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Wie sie kamen, sahen und siegten

Geschichte. - Das Römische Reich verdankt seine lange Dominanz auch seinen überlegenen Waffen. Der Nachbau eines antiken Feldgeschützes wurde jetzt auf einem Flugplatz bei Trier auf seine Tauglichkeit getestet. Cäsars "De Bello Gallico" zufolge sollen derartige Waffen die Gallier schwer getroffen haben.

Von Michael Böddeker |
    Vor zwei Jahrtausenden mussten die Römer im Team arbeiten, um in Schlachten mit ihren fast mannshohen Geschützen Pfeile auf ihre Gegner abzufeuern. Heute hat sich ein Forscherteam auf dem kleinen Flughafen in der Nähe von Trier versammelt, um mehr über die Schusswaffen der Römer herauszufinden. Vier Stück davon haben sie anhand historischer Quellen und Funde nachgebaut und hergebracht.

    "Wollen wir es absetzen, erst mal?"

    "Ist nass!"

    "Ach, ist doch egal!"

    Jetzt kommt der Praxistest für die Kriegsgeräte. Wie gut waren die Waffen tatsächlich? Dazu gibt es zwar antike Aufzeichnungen - aber denen kann man nicht immer trauen, sagt Maschinenbauingenieur Hans-Werner Berg.

    "Wir wissen zum Beispiel auch etwas über antike Reichweiten solcher Geschütze. Da nimmt man aber an, dass hier auch sehr stark übertrieben wurde, wie das in der Antike auch vielfach der Fall war."

    Wie weit konnten die Römer mit ihren Pfeilen schießen, wie genau konnten sie zielen, welche Durchlagskraft hatte so ein Geschoss? Um solche Fragen geht es in dem Experiment. Clemens Koehn, Historiker von der Bundeswehr-Universität in Hamburg.

    "Uns geht es ja nicht darum, hier Römer zu spielen und wild in der Gegend damit rumzuballern. Sondern uns geht es darum, das wissenschaftlich zu erforschen. Wir wollen halt verstehen, wie so ein Waffensystem – und das ist ja das wichtigste Waffensystem der Römer gewesen, sozusagen die antike Artillerie – wir wollen halt verstehen, wie das funktioniert hat."

    Die römischen Feldgeschütze sehen auf den ersten Blick aus wie überdimensionierte Armbrüste. Die Energie für den Abschuss eines Pfeils wird allerdings nicht in einer Sehne oder in einem elastischen Bogen gespeichert, sondern in zwei dicken, verdrillten Bündeln aus Rosshaar links und rechts am Geschütz. In jedem Haarbündel steckt ein Wurfarm aus Holz. Wenn diese Arme mit speziellen Vorrichtungen nach hinten gezogen werden, baut sich eine Spannung auf. Und die wird wiederum mit einer Sehne aus Seil auf den Pfeil übertragen, erklärt der Historiker Christoph Schäfer aus Trier.

    "Die Arme sind nach innen gebogen, die Spannbündel aus Rosshaar verdrillt, und jetzt wird gleich der Abzug betätigt, und dann geht der Bolzen los."

    "Der Schuss war prima. Er ist direkt in die Scheibe reingegangen auf 50 Meter. Das ist, nachdem man das Geschütz eingestellt hat, eigentlich eine ziemlich sichere Sache. Trotzdem kann man nicht absolute Präzisionsschüsse abfeuern mit diesen Geräten. Aber eine sehr geringe Streubreite macht es natürlich zu einem militärisch hocheffizienten Gerät."

    Präzisionsschüsse waren im Kampf allerdings auch nicht unbedingt nötig. Denn wenn sich gegnerische Truppen gegenüberstanden, wurde natürlich nicht mit einem einzelnen Geschütz gekämpft, sagt Clemens Koehn.

    "Man hat also mehrere nebeneinander gestellt, und entsprechend damit geschossen. Und dann können sie sich natürlich ausrechnen, wenn die 60 im Einsatz waren, und das ganze drei Mal die Minute, dann ist das schon ein tüchtiger Pfeilregen, der auf den Feind niedergeht."

    "Etwa wenn Sie Cäsar lesen, seine Beschreibung der Eroberung Galliens, da beschreibt er sehr häufig, wie die Römer diese Katapulte gegen die Gallier einsetzen, und die Wirkung ist da entsprechend verheerend."

    Die Flugbahn des Pfeils zeichnen die Forscher mit zwei Kameras auf. Anhand der Videobilder wird später am Computer ein dreidimensionales Abbild der Bahn erstellt. Im Experiment flogen die Pfeile schon mehr als 300 Meter weit. Kein Wunder - zur Zeit der Römer wurden die Katapulte nämlich als Fernwaffe eingesetzt, um die Gegner aus ihrer Stellung zu treiben.

    Das Forscherteam hat sich auch mit einer Detailfrage befasst, die nur im praktischen Versuch geklärt werden konnte. Die hölzernen Wurfarme in den verdrillten Rosshaarbündeln können entweder so montiert werden, dass sie nach außen zeigen, oder nach innen. Wie haben die Römer es gemacht? Im Experiment haben sich die nach innen schwingenden Arme bewährt, sagt der Historiker Christoph Schäfer.

    "Das außenschwingende funktioniert auch, erstaunlich gut sogar. Aber das innenschwingende ist noch deutlich besser. Und damit können wir eigentlich schon sicher sagen, dass diese weit auseinanderstehenden Buchsen im Metallrahmen offensichtlich deshalb so weit auseinander stehen, weil die Arme nach innen gezogen wurden, und damit ein längerer Weg für sie Sehne möglich war."

    Über einige Aspekte der römischen Kriegsführung wissen die Historiker jetzt mehr. Aber in vielen Details gibt es noch ungeklärte Fragen. Hans-Werner Berg:

    "Gerade die Bespannungsmaterialien. Da haben wir hier mit Rosshaar gute Erfahrungen gemacht. Aber hatten die Römer vielleicht noch andere Tricks drauf? Das wissen wir nicht. Wüssten wir aber gerne!"

    Die Forscher werden also wohl weiterhin Pfeile verschießen – im Dienste der Wissenschaft.