Archiv


Wie findet man kreative Köpfe?

In vielen Bewerbungsgesprächen gerade bei US-Firmen ist die Zeit der netten Plaudereien vorbei, in denen man sein Interesse am Job bekundet und ein wenig über sich erzählt hat. Immer mehr Unternehmen wollen durch so genannte Problemlösungsfragen herausfinden, ob Stellenbewerber in der Lage sind, kreativ zu denken und ungewöhnliche Aufgaben zu bewältigen.

Von Gunnar J. Schultz-Burkel [ |
    Sie haben ein Aquarium mit 200 Fischen. 99 Prozent davon sind Guppys. Wie viele Guppys muss man herausnehmen, um 98 Prozent Guppys zu behalten? Das ist nur eine von vielen Fragen, die Stellenbewerbern beim Software-Riesen Microsoft gestellt werden. Vorbei ist die Zeit der netten Plaudereien, in denen man sein Interesse bekundete und sich einfach nett gab, erklärt der Personalchef von Microsoft.

    " Wir wollen sehen, wie Bewerber Probleme lösen. Gucken sie einen nur völlig entgeistert an, sind sie neugierig, haben sie zusätzliche Fragen. Auf diese Weise erhalten wir in relativ kurzer Zeit ziemlich genaues Bild von einem Kandidaten."

    Microsoft ist damit längst nicht mehr allein. IBM, Boeing, Southwest Airlines und andere wollen durch so genannte Problemlösungsfragen herausfinden, ob Stellenbewerber ins Unternehmen passen. Wer sich auf einen Posten in der Software-Entwicklung bewirbt, sagt Lauren Antonow von Microsoft, sollte sich auch auf so eine Frage gefasst machen

    " Ich sage den Kandidaten, dass wir eine neue Software für eine Autoklimaanlage entwickeln. Vor ihnen liegt die Gebrauchsanweisung. Dann will ich wissen, welche Ideen sie haben, sollten sie von uns angestellt werden. Die meisten wollen erstmal die Knöpfe versetzen und schieben sie von einer Seite auf die andere. Nur ein Bewerber gab die entscheidende Antwort. Er versetzte sich gedanklich in ein Auto an einem sehr heißen Tag. Dann meinte er: Ich habe Durst, warum werden die Getränkehalter eigentlich nicht mit der Klimaanlage gekoppelt. "

    Andere Unternehmen fordern Kandidaten auf, neue Toiletten zu entwerfen, oder eine neue Fernbedienung für eine Science-Fiction-TV-Serie. Es geht den Firmen nicht darum richtige, sondern kreative und ungewöhnliche Antworten zu bekommen. Die Vorgehensweise ist wichtiger als die Lösung. Ein Konzern forderte eine Bewerberin auf, die Zahl der Tankstellen in den USA zu schätzen. Eine Steuerprüfungsfirma wollte wissen, wie ein Mini-Roboter für eine Marsmission aussehen könnte.

    Der Elektronikingenieur Sante Row, der zwei Diplome von Eliteunis vorweisen kann, musste sich Fragen gefallen lassen, die wenig mit seinem Spezialgebiet zu tun haben. Unter anderem wollte man wissen, welchen von den 50 Bundesstaaten er abschaffen würde, sollte er die Macht haben:

    " Nach dem Gespräch fuhr ich nach Hause, haute mich auf die Couch und rief erstmal meine Mutter an. Ich war völlig fertig. Intellektuell gesehen war es interessant. Denn kein Seminar und kein Buch kann dich auf so etwas vorbereiten. Aber es war sehr hart."

    Professor Wanda Huber von der Uni von Washington, die sich auf Personal- Management spezialisiert hat, glaubt, dass inzwischen bis zu einen Drittel aller US-Firmen solche Problemlösungsgespräche führt.

    " Diese Unternehmen interessiert nicht mehr, was jemand in seinem Privatleben macht, wo er oder sie selbst ihre Schwächen und Stärken sehen. Die wollen wissen, wie jemand mit Unvorhergesehenem zurecht kommt. Wie er Situationen einschätzt und Lösungen sucht. Das Motto: Erwarte das Ungewöhnliche. "

    Die Lösung für die Guppy-Frage lautet übrigens: Man muss 100 von den 200 entfernen, um einen Anteil von 98 Prozent zu behalten.