Man sieht den Drosophila-Fliegen an, dass sie Kokain eingeatmet haben, im Labor der Biochemikerin Ulrike Heberlein von der University of California. Ein bisschen Kokain, und ihr Flug verlangsamt sich und wird zugleich unregelmäßig und zick-zack-förmig; noch ein bisschen mehr Kokain, und die Fliegen liegen bedopt und orientierungslos am Boden. Mit solchen Versuchen konnte Heberlein ein Gen identifizieren, das bei der Drogensucht offenbar eine entscheidende Rolle spielt. Das Gen heißt LMO4. Es blockiert den Dopamintransport zwischen den Nervenzellen, die bei Drogenkonsum aktiv sind. Ist in manchen Fliegen das LMO4-Gen aufgrund von genetischen Mutationen ausgeschaltet, wird mehr Dopamin transportiert, deshalb reagierten diese Fliegen stärker auf das Kokain. In einem nächsten Schritt untersuchte Heberlein die Wirkung des gleichen Gens bei Mäusen. Heberlein:
"Wir benutzten Mäuse, die wir so manipulierten, dass sie relativ wenig LMO4 produzierten. Das gelang uns mit Hilfe der RNA-Interferenz – für deren Entdeckung es ja dieses Jahr den Nobelpreis gab. Diese Methode erlaubt es, die Wirkung einzelner Gene in bestimmten Hirnregionen zu vermindern. Im Ergebnis zeigte sich bei den Mäusen der gleiche Effekt wie bei den Fliegen. Unser Ziel ist es, auf diese Weise Gene zu finden, die auch mit der Drogensucht beim Menschen zusammenhängen."
Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, hätten die Forscher nicht nur ein Gen gefunden, das das Drogenverhalten beeinflusst, sondern sie wüssten auch, wo dieses Gen eingreift: Nämlich bei den Dopaminrezeptoren im Gehirn – zumindest bei Mäusen. Ist es also beim Menschen genauso? Gut möglich, meint der Suchtforscher Rainer Spanagel vom Zentralinstut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Er führt ebenfalls Drogenexperimente durch, mit Fliegen, Mäusen und Ratten und stellt dabei immer wieder Parallelen zwischen Fliege und Mensch fest. Spanagel:
"Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass es zumindest in zwei Fällen möglich war, von der Fliege über die Maus bis zum Menschen genau dasselbe im Suchtbereich zu zeigen, und es ist wirklich erstaunlich, wie groß das Verhaltensrepertoire auch bei Fliegen ist."
Nur: Was nützt das einem drogenabhängigen Patienten? Wenig - glaubt der Entwicklungsbiologe Steven Rose von der britischen Open University:
"Wenn man ein Gen in einer Fruchtfliege verändert und herausfindet, dass es das Suchtverhalten beeinflusst – hat das irgendeine Relevanz für den Menschen? Wenn Menschen Drogen nehmen, versuchen sie doch, der Wirklichkeit zu entkommen. Die Drogensucht sagt also zunächst mal nichts über die Gene, sondern über die Gesellschaft, in der wir leben."
Wobei das eine das andere ja nicht ausschließen muss. Auch die Genetikerin Ulrike Heberlein ist aufgrund ihrer Forschungen eher zurückhaltend: Mit Tierversuchen lasse sich nur einige körperliche Reaktionen untersuchen, die mit Drogensucht zusammenhängen. Etwa: wie ein Tier immer empfindlicher reagiert, wenn es mit der Droge in Kontakt kommt; wie es immer mehr davon verträgt, aber zugleich immer mehr braucht, um die gleiche Wirkung zu erreichen. Und eben: Welche Gene damit zusammen hängen. Heberlein:
"Wenn Sie ein Gen identifizieren, das in diesem System wichtig ist, dann identifiziert man ja zugleich eine ganze Wirkungskette. Sie bekommen dadurch viele mögliche Punkte, an denen eine Therapie ansetzen könnte. Wenn also das LMO4-Protein die Anfälligkeit für Kokain vermindert, indem es die Dopaminrezeptoren im Gehirn teilweise lahm legt, dann sollte eine Therapie möglicherweise eher am Dopaminrezeptor ansetzen statt am LMO4-Gen oder dem dazugehörigen Protein. "
Doch Drogensucht werde sich nie nur mit solchen pharmazeutischen Mitteln behandeln lassen, meint Heberlein. Denn die gleichen Prozesse im Gehirn, die bei der Drogensucht eine Rolle spielen, sind auch bei anderen Verhaltensweisen aktiv, bei denen es um Vergnügen und Belohnung geht: Beim Essen, beim Sex, im sozialen Austausch. Wenn man also in dieses System eingreift, greift man ins Motivationsverhalten generell ein. Heberlein:0
"Im Extremfall könnte das dazu führen, dass man jemanden vielleicht von seiner Sucht heilt, damit aber zugleich einen Menschen hervorbringt, der auch zu nichts anderem mehr zu motivieren ist. Das wäre nicht das, was wir wollen."
