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Wie sich Abwasser im Licht sauber sonnen

Textilunternehmen in Deutschland haben es nicht leicht: Neben den hohen Lohnkosten haben sie es auch mit beträchtlichen Abgaben für den hohen Wasserverbrauch zu tun. Ihn zu reduzieren, haben sich Kölner Chemiker auf die Fahnen geschrieben. Sie nutzen die Energie der Sonne, um das Abwasser zu recyceln. Erst kürzlich wurde das Verfahren erstmals vorgestellt. Und schon in wenigen Monaten soll es sich erstmals in einer Augsburger Gardinenfabrik in der Praxis bewähren. Wie es funktioniert, weiß Holger Wüstefeld.

von: Holger Wüstefeld |
    Textilunternehmen in Deutschland haben es nicht leicht: Neben den hohen Lohnkosten haben sie es auch mit beträchtlichen Abgaben für den hohen Wasserverbrauch zu tun. Ihn zu reduzieren, haben sich Kölner Chemiker auf die Fahnen geschrieben. Sie nutzen die Energie der Sonne, um das Abwasser zu recyceln. Erst kürzlich wurde das Verfahren erstmals vorgestellt. Und schon in wenigen Monaten soll es sich erstmals in einer Augsburger Gardinenfabrik in der Praxis bewähren. Wie es funktioniert, weiß Holger Wüstefeld.

    Zugegeben: Es klingt wie Zauberei, wenn der Chemiker Christian Sattler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt von seiner Anlage zur Reinigung von Abwasser schwärmt: Man nehme etwas ölhaltiges Wasser aus einem Textilunternehmen, das durch kein Verfahren mehr sauber zu bekommen ist, gebe ein wenig Eisen hinzu und lasse diese Mixtur eine Stunde in der Sonne stehen – das Ergebnis: das Wasser ist wieder sauber. Was chemisch hinter diesem Spuk steckt, ist eigentlich ganz einfach:

    "Das Licht regt das Eisen an, das Eisen möchte seine Energie, die es bekommen hat, wieder losgeben und gibt diese Energie an das Wasser weiter."

    Dieses Wasser aus der Textilindustrie ist eine ziemlich trübe Brühe: Sie besteht aus Waschwasser und solch sperrigen Substanzen wie Fetten und Ölen. Selbst den gefräßigsten Bakterien vergeht dabei der Appetit – und das, obwohl sie sonst die schmutzstarrendsten Abwässer reinigen können. Genau auf die für Mikroben schwer verdaulichen Fette und Öle hat es der Kölner Forscher abgesehen und sich ein stattliches Reservoir an Abwasser zum Experimentieren ins Labor geholt. Dazu reichert Sattler diese Lösung mit wenigen Milligramm Eisen an. Die Mixtur testet der Tüftler in einer Anlage, deren Herzstück eine Lichtquelle ist:

    "Wir haben hier eine Versuchsanlage in unserem Labor, die wird als Lampenreaktor betrieben. Sie besteht aus einem Vorratsgefäß (klopft gegen den Glasbehälter), das ist ein 10-Liter-Glasgefäß, was zirka 40 Zentimeter hoch und 25 Zentimeter Durchmesser hat. Aus diesem Gefäß wird die Lösung über eine Pumpe (Pumpe geht an) in den eigentlichen Lampenreaktor gepumpt. Dieser Lampenreaktor ist ein Glasrohr, was außen abgeschirmt ist und in der Mitte eine Quecksilber-Mitteldrucklampe mit einem Kilowatt elektrischer Leistung hat. Diese Quecksilber-Mitteldrucklampe hat die Aufgabe, UV-Strahlung in den Reaktorraum zu strahlen."

    Denn die ist nötig, damit das trübe Waschwasser richtig sauber wird.

    "Das Licht regt das Eisen, was wir als Katalysator einsetzen, an. Und dieses angeregte Eisen ist dann in der Lage, die Energie, die es bekommen hat, weiterzugeben an das Wasser außen rum. Das ist im Prinzip der Trick bei dieser Reaktion."

    Durch diesen Trick bilden sich im Abwasser jede Menge reaktionsfreudige Gruppen aus Sauerstoff- und Wasserstoffatomen. Diese Gruppen reinigen nicht nur das Abwasser, sie werden auch im Alltag häufig genutzt:

    "Im Prinzip ist es so ein bisschen ähnlich wie wenn man mit Wasserstoffperoxid Haare bleicht. Auch da zerstöre ich ja Farbe in den Haaren, die dadurch dann Wasserstoff-blond werden. Da habe ich auch sehr aggressive Stoffe, die nachher allerdings dann selber auch wieder zerstört sind und nicht mehr vorhanden sind. Dadurch kann man ja die Haare mit Wasserstoffperoxid färben."

    Die Fette und Öle, die das Abwasser der Textilfabriken belasten, werden innerhalb weniger Minuten säuberlich zerlegt. Denn das Licht setzt eine Kettenreaktion in Gang, durch die die Monster-Moleküle schrittweise oxidiert und in immer kleinere Bauteile zerlegt werden. Mitunter reichen schon wenige Milligramm Eisen auf einen Liter Brauchwasser, um die Abbaureaktion in Schwung zu bringen.

    "So kann man beispielsweise 70-80 Prozent der Verunreinigungen in einer relativ kurzen Zeit – so zwischen 10 und 40 Minuten - reinigen. Wenn ich aber 100 Prozent reinigen möchte, dann dauert es sehr viel länger, dann muss man von einigen Stunden Reinigungszeit ausgehen."

    Seit August 2000 laufen mehrere Testreaktoren mit einer Kapazität bis zu 50 Liter. Bereits in wenigen Monaten soll sich der Reaktor dann in einer Augsburger Gardinenfabrik bewähren. Die Kölner Forscher wollen dort das Wasser so intensiv reinigen, dass es mehrfach wieder verwendet werden kann. Dadurch soll der Wasserverbrauch deutlich gesenkt werden – zum Wohle der Umwelt, aber natürlich auch, um die Abwasserabgaben kräftig purzeln lassen.