Ich habe gar keine Angst vorm Sterben, überhaupt nicht. Ich fühle mich wie von Engeln behütet.
Hildegard Eekof verbringt ihre letzten Tage im Oldenburger Hospiz St. Peter. Hier wird sich rund um die Uhr um die Bedürfnisse der Sterbenden gekümmert. Wenn jemand stirbt verändern sich auch seine Wünsche und Bedürfnisse. Und manchmal unterscheiden sich diese grundlegend von den Bedürfnissen und Erwartungen von Freunden, Verwandten oder auch dem Pflegepersonal. Das auf zwei Jahre angelegte Forschungsprojekt der Uni Oldenburg "Wirkfaktoren im Sterbeprozess" soll jetzt dazu beitragen, Menschen in ihrer letzen Lebensphase besser zu versorgen und zu begleiten, erklärt die Diplompsychologin Gerlinde Geiss:
Hauptpunkt unser Studie ist ja, zu erfahren welche Belastungen und welche Entlastungen es beim Sterben gibt. Und da ist es für uns von zentraler Bedeutung den Patienten zu fragen, was ist. Aber wir fragen auch die Leute in seinem Umfeld.
Der Tod ist, gerade in Deutschland, immer noch mit einem großen Tabu besetzt. Menschen die sterben oder sehr lange krank sind, werden von der Gesellschaft schnell ausgegrenzt. Dabei möchten die meisten Menschen, im Kreise ihrer Lieben Zuhause sterben. Doch das funktioniert gerade mal bei 4 %. Der überwiegende Teil, nämlich rund 70%, stirbt im Krankenhaus. Die meisten Sterbenden haben das Bedürfnis "unerledigte Dinge" vor ihrem Tod abzuschließen. Das kann die Versöhnung mit alten Freunden sein oder das Aufsetzen eines Testamentes. Das klappt allerdings nur, wenn die Sterbenden schmerzfrei sind. Denn wer ständig unter schwersten Schmerzen leidet, hat weder Kraft noch den Mut seine Wünsche zu artikulieren bzw. für seine Rechte einzutreten. Besonders Tumorpatienten sind in der Regel schmerztherapeutisch unterversorgt, ergab eine Befragung des Deutschen Krebsforschungszentrum. Die Schmerztherapie, die Hildegard Eekof im Hospiz bekommt war einer der Hauptgründe ihre letzen Tage dort zu verbringen.
Mir tut es gut so umsorgt zu werden. Tag und Nacht kann ich jemanden bitte, es tut mit hier weh es tut mir da weh. Ich versuche es zu unterdrücken, aber es klappt nicht immer.
Die Schwestern und das Pflegepersonal im Oldenburger Hospiz haben jeden Tag mit Sterbenden zu tun. Manchmal ist es für sie genauso schwierig wie für ihre Patienten "loszulassen". Die Pflegedienstleiterin Anna Vaider arbeitet seit 8 Jahren im Hospiz. Besonders wichtig empfindet sie die regelmäßigen Supervisionen und Teambesprechungen:
Und was uns auch ein sehr wichtiger Termin ist eine Verabschiedungsmeditation fürs Personal. Wir gedenken all derer, die in dem Monat bei uns gestorben sind, in einer kleinen für uns angemessener Form.Da kann jeder alles sagen, Dinge, die manchmal lustig und manchmal auch sehr traurig sind.
Das Sprechen über den Tod und den Prozess des Sterbens hilft sowohl dem Pflegepersonal als auch dem Sterbenden selbst- das ist eines der ersten Ergebnisse der Untersuchung. Den Tod zu tabuisieren und aus dem Leben auszublenden und vielleicht sogar so zu tun, als ob alles in Ordnung sei, hält Gerlinde Geiss für vollkommen falsch.
Also, oft haben die Leute in der Umgebung, Freunde und Nachbarn Angst, wenn es heißt, es geht mit einem "bergab" und ziehen sich dann zurück. Und das tut den Patienten und seinen Angehörigen sehr weh.
Hildegard Eekof hat Glück. Ihr wichtigster, kostbarster Besitz ist eine Art Gästetagebuch, indem alle Ihre Lieben ihre Gedanken und Gefühle für Sie ausdrücken und so Abschied von ihr nehmen. Gedichte, Fotos, Zeichnungen oder eingeklebte Kärtchen haben ihren Platz in dem großen, blauen Buch mit dem Leuchtturm auf dem Einband gefunden. Es fehlen jetzt nur noch ein paar Seiten, dann ist das Buch voll.
Meine ganzen alten Freunde und ich lasse eigentlich nur alte Freunde an mich heran. Es vergeht kein Tag an dem meine Freunde mich nicht besuchen. Bis zum Ende. Ich lebe hier bis zum Ende.