Keratinozyten, dienen, die in oder an Fasern angelagert werden, um eine Wunde abzudecken. Dabei werden die Zellen zunächst an die Nanosolschicht angeheftet und dieser Träger auf eine Wunde aufgebracht. Anschließend können die Ersatzzellen aus der Nanosolschicht auf das Gewebe übergehen und mit ihm verwachsen." Bis zum breiten Einsatz dieser Methode muss allerdings noch das Problem der Ernährung der lebenden Ersatzzellen auf ihrem Wundpflaster gelöst werden. Auch müsste ein solcher Verband in kurzer Zeit speziell für individuelle Patienten hergestellt werden können. Allerdings dauert dies heute noch etwa zwei Wochen - bei schweren Verbrennungen viel zu lange.

    [Quelle: Mirko Smiljanic]