"Wir benutzten Mäuse, die wir so manipulierten, dass sie relativ wenig LMO4 produzierten. Das gelang uns mit Hilfe der RNA-Interferenz – für deren Entdeckung es ja dieses Jahr den Nobelpreis gab. Diese Methode erlaubt es, die Wirkung einzelner Gene in bestimmten Hirnregionen zu vermindern. Im Ergebnis zeigte sich bei den Mäusen der gleiche Effekt wie bei den Fliegen. Unser Ziel ist es, auf diese Weise Gene zu finden, die auch mit der Drogensucht beim Menschen zusammenhängen."
Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, hätten die Forscher nicht nur ein Gen gefunden, das das Drogenverhalten beeinflusst, sondern sie wüssten auch, wo dieses Gen eingreift: Nämlich bei den Dopaminrezeptoren im Gehirn – zumindest bei Mäusen. Ist es also beim Menschen genauso? Gut möglich, meint der Suchtforscher Rainer Spanagel vom Zentralinstut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Er führt ebenfalls Drogenexperimente durch, mit Fliegen, Mäusen und Ratten und stellt dabei immer wieder Parallelen zwischen Fliege und Mensch fest. Spanagel:
"Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass es zumindest in zwei Fällen möglich war, von der Fliege über die Maus bis zum Menschen genau dasselbe im Suchtbereich zu zeigen, und es ist wirklich erstaunlich, wie groß das Verhaltensrepertoire auch bei Fliegen ist."
Nur: Was nützt das einem drogenabhängigen Patienten? Wenig - glaubt der Entwicklungsbiologe Steven Rose von der britischen Open University:
"Wenn man ein Gen in einer Fruchtfliege verändert und herausfindet, dass es das Suchtverhalten beeinflusst – hat das irgendeine Relevanz für den Menschen? Wenn Menschen Drogen nehmen, versuchen sie doch, der Wirklichkeit zu entkommen. Die Drogensucht sagt also zunächst mal nichts über die Gene, sondern über die Gesellschaft, in der wir leben."
Wobei das eine das andere ja nicht ausschließen muss. Auch die Genetikerin Ulrike Heberlein ist aufgrund ihrer Forschungen eher zurückhaltend: Mit Tierversuchen lasse sich nur einige körperliche Reaktionen untersuchen, die mit Drogensucht zusammenhängen. Etwa: wie ein Tier immer empfindlicher reagiert, wenn es mit der Droge in Kontakt kommt; wie es immer mehr davon verträgt, aber zugleich immer mehr braucht, um die gleiche Wirkung zu erreichen. Und eben: Welche Gene damit zusammen hängen. Heberlein:
"Wenn Sie ein Gen identifizieren, das in diesem System wichtig ist, dann identifiziert man ja zugleich eine ganze Wirkungskette. Sie bekommen dadurch viele mögliche Punkte, an denen eine Therapie ansetzen könnte. Wenn also das LMO4-Protein die Anfälligkeit für Kokain vermindert, indem es die Dopaminrezeptoren im Gehirn teilweise lahm legt, dann sollte eine Therapie möglicherweise eher am Dopaminrezeptor ansetzen statt am LMO4-Gen oder dem dazugehörigen Protein. "
Doch Drogensucht werde sich nie nur mit solchen pharmazeutischen Mitteln behandeln lassen, meint Heberlein. Denn die gleichen Prozesse im Gehirn, die bei der Drogensucht eine Rolle spielen, sind auch bei anderen Verhaltensweisen aktiv, bei denen es um Vergnügen und Belohnung geht: Beim Essen, beim Sex, im sozialen Austausch. Wenn man also in dieses System eingreift, greift man ins Motivationsverhalten generell ein. Heberlein:0
"Im Extremfall könnte das dazu führen, dass man jemanden vielleicht von seiner Sucht heilt, damit aber zugleich einen Menschen hervorbringt, der auch zu nichts anderem mehr zu motivieren ist. Das wäre nicht das, was wir wollen."