Dass damit die Konstruktion des Stücks zusammenkracht, hat sie wenig bekümmert: Es geht bei Shakespeare um den Konflikt von Stadt und Land, in der Renaissance ein großes Thema, und wenn man die Intrigen und Machtspielchen des ersten Teils – auf dem Schloss - nicht sieht, dann weiß man gar nicht, warum und vor was diese Menschen sich in die angeblich elysischen Gefilde des Ardenner Walds geflüchtet haben.
Bei Niermeyer aber tauchen wir gleich mitten rein in die lauschige Waldeseinsamkeit, und dort wird das Stück über zwei Stunden auf der Stelle treten. Vögel zwitschern, gutwillige Menschen klampfen und singen und verkleiden sich ein bisschen, die Rosalind als Mann, die Celia als Balletthäschen, der alte Narr Touchstone als greller Zirkusclown, und fortan wird das Liebeselend dieser Welt therapeutisch-botanisch durchgewalkt.
Denn alle lieben den Falschen oder jedenfalls jemanden, der nicht zurückliebt oder in wen anders verguckt ist. Kann passieren, nicht nur in Shakespeares pastoraler Idylle. So ganz hat Niermeyer der Waldeslust denn aber nicht getraut, denn die Bühnenbildnerin Maria-Alice Bahra baut ziemlich großkotzig, da wird nun überhaupt nicht gespart, die Moderne und das Wohnzimmer mitten ins Naturschutzgebiet. Die Zuschauer sind umgeben von einem nett gepinselten Waldprospekt, und sie sitzen vor einer langgestreckten Half-Pipe, also einer abschüssigen und wieder ansteigenden Rampe, auf der sonst jugendliche Skateboard-Fahrer ihre Akrobatik üben. Das Leben in Freiburg ist offenbar keine Rennbahn, sondern eine abschüssige Ebene, ein ständiges Auf und Ab, Ab und Auf, früher hätte man schonungslos gesagt: Rock and Roll.
Irgendwie muss sich auch Frau Niermeyer dunkel an diese verruchten Jugendzeiten erinnert haben, denn die Half-Pipe ist belegt mit einem riesigen, blendend weißen Flokati-Teppich. Auf dem könnte nun was passieren, immerhin geht’s um die Liebe; und im Breisgauer Wäldchen ist’s nicht nur lauschig, sondern auch flauschig. Aber gemach, die Jugend heute, sie ist brav und adrett: no sex please, we are in Freiburg. Wenn bei Niermeyer zwei sich mögen, dann busseln und schmatzeln sie einander ab wie im Kindergarten oder wie der Karl Moik das immer tut mit seinen volksmusikantischen Sangesschwestern. Sie holen die Gitarre raus und schnulzen "Oh, wait a long time for meeheee". Sie dichten dumme Verse, denn Poesie resultiert aus Müßiggang, etwa so: "Du hast ein Herz aus Schokolade, und Honig trieft aus deinem Mund. So singt das Meer, so bläst der Wind: nichts ist so schön wie Rosalind". Sie werfen Flugblätter, die keinesfalls zur Subversion aufrufen, sondern der Geliebten Komplimente machen. Kurz: Sie sind so herzlich harmlos und heutig, dass man meinen möchte, die salbungsvolle Schäfer-Lyrik komme geradewegs aus der coolen Jackson-Pollock-Bar vor dem Theater.
Vielleicht stimmt das ja auch. Denn die Protagonisten, die anfangs noch brav Renaissance-Kostüme tragen und sich dann umkleiden, spielen im Grunde Figuren, die sich auch im Hauptseminar im Unigebäude gegenüber gut machen würden: immer schwer verliebt, in emotionale Händel verstrickt, die möglichst therapeutisch bearbeitet werden müssen. Die als Mann verkleidete Rosalind der Juliane Köhler lässt ihren Geliebten Orlando alle Vor- und Nachteile des Verliebtseins durchspielen, aber das Ganze hat keinen Bauch; Köhler ist, trotz aller aufgesetzten Verve, eine eher technische Schauspielerin, sie hat so eine kraftlose Kraft. Ihr Widerpart Orlando, der junge, filigrane Urs Peter Halter, entdeckt in seiner Figur, die er wirklich ganz studentisch spielt, wenigstens einen alten Konflikt: dem läuft wirklich was aus der Bahn. Der hat wahrscheinlich schon einen Praktikumplatz bei IBM, und dann kommt ihm die Liebe dazwischen und er muss sich im Wald ausheulen.
Im Wald gibt’s auch eine Schäferin, ein Öko-Hippie-Mädel mit Dreadlocks, das von dem alten Galan Touchstone angemacht wird: der alte Mann und die junge Frau, in Freiburg kein Grund zur Tragik. Das bleibt so klinisch brav wie der ganze Rest der wohlfeilen Inszenierung. Die Liebe ist nichts Gefährliches, denn wir sind ja unter uns. Wir geben Küsschen. Wir tändeln. Auch die Homoerotik verwirrt uns nicht in Freiburg; sie ist so ein Sandkastenspiel, und wahrscheinlich gibt es auch einen Gleichstellungsbeauftragten. So ein junges Ensemble – und schon so angepasst. Man kann sicher sein: Der aus der Alternativbewegung kommende Freiburger Oberbürgermeister wird seiner Intendantin bald wieder grün sein.
