Fischer: In Europa löst die wirtschaftliche und vor allem die militärische Macht, die die USA tatsächlich darstellen, auch eine Art Abwehrreflex aus. Mit Hinweis auf den Weltfrieden, auf die Verteilungsgerechtigkeit, auf die Verwerfungen der Globalisierung wird diese amerikanische Führungsrolle eher abgelehnt. In den USA scheint es aber doch mehr Positivisten als Zweifler zu geben, mit der Überzeugung nämlich, dass es zwischen diesen Idealen Amerikas, die Sie schon genannt haben, und den Interessen der gesamten Welt keinen Unterschied gibt.
Smith: Wissen Sie, das Problem ist, dass diese Beschreibung eine Karikatur der amerikanischen Position ist. Die Welt kommt sehr schlecht mit der Idee von Amerika als einzige Supermacht zurecht. Man muss aber vielleicht eine Distanz zu dieser Angst haben. Amerika geht es um Interessen und Werte, weil es Amerika um Stabilität geht. Wenn Amerika das fragwürdige Regime in Saudi-Arabien stützt oder Einfluss ausübt, dann ist es nicht aus irgendwelchen machiavellischen Eigeninteressen. Es ist so, weil wenn Saudi-Arabien fehlt, man genau diese Krise, diese Katastrophe im Nahen Osten hat, die man versucht zu vermeiden, wenn man gegen einen Einmarsch in den Irak argumentiert.
Fischer: Sie haben die Werte Amerikas genannt. Ich möchte ein Zitat von Andrew Bacevich nennen, der sagt: Der Krieg gegen den Terror ist ein Krieg, in dem die USA wie niemals zuvor bereit sind, ihre Autorität als neues Rom einzusetzen, um ihre Bestimmung als neues Jerusalem zu erfüllen. Damit ist sozusagen diese zugespitzt formulierte Widerspruch vor der ganz großen historischen Kulisse ja schon benannt. Für wie gefährlich halten Sie es denn jetzt im konkreten Fall, diese Werte der Freiheit, die auch interessengesteuert sind, auch militärisch weiterzutransportieren?
Smith: Ich halte es für schlicht absurd, diese vereinfachten essayistischen Parallelen zwischen Rom und Amerika. Hier geht es um ganz andere Ziele, Methoden und um einen ganz anderen Machtanspruch. Amerika zögert zwischen einer völligen Zurückhaltung und einer weltpolitischen Rolle. Diese Ambivalenz ist ironischerweise immer noch sehr stark in Amerika. Es ist etwas ganz anderes als Rom. Das amerikanische Imperium ist ein Imperium in einem Bündnis. Die amerikanische Bevölkerung und zuletzt auch die Politik würden nicht diesen Anspruch haben ohne innenpolitische Unterstützung und Unterstützung von politischen Schlüsselpartnern, Großbritannien, Frankreich, der Nahe Osten und auch Russland. Und hier isoliert sich Deutschland völlig, indem es einen Sonderweg geht, nicht nur gegenüber den Amerikanern, auch gegenüber der UNO und Europa.
Fischer: Ich möchte nochmals einen anderen Aspekt einführen. In Europa und vor allem in Deutschland war nach dem 11. September viel von dem Dialog der Kulturen die Rede, und man meinte damit einen Dialog, der sich auf echte Gesprächsbereitschaft stützt im Sinne einer Anerkennung des anderen, einer Anerkennung auch der anderen Kultur. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann sagen Sie: Amerika denkt eigentlich nicht hegemonial, aber es bekommt eine gewisse Rolle innerhalb eines internationalen Bündniswerks zugesprochen. Wie wichtig sollte auch den USA ein solcher Dialog der Kulturen eigentlich sein?
Smith: Ich glaube, es ist naiv zu glauben, dass es vor dem 11. September keinen Dialog zwischen Kulturen gab. Es war dringend, es ist immer noch dringend, und es muss eine Priorität sein. Ich kann hier von Berlin aus nicht einschätzen, welche Priorität dieser Dialog für die jetzige Bush-Regierung hat. Nichtsdestotrotz wird auch diese Regierung inzwischen verstanden haben, dass demokratische Werte, Strukturen nicht für jedes Land sind, das heißt diese Idee von Benjamin Barber, dem Politologen, über eine Globalisierung von demokratischen Werten, ist einfach eine problematische Idee, weil viele Kulturen werden und müssen andere Wege gehen. Und wenn man mit bestimmten Grundprinzipien in diese Länder einmarschiert - nicht militärisch, aber ideologisch -, dann wird man mehr schaden als fördern.
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