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Wie man lernt

"Lebenslanges Lernen": Das ist nicht mehr nur der schicke Slogan, mit dem man sich gern schmückt kann, sondern es ist heute sowohl für den einzelnen als auch für ein Unternehmen zum Überlebensrezept geworden. Schließlich gilt es für alle, konkurrenzfähig zu bleiben - gegenüber den anderen: den Jüngeren, dem Ausland. Wie wir zu einer Kultur des lebenslangen Lernens kommen und welche Rolle dabei die staatlichen Hochschulen spielen, damit hat sich gestern Abend der Stifterverband für die Deutsche Wirtschaft auf einer Podiumsdiskussion beschäftigt - nicht zufällig so kurz vor dem Bildungsgipfel.

Von Esther Körfgen |
    Wann wird lebenslanges Lernen selbstverständlich? Noch lange nicht - auch wenn noch so viele davon sprechen. Diese Feststellung trieb die Gäste der Podiumsdiskussion um. Und die Frage: Wo stehen wir und vor allem: Wo stehen die Hochschulen mit ihrem Angebot an Weiterbildung? Das hatte zuvor der Stifterverband über 100 Unternehmen gefragt und eine ernüchternde Antwort bekommen: die staatlichen Hochschulen tun viel zu wenig für die Weiterbildung, sprich: für Berufstätige. Sie müssen sich mehr für sie öffnen. Wie weit, darüber wird an den Hochschulen zur Zeit heiß diskutiert. So etwa an der Leuphana Universität Lüneburg.

    "Wie offen wollen wir sein, wie durchlässig wollen wir sein und ums konkret zu machen: Nehmen wir Bewerber, Bewerberinnen ohne Abitur in die Studiengänge mit auf? Wenn wir einen Banker haben, der zehn Jahre Berufserfahrung hat, mit ner Bankakademielaufbahn, nehmen wir den auf in einen Masterstudiengang und rechnen wir seine Berufserfahrung in credit points um? Und da ist natürlich im Raum das Thema Qualitätssicherung, und ähnliches."

    Sabine Remdisch leitet in Lüneburg die Uni-eigene und noch ganz neue "professional school", die berufsbegleitende Weiterbildung anbietet. Die Schule steht nun als eigenständiger Bereich neben den anderen in der Uni - ein klares Signal zu allen Seiten, dass Weiterbildung hier genauso wichtig genommen wird wie Forschung und Lehre. Das Signal geht auch nach innen, denn vor allem gegenüber den eigenen Professoren muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

    "Da muss sich unglaublich viel an den Hochschulen ändern. Denn sobald dieses Thema aufkommt, kommt sofort: wir sind doch professoral, akademische Exzellenz-Uni, jetzt kommen hier die Meister, das ist doch unter unserem Niveau."

    Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband. In dem Verband sind die Spitzen fast der gesamten Wirtschaft und Wissenschaft vertreten, um gegen Probleme in der Wissenschaftswelt anzugehen. Und ein Problem ist es, dass die allermeisten Hochschulen derzeit noch nicht genau wissen, wie sie ihren per Gesetz vorgeschriebenen Auftrag zur Weiterbildung erfüllen sollen. Stefan Küpper vom Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft:

    "Ihr könnt das nicht mit lösen, indem ihr den 35-jährigen Meister, der in einer ganz anderen Lebenssituation ist den könnt ihr jetzt nicht in den grundständigen Studiengang reinsetzen mit 19-jährigen Abiturienten das funktioniert nicht. Ihr müsst die an einer anderen Stelle abholen."

    Was die Hochschulen anzubieten hätten, sei ohnehin nur auf Menschen unter 30 zugeschnitten, gehe also an den meisten weiterbildungswilligen Berufstätigen vorbei, so lautet das Urteil von Walther Zimmerli, Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus.

    "Wir haben ein tolles Produkt, Forschung und Lehre aber verkaufen es nur an Kunden unter 30. Irgendjemand der Ahnung von Marktwirtschaft hat wird sagen: seid ihr wahnsinnig geworden? Wenn ihr ein Produkt habt, müsst ihr euren Markt definieren, aber doch nicht nach Alterskohorten definieren, wenn's ein altersunabhängiges Produkt ist. Aber das tun wir. Und sie kriegen es in die Köpfe der jetzt Lehrenden glaube ich nicht rein."

    Neue Kräfte müssten also her, mit neuen Ideen für Lehrformate speziell für Berufstätige, es braucht eine entsprechende Beratung, die transparent angeboten wird und für all das braucht man Geld. Die Länder stellen für Weiterbildung keines zur Verfügung, soviel steht fest. Und der Bund? Petra Jung vom Bundesbildungsministerium:

    "Wir planen einen Wettbewerb, das ist unser Format, seit der Föderalismusreform dürfen wir die Länder nicht mehr mit unserem Bundesgeld unterstützen, deshalb wollen wir im wettbewerblichen Verfahren ausrichten diesen Wettbewerb "lebenslange wissenschaftliche Qualifizierung", so ist derzeit der Arbeitstitel."

    Belohnt werden soll etwa, wenn eine Hochschule eine niedrige Zulassungsschwelle für Berufstätige hat. Angesichts der Finanzkrise ist der Wettbewerb allerdings vom nächsten Jahr aufs übernächste verschoben worden. Aber Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband hofft, dass vorher vielleicht der Bildungsgipfel etwas ausrichten und Mittel locker machen kann:

    "Meine konkrete Forderung an Bund und Länder ist, diese ewigen Streitereien um Zuständigkeiten mal hintanzustellen und systemorientiert zu denken. Und da macht es überhaupt keinen Sinn, dass der Bund für Weiterbildung zuständig ist, die Länder aber für grundständige Lehre. Nehmen Sie einen Master, je nachdem, wie der nun frequentiert wird, ob nach einem Berufseinstieg oder direkt nach dem Bachelor, ist er dann konsekutiv, ist er dann weiterbildend, ist also der Bund zuständig oder die Länder?"

    Und noch eine bislang ungelöste Frage musste im Raum stehen bleiben: Wie finanziert der über 30-jährige seine Weiterbildungszeit? Denn für ihn gibt es kein Bafög mehr. Und Angebote für lebenslanges Lernen können noch so gut sein - wenn sie sich keiner leisten kann, kommt keiner.