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Wie kommt Geist ins Gehirn?

Das Gehirn des Menschen hat sein großes Geheimnis noch nicht preisgegeben. Zwar kennt man seinen Aufbau aus Neuronen, Synapsen und Axonen gibt und kann beobachten, wann welche Hirnregionen besonders aktiv sind. Das Gehirn als Ganzes ist damit aber noch lange nicht erklärt und einige Wissenschaftler glauben sogar, dass unser Geist sich schon aus Prinzip nicht vollständig selbst verstehen kann.

Von Michael Engel |
    Unser Gehirn besteht aus nicht weniger als 100 Milliarden Nervenzellen. Es ist so groß wie eine Grapefruit - im Durchschnitt 1245 Gramm bei der Frau, 1375 beim Mann - wobei vermutlich schon die Größe einer Erbse ausreichen würde, um den Menschen lebensfähig zu erhalten. Organisch gesehen! Doch was wäre der Homo sapiens, wenn er nicht Wissen aufsaugen könnte wie ein Schwamm. Zum Beispiel schon im Kindergarten, wenn es um Zahlen geht:

    1. Mädchen: " Warum möchtest Du ins Zweierland?"
    2. Mädchen: " Weil ich nur zwei Ohren habe."
    1. Mädchen: " Dann darfst Du rein. Warum möchtest Du ins Zweierland? "
    Junge: " Weil ich nur zwei Autos habe. "
    1. Mädchen: " Dann darfst Du rein."

    Neugierde treibt unser Gehirn an - sie ist gewissermaßen ein Grundbedürfnis - das sich neurophysiologisch allerdings kaum erklären lässt. Wenigstens in Ansätzen bekannt ist was passiert, wenn wir diesem Grundbedürfnis nachkommen und lernen. Thomas Huber von der Medizinischen Hochschule Hannover:

    " Wir wissen zum Beispiel, wenn Sie eine Nervenzelle A mit einer Nervenzelle B, die hintereinander geschaltet sind, diese häufig erregen, dass das dann auch schneller passiert. Und unsere Vorstellung ist, dass durch diese Veränderung der Übertragungseffizienz von Nervenzellen Lernvorgänge funktionieren, dann natürlich nicht nur mit Nervenzelle A und B, sondern mit ganzen Netzen von Nervenzellen und recht komplizierten Interaktionen. "

    Zu diesen Interaktionen, von denen Huber spricht, zählen auch Verschaltungen, die zwischen verschiedenen Nervenzellen entstehen, wenn wir Informationen aufnehmen: zum Beispiel beim Zuhören in der Vorlesung, beim Studieren eines Lehrbuches oder beim Nachdenken. Das Netzwerk an Nerven, das sich hierbei verändert, bildet quasi "Gedächtnisspuren", die umgekehrt auch abrufbar sind. Huber:
    " Grob kann man sagen, es gibt kein Lernzentrum so wie es ein Sprachzentrum gibt im Gehirn, sondern es werden ganz unterschiedliche Nervenzellverbände in sehr breiten Arealen über das ganze Gehirn gebraucht für diese Prozesse. "

    Auch wenn die Hirnforschung bisweilen Spektakuläres zutage fördert, wie etwa die Erkenntnis, dass wir ständig neue jungfräuliche Stammzellen im Gehirn bilden, die Nachschub für unsere grauen Zellen sind, so bleibt der Nutzen für den Alltag eher gering.

    Bislang ist noch keine Pille in Sicht, mit der man Wissen einfach schlucken könnte. Dass sich aber Stress negativ auf das Gedächtnis auswirkt, hat Professor Hans Markowitsch von der Uni Bielefeld herausgefunden:

    " Das Interessante ist, dass im Gehirn genau die Hirnbereiche, die für die Verarbeitung von Gedächtnis und Emotionen zentral sind, auch diejenigen sind, die die meisten Rezeptoren für Stresshormone enthalten. Dann, wenn extreme Stresssituationen auftreten, kann es zu Gedächtnisblockierungen führen, dass die Person keine neuen Informationen mehr aufnehmen kann oder alte Information ganz oder in Teilen nicht mehr abrufen kann. "

    Stress bedingte Gedächtnisblockaden: Fast jeder Studierende kennt solche Situationen. Was bleibt, ist die Empfehlung, Ruhe zu bewahren und möglichst schnell eine eigene effiziente Lernstrategie zu entwickeln. Professor Irene Daum von der Uni Bochum:

    " Und es ist wichtig zu wissen, dass das auch im höheren Lebensalter noch möglich ist und dem Gehirn den nötigen Anreiz gibt, die nötige Stimulation, um aktiv zu bleiben. "

    Gehirnjogging sollte allerdings nicht erst im Alter begonnen werden, so Daum. Wer früh gelernt hat, sein Gehirn auf Trab zu bringen, bringt beste Voraussetzungen auch für das Alter mit. Zum Beispiel Ursula von Seeler, die jetzt mit 85 Jahren den Computer entzaubern möchte.

    " Denn ich habe Urenkel, die elf und 13 Jahre alt sind. Und da habe ich mir eigentlich immer gedacht: Was diese Kinder können, mühelos, das muss ich doch als Erwachsener noch packen. "