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Wie entwickelt sich der Markt für Bioprodukte?

Während die industrielle Großproduktion in der Landwirtschaft derzeit einen eher schlechten Ruf hat, nicht zuletzt durch die Äußerungen von Bundeskanzler Gerhard Schröder über die "Agrarfabriken", erfreuen sich die Biobauern großer Aufmerksamkeit und einer steigenden Beliebtheit. Obwohl nicht einmal 3 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet wird, wird landauf, landab viel über den ökologischen Landbau geredet. Und diese Popularität nutzen die Biobauern derzeit kräftig aus, um für ihre Produkte zu werben. Und die Werbung wirkt. Die im ökologischen Landbau erzeugten Lebensmittel erleben derzeit einen regelrechten Boom, so dass es sogar zu Lieferengpässen kommt. Doch ist dieser Boom nur ein Strohfeuer oder wird er auch langfristig anhalten? Dieser Frage ist Susanne Schrammar nachgegangen und hat sich bei einem Biovermarkter im niedersächsischen Dorstadt bei Braunschweig über seine Hoffnungen und Erwartungen erkundigt.

Von Susanne Schrammar |
    25 Prozent mehr Umsatz und das seit Dezember - die Zwischenbilanz der "Bergquell Naturhöfe AG" kann sich sehen lassen. Seit 1994 erzeugen und vermarkten die Brüder Konstantin und Nicolaus von Löbbecke Lebensmittel aus ökologischem Anbau. Doch erst BSE und MKS haben das 43 Personen-Unternehmen mit Sitz in Dorstadt bei Braunschweig in die tiefschwarzen Zahlen gebracht.

    Der derzeitige Bio-Boom soll genutzt werden: Ihr 200 Produkte umfassendes Sortiment - vom glücklichen-Hühner-Ei über die Öko-Zitrone bis hin zur Vollwert-Lasagne - soll schon bald in jedem Supermarktregal zu finden sein. Eine Herausforderung für Nicolaus von Löbbecke:

    Diese Ketten sind natürlich überaus rigide in ihren Qualitätsansprüchen, also optischen und äußerlichen Qualitäten, aber vor allem sind sie auch sehr verhalten, wenn es darum geht Preise zu verhandeln und den Lieferrhythmus zu verhandeln. Das heißt, ich muss als Lieferant heute fähig sein, jeden Tag, jeden Supermarkt in Deutschland selbst erreichen zu können und das kann kaum einer, das ist eine sehr, sehr schwierige Aufgabe.

    Darum will das Unternehmen expandieren und seine Produktionsmengen erhöhen. Das kostet nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Was heute geplant wird, ist vielleicht erst in drei Jahren umsetzbar. Durch den Verzicht auf organische Dünger und Spritzmittel dauert die Anzucht einfach länger. Ein Risiko für die Brüder, denn niemand weiß, ob die große Nachfrage weiter anhält. Weiteres Problem: Das verstaubte Image der Branche. Von Löbbecke will weg von Müsli und Wollsocke hin zu Genussprodukt und Wellness:

    Dieser Gedanke, Umweltschutz, ist dem Verbraucher völlig schnuppe - für Lebensmittel. Es interessiert ihn also nicht, er will egoistische Ziele und das ist ja auch völlig legitim, das ist in Ordnung, er will für selbst etwas Gutes tun und der Umweltschutzgedanke tritt dabei in den Hintergrund.

    So ist das lange von der Bio-Branche propagierte Motto "Von der Region in die Region" für Löbbeckke passé. Zwar wird der Großteil der Dorstädter Produkte von rund 60 Erzeugern aus Deutschland geliefert, aber Bio-Orangen wachsen bei uns nun mal nicht und auch die kontrolliert angebaute Kartoffel ist in Deutschland nur ein paar Monate lang zu bekommen - also importiert das Unternehmen auch aus dem Ausland:

    Weil der Anspruch da ist: Ich muss ganzjährig mein Bioprodukt haben. Wenn ich das nicht kriege, kaufe ich das nicht mehr. Und ich muss dann, wenn ich mit meiner Saison wieder anfange, den Käufer erst wieder gewöhnen daran, dass es jetzt wieder Bio-Produkte gibt. Und das ist absolut unmöglich. Ich muss also einen gewissen Standard an Produkten das ganze Jahr über gleichbleibend liefern können.

    Selbst wenn Qualität und Lieferrhythmen stimmen, die breite Masse der Käufer lässt sich noch immer vom Preis leiten. Darum plant das Familienunternehmen jetzt den Ansturm auf die sogenannten Discounter. Schließlich haben Aldi und Co schon ganz andere Lebensmittel nach vorne gebracht:

    Lachs, Champagner all diese Produkte, auch die Forelle, hat der Discount erst überhaupt marktfähig gemacht in Deutschland. Da gibt es viele Entwicklungen auch im Premium-Markt, so dass wir uns erhoffen, dass der Discount diesen Premium-Markt Bio auch nach oben bringen wird.

    Und wenn die Strategie der Brüder von Löbbecke aufgeht, dann wollen sie in drei Jahren sogar an die Börse.