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Wie Pech und Schwefel

Was prägt uns? Ist es die Anlage oder die Umwelt? Betrachtet man das Schwestern-Trio Rahmlow, so sind anscheinend die Position in der Geschwisterreihe und der familiäre Background ausschlaggebend für die Entwicklung der Persönlichkeit.

Von Eduard Hoffmann | 10.12.2005
    "Wenn ich irgendwo eingeladen war oder wenn ich dann von der Schule mal weg durfte oder zu Freunden, musste ich Anke immer mitnehmen und wenn die Eltern weg waren, ich kriegte immer die Telefonnummer und dann das erste, was ich gemacht hab, war ausprobiert, ob die auch wirklich genau da hingefahren sind, weil man hat immer das Gefühl, man muss die Verantwortung übernehmen über die anderen."

    Birgit ist die älteste der drei Rahmlow-Schwestern. Sie arbeitet als Architektin, ist verheiratet und Mutter von zwei Jungs. Die Rolle der "Großen", die sich in der Kindheit um die jüngeren Geschwister gekümmert und Verantwortung übernommen hat, spürt die inzwischen 41-Jährige auch heute noch.

    "Wenn man Kollegen sieht, dann merkt man schon schnell, sind die jetzt auch eben älteste Geschwister oder Einzelkinder oder kleinere oder mittlere, weil ich meine, gerade dieses Verantwortung übernehmen, dass man das einfach übernimmt, nicht nur beruflich sondern nachher im Privatleben. Wenn ich andere Mütter sehe, die machen sehr viel weniger, aber diese Verantwortlichkeit, man macht überall mit, ich mach teilweise zu viel, aber es ist immer wieder da und es kommt immer wieder durch."

    Anke ist drei Jahre jünger. Die 38-Jährige machte eine Ausbildung in einer Werbeagentur, besuchte die Berufsfachschule für Farb- und Raumgestaltung und arbeitet heute als Grafikerin in einer Druckerei.

    "Ich, als das Sandwich-Kind, war irgendwie so ein bisschen hin- und hergerissen, nicht so ganz, ja, frei, und man hat eben nicht die komplette Verantwortung. Man ist halt nicht die Älteste und man ist aber auch nicht die Jüngste. Man hängt halt so dazwischen."

    Corinna ist die jüngste der Rahmlow-Schwestern. Sie ist ebenfalls Grafikerin, verheiratet und zurzeit im Erziehungsurlaub. Als verwöhntes "Nesthäkchen" hat sich die heute 35-Jährige allerdings ganz und gar nicht gefühlt.

    "Für mich war das ganz schrecklich, ich war immer so die Kleine, das üble Anhängsel und, ja, wohl gefühlt hab ich mich da nie. Ich wollte gerne zu den Großen gehören und die beiden sind zusammen auf Feten und hatten einen ähnlichen Freundeskreis und die hatten eben gleiche Kleider und ich musste was anderes tragen und das fand ich doof."

    Die Rollen der Geschwister in der Kindheit sieht Corinna heute so:

    "Birgit hat so den Weg gebahnt und Anke hat sich dann alles nehmen können, Anke hat, glaub ich, eher so die Bahn gehabt, freie Bahn, und ich war dann eher so die, die immer brav zu Hause war, die immer so sehr an den Eltern hing und nicht richtig weggekommen ist."

    Die Familie war und ist für alle drei Rahmlow-Schwestern stets ein Rückhalt und Sicherheit gebender Hort. Dort fühlt man sich seit jeher wohl und dort wurde man nach Kräften gefördert. Hier liegen auch die Wurzeln für die kreativen Berufe. Vater Rahmlow war Waldorfschüler und traute sich an alle möglichen Holz- und Metallarbeiten, während die Mutter stets mit den Kindern bastelte und malte.

    "Egal, wo wir hingegangen sind, egal wo sie mit uns hin musste, zum Arzt oder zu Freunden, sie hat immer Papier und Stifte mitgenommen, wir haben immer was zu malen gehabt."

    Auch im weiteren Verwandtenkreis wurde fantasievolles Handwerken angeregt und unterstützt. Ein Onkel und Großonkel etwa sind Architekten und eine Tante Grafikerin.

    "Zu Geburtstagen bekamen wir immer von unserem Onkel oder Tante superschöne Karten, die haben immer mit Bildern Sachen gemacht, also da waren wir ganz begeistert."

    "Und eben ganz viel Kreativität aus quasi nichts heraus von unserer Mutter, die aus OMO-Tonnen und was weiß ich nicht, aus Klopapierrollen irgendwelche Sachen gebastelt hat, die dann eben wirklich nachher tolles Spielzeug war, das man nicht kaufen kann. Und was eben sehr wertvoll ist, wie ich finde, und das war so ein Konglomerat von Sachen, die da zusammen kamen, die uns bestimmt beeinflusst haben, konnten wir gar nicht anders, als uns da beeinflussen zu lassen.

    Birgit wurde sozusagen direkt vom Onkel auf ihre Berufslaufbahn geschoben. Der nämlich hatte ihr ein Praktikum im Architekten-Büro angetragen. Sie machte dort eine Lehre und studierte anschließend in Aachen Architektur. Die Position in der Geschwisterreihe, so erklären alle drei Rahmlow-Schwestern, habe bei der Berufswahl kaum eine Rolle gespielt. Mehr denn je wird aber die "eingeschworene Gemeinschaft" aus der Kindheit fortgeführt. Privat sowieso, da hilft man sich wo man kann. Aber auch beruflich unterstützt sich das Dreigestirn vom Niederrhein immer wieder gegenseitig mit Rat und Tat. Sei es bei der Gestaltung eines Plakates, das Birgit für einen Museumseinrichter entwerfen muss oder einfach im Gedankenaustausch bei einzelnen Projekten. Es sei überhaupt keine Frage, auch da sind sich Birgit und Corinna mit Anke einig. Dazu Anke:

    "Dass man schon gegenseitig sich Hilfestellung leistet und eben auch tatsächlich kreative Ideen einbringt und da sind wir auch nicht eifersüchtig und würden auch nicht irgendwas zurückhalten. Wenn einem etwas auffällt zu der Aufgabe des anderen, würde man das immer sagen.