Christian Steinberg ist Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin. Er war einer der 80 Limnologen, die am Wolziner See in Brandenburg über die Gegenwart und Zukunft der deutschen Gewässer diskutierten. Denn obwohl Seen und Flüsse seit Jahren therapiert werden, ist die Verschmutzung immer noch ein massives Problem. Etwa 75% der Sanierungsmaßnahmen haben keinerlei Erfolge gezeigt. Und noch immer ist die Überdüngung, die Anreicherung der Gewässer mit Nährstoffen, Eutrophierung genannt, ein massives Problem. Und selbst wenn von heute auf morgen alle Bauern auf ökologischen Landbau umsatteln würden – die Nährstoffe stecken im Boden und reichen aus, um noch über Jahrzehnte die Seen zu überdüngen.
Die überdüngten Gewässer haben die Eigenschaft, dass sich dort giftige Blaualgenpopulationen durchsetzen und man begreift das immer mehr. Erst gab es alarmierende Berichte aus Japan, dann aus Australien und aus Amerika und jetzt sehen wir das selbst: diese Blaualgen sind in der Lage eine Vielzahl von Giften zu produzieren und von denen viele auf den Menschen sogar krebserregend wirken.
Es muss also gehandelt werden. Nur wie, darüber streiten Wissenschaftler, Politiker, Gemeinden und vor allem die Ingenieurbüros, die Verfahren zur Gewässersanierung entwickeln. Denn Ökologie ist auch ein riesen Geschäft. Natürlich gibt es naturwissenschaftlich abgesicherte Verfahren, sagt Jürgen Spieker, der in Hamburg ein Analyselabor betreibt, aber
Jeder See ist ein Individuum. Man kann nicht ein Verfahren auf jeden See anwenden. Ich habe heute morgen einen Vortrag gehalten, da hab ich vorgestellt, dass es allein 55 Verfahren gibt, mit denen man Seen therapieren kann. Wenn jetzt eine Firma sich auf ein Verfahren kapriziert, dann kann es nicht sein, dass es dieses Verfahren auf alle Seen anwenden kann. Es gibt flache, es gibt tiefe, es gibt große, es gibt kleine, die Seen sind von ihrem Chemismus unterschiedlich, es gibt Hartwasserseen, es gibt Weichwasserseen, es gibt stark durchflossene, es gibt wenig durchflossene, es gibt also eine Menge von Typen. Und ein Verfahren passt nicht auf alle Seen.
Deshalb sind unabhängige Limnologen gefragt, die das jeweilige Gewässer genau untersuchen und die Grundlagen erheben, damit gezielt saniert werden kann.
Es müssen Daten übers Einzugsgebiet bekannt sein, es müssen Daten über die Wasseraustauschzeit eines Sees bekannt sein, es müssen die reinen Wasserdaten, also die wasserchemischen Daten sein, es muss gewisse Kenntnisse über die Organismen im Wasser und auch im Sediment bekannt sein. Und dann muss auch über die Sedimentqualität einiges bekannt sein. Also diese 5 Komponenten müssen auf alle Fälle in unterschiedlicher Tiefe bearbeitet werden bevor man ein Sanierungsprogramm durchziehen kann.
Bislang ist es allerdings häufig noch so, dass die Sanierungsverträge zwischen Gemeinden und Ingenieurbüros abends am Biertisch zustande kommen – ohne die Meinung der Wissenschaft einzuholen. Und auch wenn die Limnologen mitreden dürfen, wird häufig etwas anderes gemacht, bemängelt Christian Steinberg und zeigt auf den Wolziner See, der so idyllisch aussieht und doch dringend sanierungsbedürftig ist.
Es gäbe hier die Möglichkeit, dass man versucht, diesen See aus dem algendominierten Zustand in den höheren wasserpflanzendominierten Zustand zu bekommen, dass ich also höhere Wasserpflanzen versuche zu züchten und den See damit besiedeln zu lassen. Und das ist nicht ganz einfach, denn Sie haben einen Druck von den Vögeln, von den zu vielen Vögeln, die jetzt im Frühjahr die frischen Sprößlige aus dem Sediment aus dem Wasser abknapsen, Köpchen unter Wasser, Schwänzchen in die Höh, das sind die Enten, die Wasserpflanzen wegfressen, alles das müssen Sie beseitigen. Und versuchen Sie mal Vögel von einem Gewässer zu dezimieren, was das für’n Aufschrei in der Öffentlichkeit gibt. Da sind Sie gleich wieder da, dass Sie Umweltpsychologen einschalten müssen, die das der Bevölkerung nahebringen und die Akzeptanz erhöhen.