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Wie sieht ein integrierter Küstenschutz aus?

In den Küstenregionen ist es besonders schwierig, kostbare Ökosysteme zu schützen. Oftmals kollidieren die Belange der Umweltschützer mit denen der Reedereien oder auch der Betreiber von Windkraftanlagen. Das Bundeskabinett hat im März eine Strategie für ein integriertes Küstenzonen-Management verabschiedet. Was man sich darunter vorzustellen hat, wurde auf einer Fachkonferenz in Bremen näher erläutert.

Von Folkert Lenz |
    Ein Großteil der Menschen auf der Erde lebt in der Nähe vom Wasser, sprich an der Küste. Doch die ist ein ökologisch besonders sensibler Bereich. Und jede menschliche Nutzung – egal, ob Fischfang, Tourismus oder Energiegewinnung – bringt Probleme mit sich. Konflikte schon beim Entstehen verhindern soll künftig das "Integrierte Küstenzonenmanagement", kurz IKZM. Astrid Klug, Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesumweltministerium:

    "Es geht darum, für unsere Küsten sowohl eine wirtschaftliche Perspektive gemeinsam zu erarbeiten und das Ganze aber auch ökologisch verträglich zu machen. "

    Mit IKZM soll ein Leitbild für die zukünftige Entwicklung der Küstengebiete geschaffen werden. Dabei kann das Küstenzonenmanagement nicht das Planungsrecht ersetzen. Das Instrument könnte aber bei konfliktträchtigen Vorhaben alle Interessensgruppen an einen Tisch bringen, bevor es zum großen Knall kommt und keiner mehr mit dem anderen redet – zum Beispiel Unternehmens- und Umweltverbände sowie Bundes- und Landesbehörden. Astrid Klug:

    "Es geht darum, im Vorfeld über Konflikte zu reden. Im Vorfeld sich Gedanken zu machen, welche Visionen verbindet man mit einer solchen Küstenregion. Welchen Bedrohungen in der Zukunft sind die Küstenregionen ausgesetzt? "

    Zum Beispiel die Off-Shore-Energie. Propeller auf dem Meer: Für die einen sind sie das Synonym für saubere und ungefährliche Energiegewinnung schlechthin. Kapitäne, Fischer und Ökologen sehen das anders. Und wenn der Betreiber der Anlage den Strom per Kabel von hoher See an Land bringen will, sieht er sich einem ganzen Knäuel von Zuständigkeiten und Interessen gegenüber, meint der Bremer Öko-Berater Bastian Schuchardt von Bio-Consult:

    "Kabel, die dann den Strom an Land führen sollen, die gehen durch drei Rechtsregime hindurch. Und das ist für die Vorhabenträger nicht attraktiv, weil das schwierig abzustimmen ist. Aber es gibt eben bis jetzt kein Instrument, keinen Blickwinkel, der versucht, dieser dynamischen Entwicklung an der Küste eine angemessene, übergreifende Betrachtung zu organisieren. "

    Mit dem Küstenzonenmanagement soll das anders werden. Denn dieses beschränkt sich nicht auf den engen Streifen, wo Wasser aufs Land schwappt. Vielmehr werden von der hohen See - der so genannten ausschließlichen Wirtschaftszone - bis tief in die Flussmündungen alle meeresnahen Regionen ins Visier genommen – eingeschlossen Städte wie Bremen oder Hamburg. Die Hoffnung der Experten: IKZM könnte hier auch die Zersiedelung und den Landschaftsverbrauch stoppen. Wulf Hülsmann vom Umweltbundesamt:

    "Touristische Nutzungen, jetzt kommen natürlich neue Aktivitäten dazu: Hafenausbau. Stichwort: Hinterlandanbindung der Häfen durch infrastrukturelle Projekte. Da gibt es viele Aktivitäten, die wir auch berücksichtigen müssen. "

    Das Küstenzonenmanagement ist rechtlich unverbindlich und kein formales Planungsinstrument für Projekte. Doppelte Arbeit also für Unternehmen, die dort etwas planen? Staatsekretärin Astrid Klug verneint:

    "Wir sind auch überzeugt davon, dass ein solcher Ansatz Planungsprozesse beschleunigen kann. Weil Konflikte im Vorfeld ausgeräumt werden können und nicht nachher auf dem Gerichtsweg oder was auch immer sehr zeitaufwändig, sehr kraftaufwändig aber auch sehr finanzaufwändig ausgeräumt werden müssen. "

    Die Europäische Union war es übrigens, die die Anrainerstaaten von Nord-, Ostsee und Mittelmeer dazu verdonnert hatte, sich entsprechende nachhaltige Strategien für die Bewirtschaftung der Küstenräume auszudenken. Im Herbst sollen die Modelle von einer Expertenrunde verglichen werden.