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Wie lassen sich Schluckstörungen behandeln?

Für die meisten von uns ist das Hinunterschlucken von Speisen und Getränken etwas so selbstverständliches, dass wir uns kaum Gedanken darüber machen. Außer wir verschlucken uns mal. Aber das Schlucken kann für Menschen auch zum mühsamen Vorgang werden: bei verschiedenen Erkrankungen vom Schlaganfall über Tumoren bis zu neurologischen Ausfällen nach einem Unfall. Im Klinikum Karlsbad - Langensteinbach gibt es seit kurzem ein neues Schluckzentrum, in dem Fachleute verschiedenster Disziplinen Schluckstörungen behandeln.

Gerhard Trey |
    Ich habe ungefähr seit 10 Jahren die Schluckstörung und dann wurde es immer schlechter Ich kann schlecht essen, ich muss alles gemixt essen und es geht ganz langsam runter mit Pausen. Ich hab ziemlich viel abgenommen, zehn Kilo und bin seit Oktober von einem Krankenhaus, von einem Arzt zu anderen geschickt worden und jetzt bin ich hier gelandet in der Klinik.

    Der Schluckakt ist etwas Kompliziertes, was dem Gesunden natürlich gar nicht bewusst wird. Über 30 Muskelgruppen sind beteiligt, wenn ein Bissen Brot oder ein Schluck Wasser innerhalb ganz kurzer Zeit vom Mund in die Speiseröhre befördert wird. In Sekunden muss sich dabei der Atemkanal in einen Schluckkanal verwandeln. Und anschließend wieder freigegeben werden für die Atmung. Dazu Harmina Witscher-Hoving, Diplom-Logopädin und Schlucktherapeutin am Schluckzentrum des Klinikums Karlsbad-Langensteinbach.

    Im Moment ist es so, dass bei ihr die Speiseröhre nicht aufgeht, das heißt, dass nur tröpfelchenweise mit sehr, sehr viel Mühe einigermaßen etwas geschluckt werden kann. Sie hat jetzt soviel Flüssigkeitsmangel gehabt und Nahrungsunterversorgung, dass sie auch Kreislaufeinbrüche bekommen hat. Es wird jetzt weitere Diagnostik gemacht, es wird vielleicht versucht, den oberen Sphinkter von der Speiseröhre zu dehnen, irgendwie eine Möglichkeit zu finden, dass da doch Nahrung durchkommen könnte.

    Die Therapie durch einen operativen Eingriff, wie er bei der 76 Jahre alten Patientin aus dem Raum Stuttgart geplant ist, bildet im Schluckzentrum Langensteinbach die große Ausnahme. In der weit überwiegenden Zahl wird die Schluckstörung konservativ angegangen. Die meisten Patienten kommen nach einem Schlaganfall ins Schluckzentrum. Aber es gibt noch eine ganze Reihe von Ursachen für Schluckstörungen. Dr. Reiner Heckl, leitender Arzt der Neurologie:

    Die häufigsten Krankheiten, die in der Neurologie vorkommen, die mit Schluckstörungen einhergehen, sind vor allem der Schlaganfall, vor allem Schlaganfälle, die auch den Hirnstamm betreffen, es gibt andere Krankheiten wie etwa die amyotrophische Lateralsklerose, das ist eine Erkrankung des Hirnstammes, der Hirnstamm kann natürlich auch durch Tumoren betroffen sein. Das alles führt zu Schluckstörungen.

    Hinzu kommen noch Komplikationen nach Eingriffen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, Hirn-Schädelverletzungen und Patienten im so genannten Wachkoma, bei denen etwa nach einem Herzinfarkt schwere Hirnschäden auftraten. Schluckstörungen nehmen auch im Alter zu, doch gilt der so genannte Altersschluck, wie ihn die Fachleute salopp nennen, nicht als pathologisch. Bei jedem Patienten wird zunächst die Störung des Schluckvorgangs röntgenologisch genau erfasst. Dr. Fritz Bergen, leitender Oberarzt der Radiologie in Langensteinbach

    Wir führen die Untersuchung so durch, dass wir kontinuierlich, vom Speisenaufnehmen in den Mund , wir sehen die Zungenbewegung, auch den gesamten Schluckakt, bis der Speisebrei bzw., die Flüssigkeit im Magen verschwindet, Wir machen also letztendlich eine komplette Darstellung des Schluckaktes.

    Nach der ersten Diagnostik kommt die Therapie, der - bei aller Individualität im Einzelfall – im Prinzip immer das gleiche Konzept zugrunde liegt. Sönke Stanschus, Koordinator des Schluckzentrums, Klinischer Linguist und Schlucktherapeut.

    Wir verfolgen in der Neuro-Rehabilitation eigentlich alle die gleichen Ziele. Wir wissen, dass wir versuchen müssen, ausgefallene neurologische Netzwerke zu reaktivieren, benachbarte Areale sollen wieder arbeiten lernen. Was wir brauchen, sind aber äußerst spezifische Behandlungsmethoden und keine generellen Behandlungsmethoden, die irgendwo vielleicht wirken, denn wir wollen exakt die Hirnregionen ansprechen, die ausgefallen sind.

    Eine 40 Jahre alte Patientin aus dem Schwäbischen hat einen Schlaganfall erlitten. Sie kann nicht sprechen und auch das Schlucken ist nicht möglich, deshalb ist die Ernährung über eine Magensonde notwendig. Wir haben eine Therapiesitzung beobachtet. Bei der Patientin ist auch die willkürliche Auslösung des Schluckaktes gestört.

    Das ist eine besondere Art der Lähmung, wir nennen das Schluck-Apraxie. Apraxie bedeutet eine Störung der willentlichen Vorgänge. Um die Muskulatur zu kräftigen, - die Schluckstörung, die sie hat, verhindert auch die automatisierten Vorgänge – muss sie erst mal lernen, das, was sie willkürlich beherrschen kann, willkürlich besser zu kontrollieren So, was wir jetzt aufbauen, ist für die Unterstützung der Therapie. Das ist eine so genannte Bio-Feed-back-Therapie dabei sieht die Patientin ein Signal und zwar immer dann , wenn sie die Muskeln anspannt und wir wollen versuchen, dass bestimmte Muskeln angespannt werden, aber andere Muskulatur, die stört beim Schlucken, soll nicht angespannt werden.

    Rund fünfzig Prozent aller Schlaganfallpatienten haben eine Schluckstörung. Dabei geht es aber nicht nur um das Problem der erschwerten oder verhinderten Essensaufnahme, Gefahr droht auch für die Lunge.

    Das Risiko bei akuten Schlaganfällen ist, dass Patienten sehr schnell so genannte nosokome Keime, das heißt, sehr schädliche Keime im Mundbereich entwickeln. Werden die verschluckt, führt das zu erheblichen Lungenentzündungen, gleichzeitig wird oft übersehen, dass Patienten zu wenig Flüssigkeit und Nahrung zu sich nehmen. Das alles schwächt das Immunsystem so stark, dass die häufigste Todesursache nach überlebten Schlaganfällen Lungenentzündungen sind.

    Link zum Schluckzentrum: http://karlsbader-schluckzentrum.de

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