Man kann anhand dieser Untersuchung nicht zwischen gutem Stress und schädigendem Stress unterscheiden, war auch nicht die Fragestellungen dieser Untersuchungen. Zusammen mit Professor Kirschbaum von der Universität Düsseldorf haben Frau Bierhaus und ich untersucht, wie Versuchsprobanden auf psychischen Stress reagieren, mit dem Ziel herauszubekommen, welche Mechanismen im Körper ablaufen, die dann zu zellulären Veränderungen führen.
Dass bei Stress bestimmte Hormone ausgeschüttet werden, ist längst bekannt. Man weiß: Wer am Arbeitsplatz unter Druck steht, kaum sozialen Rückhalt hat und dem Leben wenig positive Seiten abgewinnen kann, hat ein höheres Risiko für arteriosklerotische Gefäßschäden und damit für Herzinfarkt und Schlaganfall. Aber die Frage war, was bewirken die Hormone im Körper, genauer in den Zellen. Deshalb hat man das Blut der 19 Versuchspersonen vor und nach dem stressreichen Test untersucht. Dr. Angelika Bierhaus, Wissenschaftlerin am Universitätsklinikum Heidelberg.
Zahlreiche Hormone werden durch Stress aktiviert, das für unseren Reaktionsweg entscheidende ist Noradrenalin. Wir konnten zeigen, dass Hormone nach Bindung an die Zelle ein Signal auslösen, was dann zelluläre Veränderungen im Zellkern bedingt und diese zellulären Veränderungen entsprechen Veränderungen, die wir zum Beispiel bei Patienten mit Diabetes, Arteriosklerose oder anderen chronischen Krankheiten beobachten.
Bei 17 der 19 Testpersonen war der Eiweißstoff NF-kappaB in bestimmten Blutzellen angestiegen.
NF-KappaB selbst ist ein bekannter Mediator von Abwehrreaktionen der Zellen, er ist schon mehrfach beschrieben worden bei Erkrankungen wie Sepsis, Entzündungsreaktionen aber auch Arteriosklerose und Diabetes und spielt da eine große Rolle bei der Vermittlung der Krankheit.
Also, es gibt so etwas wie einen gemeinsamen Nenner bei diesen verschiedenen Erkrankungen, und gerade darin sieht Professor Nawroth eine große Chance.
Spannend beim Verständnis der Wirkung auf die Zelle ist, dass wir jetzt gelernt haben, dass verschiedenste Reize von außen, von der Zelle identisch wahrgenommen werden. Ein hoher Blutzucker oder UV-Strahlung bei der Haut oder zum Beispiel auch das Eindringen eines Bakteriums alles führt am Ende zu zellulären Veränderungen, wie wir sie jetzt auch beim Stress kennengelernt haben.
Könnte man diese Kettenreaktion durch ein Medikament unterbrechen? Professor Nawroth winkt ab.
Wir sind mit diesen Forschungen im Zellkern angelangt bei einer der Schlüsselreaktionen, die über Leben und Nichtleben einer Zelle entscheidet. Und genau so wie viele Ansätze mit Vitamin E und Vitamin C und anderen Heilsversprechungen, Heilsversprechungen blieben und nicht funktionierten, so kann man auch hier vorhersagen, wenn man ganz simpel eine solche Reaktion in der Zelle völlig blocken würde, dann würde es mehr schaden als nutzen.
Das bedeutet nun aber keineswegs, dass aus den gewonnenen Erkenntnissen nicht wertvolle Nutzanwendungen resultieren können.
Eines der spannenden Themen, die sich jetzt ergeben, ist ja nun doch die Frage, wie man diese Erkenntnisse auch jetzt in Hilfe für Patienten umwandeln kann. Und jeder Arzt hat sicher seinen persönlichen Traum, mein Traum wäre es, nachzuweisen, dass zum Beispiel bei Diabetikern zusätzlich zur Zuckereinstellung, Einstellung des Blutdrucks und Reduzierung der Fette psychosoziale Intervention zum Beispiel Meditation oder autogenes Training auch helfen kann, eben als add on, als Zusatz, Spätschäden zu verhindern.
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