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Wie schwer ist ein Neutrino?

Physik. - Physiker in Mainz und Karlsruhe haben Pläne für eine Waage der besonderen Art vorgestellt: KATRIN, so ihr Name, soll die Masse von Neutrinos bestimmen. Bis vor kurzem war noch gar nicht klar, ob diese Elementarteilchen überhaupt eine Masse besitzen. Seit den jüngsten Messdaten des kanadischen SNO-Detektors ist das jedoch erwiesen. Neutrinos sind die häufigsten aller Teilchen, zusammen könnten sie einen beträchtlichen Teil an der Gesamtmasse des Universums ausmachen.

    Wie viel das Elementarteilchen Neutrino wiegt - mit dieser Frage befasst sich der Physiker Christian Weinheimer von der Uni Mainz seit Jahren. Gemeinsam mit seinen Kollegen hatte er bereits eine Neutrinowaage konstruiert, die aber nicht empfindlich genug war. Sie gab lediglich eine Obergrenze für die Neutrinomasse aus: Leichter als 2,2 Elektronenvolt - diese Einheit verwenden die Physiker bei kleinsten Massen - sollte danach das Neutrino sein, 250.000 Mal leichter als ein Elektron. Zusammen mit Physikern aus fünf anderen Instituten wird Weinheimer am Forschungszentrum Karlsruhe eine bessere Neutrinowaage aufbauen. KATRIN hat mit normalen Waagen wenig gemeinsam, erläutert Weinheimer: "Wir benutzen den radioaktiven Zerfall des Wasserstoffisotops Tritium, bei dem gleichzeitig ein Elektron und ein Neutrino emittiert werden. Weil das Neutrino sehr schwer nachzuweisen ist, messen wir präzise die Energie des Elektrons." Weil die Gesamtenergie konstant bleibt, kann man daraus die Energie des Neutrinos errechnen. Besonders interessant sind die Neutrinos mit geringer Bewegungsenergie, die gleichzeitig mit Elektronen von hoher Energie entstehen. Denn entsprechend der berühmten Masse-Energie-Äquivalenz, nach der die Energie gleich der Masse mal dem Quadrat der Geschwindigkeit ist, kommt die Energie der Neutrinos dann ihrer Masse gleich.

    Der Aufwand für KATRIN ist beachtlich. Das Karlsruher Experiment wird ein riesiges Spektrometer bekommen, berichtet Weinheimer: "Im wesentlichen ist das ein Tank. Wir brauchen für dieses Volumen ein extrem gutes Ultrahochvakuum, das auf dieser Größe noch nie verwirklicht worden ist. Auf 400 Kubikmetern ist das eine ingenieurtechnische Herausforderung." Supraleitende Magneten zwingen die Elektronen auf spiralförmige Flugbahnen. Dann stellen die Forscher ihnen ein Hindernis in den Weg: eine Gegenspannung. "Die Elektronen, die mehr Energie als die Gegenspannung haben, werden auf einen Detektor geführt und dort nachgewiesen", sagt Weinheimer, "alle anderen reflektiert."

    Derzeit ist das 25 bis 30 Millionen Mark schwere Projekt in der Planungsphase. Bis die eigentlichen Experimente beginnen, müssen die Forscher wohl bis 2006 warten. Von der Bestimmung des Neutrino-Gewichts erhofft sich insbesondere auch die Astrophysik neue Erkenntnisse. Würde man die Masse des häufigsten Teilchens im Universum kennen, so wüsste man genauer als heute welche Rolle seine Schwerkraft zum Beispiel bei der Entstehung von Galaxien und Galaxienhaufen gespielt hat.

    [Quelle: Frank Grotelüschen]