Archiv


Wie gedenken demokratische Staaten ihrer militärischen Toten?

2600 "Bürger in Uniform" sind seit Gründung der Bundeswehr allein in Deutschland ums Leben gekommen - die meisten freilich bei Arbeitsunfällen oder Flugzeugabstürzen. Doch knapp 70 Soldaten starben mittlerweile auch schon bei Auslandseinsätzen. Soll man also dieser Toten an einem zentralen Ort gedenken?

Von Ingeborg Breuer |
    "Die heroische Gesellschaft war die Gesellschaft, in der der Krieger und der Bürger eins geworden sind, in der tendenziell jeder Bürger, wenn es denn nötig war, auch ein Krieger zu sein hatte .... Die postheroische Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass es zu einer schrittweisen, neuerlichen Separierung des Bürgers und des Kriegers kommt ..."

    Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler lieferte in seinem Vortrag das Stichwort, dass sich durch die Berliner Tagung zog: "Postheroisch"! Demokratische Gesellschaften gehen auf Distanz zu soldatischen Leitbildern wie "Ehre" oder "Opferbereitschaft". Sie wollen keine kriegerischen Helden.

    Wie aber gehen solche Gesellschaften damit um, dass nach wie vor Soldaten in ihrem Dienst sterben? 2600 "Bürger in Uniform" sind seit Gründung der Bundeswehr allein in Deutschland ums Leben gekommen - die meisten freilich bei Arbeitsunfällen oder Flugzeugabstürzen. Doch knapp 70 Soldaten mittlerweile auch schon bei Auslandseinsätzen. Soll man also dieser Toten an einem zentralen Ort gedenken? Möglicherweise ja, vernahm man auf der Tagung. Doch: wie kann ein solches Denkmal in der heutigen Zeit aussehen? Dr. Günter Schlusche, Architekt und Städteplaner bei der Berliner Senatsverwaltung:
    "wenn wir hier nach Berlin gucken, wenn ich mir so ein klassisches Krieger- oder Siegesdenkmal aus der heroischen Zeit anschaue, dann denk ich an die Siegessäule und diese Form des Standorts und dieser Baustil, den kann man in postheroischen Gesellschaften nicht mehr verwenden. ... Die Sprache des hierarchisch, axial ausgerichteten nach oben strebenden monozentrischen Elements ... In postheroischen Gesellschaften spielt das Individuum eine viel größere Rolle. Es geht wirklich um jeden Einzelnen und nicht nur das abstrakte Gedenken an einen unbekannten, den man für die Gesamtzahl der Toten nimmt. "

    Die Siegermächte des 2. Weltkriegs konnten recht ungebrochen an ihre gewohnten Traditionen des Totenkults anknüpfen. Doch die Aggressoren - und zugleich Verlierer- Japan, Italien, Deutschland - mussten sich nach 1945 von ihren militärischen Traditionen distanzieren, um sich in die demokratische Staatengemeinschaft zu integrieren. Im Falle Deutschlands erläutert Dr. Jörg Echternkamp vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam und Mitorganisator der Tagung ...:

    "... dass es nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg jedes Mal eine Kriegserinnerung nach einer Niederlage war, was aber nach 1918 durchaus noch in einer heroischen Weise geschah ... und dies war nach 1945 nicht mehr möglich, weil dort die Verantwortlichkeit und die Frage nach der Schuld hinzugekommen ist."

    Und so erinnert man in Deutschland vor allem an "die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft", wie es seit 1993 in der "Neuen Wache" in Berlin geschieht. Aktives militärisches Handeln ist in dieses Erinnern nicht eingeschlossen. Muss aber in Zukunft möglicherweise eingeschlossen werden, wenn Soldaten bei Auslandseinsätzen - in Afghanistan, im Libanon ums Leben kommen. Die Frage stellt sich also, ob und wie die Bundesrepublik den "Tod des Soldaten" symbolisieren und schließlich auch legitimieren kann. Prof. Manfred Hettling, Historiker an der Universität Halle und Tagungsleiter:

    "Vereinfacht formuliert, für welche politischen Prinzipien ist man im Ernstfall bereit zu töten und das Getötet-Werden von Mitgliedern des eigenen Gemeinwesens zu akzeptieren?"

    Wofür stirbt der Soldat? ist also die makabre Frage. Darüber allerdings werde innerhalb der Bundeswehr zu wenig geredet. Statt dessen rede man dort über soldatische Tugenden, über Gehorsam, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft.

    "wenn wir ... jetzt heute eine postheroische Erinnerung pflegen sollten, dann kommt es darauf an, nicht nur mit binnenmilitärischen Mitteln zu arbeiten, das wurde heute noch einmal klar, nicht nur auf Pflicht und Kameradschaft zu rekurrieren, sondern deutlich zu machen, dass es sich um demokratische Werte handelt, die den Einsatz und damit auch das Sterben der Soldaten legitimieren."