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Bei Niermeyer aber tauchen wir gleich mitten rein in die lauschige Waldeseinsamkeit, und dort wird das Stück über zwei Stunden auf der Stelle treten. Vögel zwitschern, gutwillige Menschen klampfen und singen und verkleiden sich ein bisschen, die Rosalind als Mann, die Celia als Balletthäschen, der alte Narr Touchstone als greller Zirkusclown, und fortan wird das Liebeselend dieser Welt therapeutisch-botanisch durchgewalkt.
Denn alle lieben den Falschen oder jedenfalls jemanden, der nicht zurückliebt oder in wen anders verguckt ist. Kann passieren, nicht nur in Shakespeares pastoraler Idylle. So ganz hat Niermeyer der Waldeslust denn aber nicht getraut, denn die Bühnenbildnerin Maria-Alice Bahra baut ziemlich großkotzig, da wird nun überhaupt nicht gespart, die Moderne und das Wohnzimmer mitten ins Naturschutzgebiet. Die Zuschauer sind umgeben von einem nett gepinselten Waldprospekt, und sie sitzen vor einer langgestreckten Half-Pipe, also einer abschüssigen und wieder ansteigenden Rampe, auf der sonst jugendliche Skateboard-Fahrer ihre Akrobatik üben. Das Leben in Freiburg ist offenbar keine Rennbahn, sondern eine abschüssige Ebene, ein ständiges Auf und Ab, Ab und Auf, früher hätte man schonungslos gesagt: Rock and Roll.
Irgendwie muss sich auch Frau Niermeyer dunkel an diese verruchten Jugendzeiten erinnert haben, denn die Half-Pipe ist belegt mit einem riesigen, blendend weißen Flokati-Teppich. Auf dem könnte nun was passieren, immerhin geht’s um die Liebe; und im Breisgauer Wäldchen ist’s nicht nur lauschig, sondern auch flauschig. Aber gemach, die Jugend heute, sie ist brav und adrett: no sex please, we are in Freiburg. Wenn bei Niermeyer zwei sich mögen, dann busseln und schmatzeln sie einander ab wie im Kindergarten oder wie der Karl Moik das immer tut mit seinen volksmusikantischen Sangesschwestern. Sie holen die Gitarre raus und schnulzen "Oh, wait a long time for meeheee". Sie dichten dumme Verse, denn Poesie resultiert aus Müßiggang, etwa so: "Du hast ein Herz aus Schokolade, und Honig trieft aus deinem Mund. So singt das Meer, so bläst der Wind: nichts ist so schön wie Rosalind". Sie werfen Flugblätter, die keinesfalls zur Subversion aufrufen, sondern der Geliebten Komplimente machen. Kurz: Sie sind so herzlich harmlos und heutig, dass man meinen möchte, die salbungsvolle Schäfer-Lyrik komme geradewegs aus der coolen Jackson-Pollock-Bar vor dem Theater.
Vielleicht stimmt das ja auch. Denn die Protagonisten, die anfangs noch brav Renaissance-Kostüme tragen und sich dann umkleiden, spielen im Grunde Figuren, die sich auch im Hauptseminar im Unigebäude gegenüber gut machen würden: immer schwer verliebt, in emotionale Händel verstrickt, die möglichst therapeutisch bearbeitet werden müssen. Die als Mann verkleidete Rosalind der Juliane Köhler lässt ihren Geliebten Orlando alle Vor- und Nachteile des Verliebtseins durchspielen, aber das Ganze hat keinen Bauch; Köhler ist, trotz aller aufgesetzten Verve, eine eher technische Schauspielerin, sie hat so eine kraftlose Kraft. Ihr Widerpart Orlando, der junge, filigrane Urs Peter Halter, entdeckt in seiner Figur, die er wirklich ganz studentisch spielt, wenigstens einen alten Konflikt: dem läuft wirklich was aus der Bahn. Der hat wahrscheinlich schon einen Praktikumplatz bei IBM, und dann kommt ihm die Liebe dazwischen und er muss sich im Wald ausheulen.
Im Wald gibt’s auch eine Schäferin, ein Öko-Hippie-Mädel mit Dreadlocks, das von dem alten Galan Touchstone angemacht wird: der alte Mann und die junge Frau, in Freiburg kein Grund zur Tragik. Das bleibt so klinisch brav wie der ganze Rest der wohlfeilen Inszenierung. Die Liebe ist nichts Gefährliches, denn wir sind ja unter uns. Wir geben Küsschen. Wir tändeln. Auch die Homoerotik verwirrt uns nicht in Freiburg; sie ist so ein Sandkastenspiel, und wahrscheinlich gibt es auch einen Gleichstellungsbeauftragten. So ein junges Ensemble – und schon so angepasst. Man kann sicher sein: Der aus der Alternativbewegung kommende Freiburger Oberbürgermeister wird seiner Intendantin bald wieder grün sein.
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