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Wie stark wehrt sich ein Tumor?

Medizin. - Eine Kölner Physiologin untersucht an Zellkulturen, wie tief Krebsmedikamente in die Tumoren eindringen. Dazu versieht sie die Wirkstoffmoleküle mit einem Farbstoffzusatz, der durch einen Laserstrahl zum Leuchten gebracht wird. Je nachdem wie tief im Tumor der Farbstoff leuchtet, ist das Medikament eingedrungen.

    Von Martin Winkelheide

    In ihrem Labor im Institut für Physiologie an der Universität Köln öffnet Maria Wartenberg einen der Kulturschränke. Darin stehen Fläschchen mit hellroter Flüssigkeit. Alle 24 Stunden, sagt sie, wird das Nährmedium gewechselt,

    Wartenberg: auch am Wochenende. Sie werden also bestens versorgt unsere Zellkulturen."

    Die Zellkulturen enthalten Krebszellen. Diese wachsen zu kleinen Tumoren heran. Etwa einen Millimeter groß werden die Minitumoren.

    Wartenberg:
    Hier werden unsere Messungen vorgenommen. Hier haben wir das konfokale Laser-Raster-Mikroskop.

    Unter dem Spezial Mikroskop kann Maria Wartenberg die Minitumoren untersuchen. Mit einem gerichteten Laserstrahl werden sie durchleuchtet.

    Wartenberg:
    Man sieht an der kleinen zuckenden Bewegung, dass jetzt ein grüner Laserstrahl über das Objekt gleitet und die Fluoreszenz anregt.

    Maria Wartenberg testet, wie tief ein bestimmtes Krebsmedikament in einen der Minitumore eindringt. Das Medikament, in diesem Fall Doxorubicin, ist mit einem Farbstoff markiert, der aufleuchtet, wenn der Laserstrahl auf ihn trifft. Diese Fluoreszenz ist auf dem Bildschirm zu sehen.

    Wartenberg:
    Man sieht sehr schön die helle Fluoreszenz im Außenmedium, man sieht auch, am Rand ist etwa eine Zell-Schicht, die diese Substanz aufgenommen hat. Gehen wir weiter nach innen, ist es dunkel. Schwarz bedeutet, hier wurde keine Fluoreszenz detektiert, das heißt, es ist auch kein Chemotherapeutikum vorhanden, hier verwehrt diese Mikrometastase die Aufnahme von Doxorubicin in das Gewebe.

    Das Krebsmedikament erreicht nur die äußerste Schicht des Tumors. Es dringt nicht bis in das Zentrum vor. Die Folge: die meisten Tumorzellen würden überleben und könnten sich weiter teilen. Der Tumor ist unempfindlich gegen das Medikament. Solche Resistenzen gegen ein Krebs-Medikament oder sogar gegen mehrere sind ein häufiges Problem bei der Behandlung von Tumorkrankheiten. Der Grund: Bei beinahe jedem zweiten Tumor sind in den Zellen spezielle Eiweiße zu finden, Transportmoleküle. Mit ihrer Hilfe pumpen die Krebszellen die Medikamente aktiv aus der Zelle heraus. Auch gesunde Zellen besitzen diese Transportmoleküle. In der Niere oder der Leber erfüllen sie wichtige Entgiftungsfunktionen. Die Krebszellen nutzen also einen natürlichen Mechanismus. In Krebszellen finden sich aber häufig deutlich mehr dieser Transporteiweiße als in gesunden Zellen. Und insbesondere im Innern von Tumoren, wo Sauerstoff- und Nährstoffknappheit herrscht, werden besonders viele Transporteiweiße gebildet. Und die schleusen alle Stoffe heraus, die den Krebszellen gefährlich werden könnten. Mit Hilfsstoffen gelingt es Maria Wartenberg, die Medikamentenpumpen in den Krebszellen entweder lahm zu legen oder sogar zu verhindern, dass neue Pumpen von den Krebszellen gebildet werden. Mit großem Erfolg, wie die Aufnahmen des Laser-Raster-Mikroskops zeigen.

    Wartenberg:
    Sie sehen ganz gleichmäßig ist das Objekt hell erleuchtet. Wir haben in allen Gewebeschichten bis in die tiefsten Tiefen Fluoreszenz.

    Der Minitumor ist zuerst mit einem Hilfsstoff vorbehandelt worden. Dieses sogenannte Cyclosporin-Derivat verhindert erfolgreich, dass die Tumorzellen das Medikament ausschleusen können.

    Wartenberg:
    Wir sehen also, die Vorbehandlung war effektiv. Ich würde sagen, das Ergebnis ist sehr überzeugend, wenn Sie das mit dem vorherigen Bild vergleichen.

    Die von Maria Wartenberg entwickelte Methode könnte eines Tages die Behandlung von Krebspatienten deutlich verbessern. Ein bis maximal zwei Wochen dauert es, bis sie in ihrem Labor aus einer Gewebeprobe kleine Minitumore gezüchtet hat. Und dann kann sie sehr schnell wichtige Fragen beantworten: Enthält der Tumor Transporteiweiße, die ihn unempfindlich machen gegen bestimmte Krebsmedikamente? Lässt sich diese Resistenz mit Hilfsstoffen bekämpfen? Oder müssen ganz andere Krebsmedikamente zum Einsatz kommen? Die Krebstherapie könnte so besser geplant und Misserfolge könnten von vornherein vermieden werden. Angesichts der enormen Belastung, die eine Krebstherapie für einen Patienten ohnehin bedeutet, wäre dies ein gewaltiger Fortschritt.