    "Den Toten unserer Bundeswehr / Für Frieden, Recht und Freiheit" wird deshalb die Inschrift des Ehrenmals lauten, dass zwar öffentlich zugänglich, aber dennoch abgeschirmt auf dem Gelände des Bundesministeriums für Verteidigung errichtet werden soll. Dies freilich ruft schon Widerspruch hervor. Warum nicht in der Nähe des Reichstags? wenn dort die Auslandseinsätze parlamentarisch beschlossen werden. Zu wenig öffentliche Diskussion habe stattgefunden, obwohl das Denkmal eine Zäsur im deutschen Umgang mit dem "Tod des Soldaten" bedeute.

    "es ist erstaunlich, dass in der Bundesrepublik darüber nicht heftig diskutiert wird, was ja nicht nur heißt, über das Denkmal. Sondern im Kern geht es darum, das Selbstverständnis der Gesellschaft über die Armee und den Einsatz militärischer Mittel. Und bei mir ist das Bild entstanden, dass sich relativ fundamentale Veränderungen ergeben durch die Auslandseinsätze und den Stellenwert der Armee. ..."

    Das 41 Meter lange, 8 Meter breite und 10 Meter hohe Ehrenmal soll von einem Bronzekleid umhüllt werden, in das halbe Erkennungsmarken von Soldaten gestanzt sind. Die ovale Marke trägt der Soldat im Einsatz. Stirbt er, wird eine Hälfte abgebrochen. Im Inneren des Monuments befindet sich ein Raum der Stille, nur durch eine Lichtöffnung in der Decke erhellt. Darin ein Monolith aus sogenanntem "Nagelfluh"-Gestein.

    Prof. Hans-Ernst Mittig, Kunsthistoriker an der Berliner Hochschule für Künste jedoch wertete den Entwurf als "Motivsammelsurium", behauptete, dass das verwendete Nagelfluh-Gestein vor allem im Hidukusch vorkomme. Und sprach von "gebildetem Getue", wenn die goldschimmernde Wand, auf die der Besucher beim Verlassen des inneren Gedenkraums trifft, als ein Symbol für das "Übernatürliche" und die "Hoffnung in allen Kulturen" beschrieben werde. Denn "übernatürliche" Hoffung hätten heute vor allem Selbstmordattentäter, während Gold hierzulande vor allem Geld und Reichtum symbolisierten. Und noch dazu sieht der Kunsthistoriker in Berlin eine "hochgradig redundante Denkmalslandschaft" im Entstehen.

    "Grob gesprochen verhüllt diese goldglänzende Bekleidung mit perforierten Bronzeblech das, was innen ganz traditionell geschieht, in starker Anlehnung an den Zustand, den früher die neue Wache aufwies, ein Steinblock als Mittelpunkt, eine offene Decke, durch die Licht hereinfallen soll, schwarze Wände, übrigens wie im Holocaustdenkmal. Und das sind Elemente, die man vielleicht heute verwenden kann, aber nicht in einer solchen nachahmenden Weise aus solchen benachbarten Denkmälern entnehmen kann. "

    Am Ende stellte der Leiter der Tagung, Manfred Hettling, fest, es habe eine sehr deutsche Debatte gegeben. Die Frage, wie andere Gesellschaften mit ihren militärischen Toten umgehen, sei überformt davon, dass das Thema Militär in Deutschland nach wie vor - ein Reizthema sei. Die liberale Öffentlichkeit bleibe weiterhin reserviert gegenüber der Rolle der Armee - und umgekehrt!

    Passend zu solcher Reserviertheit entwarf Herfried Münkler denn auch in seinem Vortrag eine Zukunft, in der ein Ehrenmal vielleicht überflüssig wäre. Denn so Münkler zynisch-realistisch, unsere "Gesellschaft" sei vielleicht weniger aus demokratischer Gesinnung "postheroisch", sondern aus demografischen Gründen:

    "In Ein/Zwei Kind-Familien ist in der Regel zu viel emotionales Kapital gebunden, als dass eine freudige Opferbereitschaft entstehen könnte. "

    Und daraus folge:

    "In diesen postheroischen Gesellschaften entsteht eine Freikaufmentalität. ... ... Das kann man natürlich dadurch tun, dass man die Wehrpflicht beendet und sagt: Wir stellen Berufsarmeen auf, wo gewissermaßen der private Kontrakt das Entscheidende ist und nicht die Zumutung der Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Oder aber noch besser, wir sind ja so wenige, wir kaufen uns die Krieger da, wo so viele sind, also wir rufen Blackwater oder wen auch immer an, könnt ihr denn nicht mit vielleicht ein paar Abenteurern - Jordanier und Pakistani und was auch immer -, ein Problem für uns lösen? Und was wir einbringen, ist Geld, denn davon haben wir genug. Also die Freikaufmentalität wird sicherlich dazu führen, dass die Aktien dieser PSCs weiterhin steigen."