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Wie viel ist Deutschland der Kampf gegen Doping wert?

Der Sportausschuss des deutschen Bundestags hat sich kürzlich mit dem Kampf gegen Doping beschäftigt. Dieser sei in Deutschland auf gutem Wege, könne jedoch weitaus effektiver geführt werden, so das Ergebnis. Doch wie viel ist der Kampf gegen Doping hierzulande noch wert?

Von Robert Kempe | 11.06.2011
    Für Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ist die Dopingbekämpfung eines seiner zentralen Anliegen, das betonte er vor kurzem bei seinem Antrittsbesuch im Sportausschuss des Bundestags. Doch erteilte er gleichzeitig eine Absage an die Weiterführung der sogenannten Anschubfinanzierung der Nationalen-Anti-Doping-Agentur, NADA, über das Jahr 2011 - das klingt nach Widerspruch. Bisher unterstützt das Bundesinnenministerium (BMI) die NADA jährlich mit einem Beitrag zum Stiftungskapital von einer Million Euro. Außerdem bezuschusst man seit 2008 den Jahresetat für das operative Geschäft mit einer weiteren Million.

    Bisher wurde öffentlich immer nur über eine wegfallende Million diskutiert. Doch nach derzeitigem Stand sollen nach Aussage des BMI beide Anschubfinanzierungen - zwei Millionen jährlich - gestrichen werden. Die NADA, die als kleine Institution das große Problem Doping in den Griff kriegen soll, würde das um Jahre zurückwerfen. Dagmar Freitag, SPD, sitzt als Vorsitzende des Bundestagssportausschusses auch im Aufsichtsrat der NADA:

    "Wir sind ja gerade dabei die NADA auf wirklich gute Füße zu stellen. Das wird natürlich auch bedeuten, dass wir erreichen wollen, dass mehr und mehr Aufgaben von Verbänden auf die NADA übergehen. Das wird zwangsläufig auch damit verbunden sein, dass höhere Kosten im Bereich der NADA anfallen. Ich denke, der Staat wäre gut beraten, wenn er deutlich machen würde, wie sehr ihm an einer vernünftigen finanziellen Ausstattung der NADA gelegen ist."

    Über ein Fünftel des Jahresetats der NADA kommt derzeit vom Bund. Im letzten Jahr lag der Gesamthaushalt bei knapp fünf Millionen Euro. 0,1 Prozent des aktuellen Etats macht - nach BMI-Angaben - derzeit der Anteil der Bundesländer aus. Von diesen, die einst auch Mitstifter der NADA waren, fordert das BMI eine stärkere Beteiligung. Heike Taubert, Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit, ist derzeit Vorsitzende der Sportministerkonferenz der Länder. Durch das Inkrafttreten der Schuldenbremse seien viele Bundesländer nicht in der Lage, höhere Beiträge an die NADA zu zahlen, sagt die SPD-Politikerin. Sie sieht stattdessen einen anderen Akteur in der Bringschuld:

    "Wir sind ja in dem Bereich des Anti-Dopings zunächst erst einmal in einem Bereich, dass Sportler sich eben nicht am sauberen Sport beteiligen. Wir, am Ende, gemeinsam vor allen Dingen aber der Sport - ganz vorn dran der Sport - schauen müssen, wie können wir das bekämpfen. Und deswegen haben wir schon Probleme, wenn einfach gesagt wird, ihr müsst jetzt mal Geld rüberreichen, damit wir das weiter tun können."

    Beim DOSB tritt man dafür ein, dass der Bund auch über 2011 hinaus seinen Zuschuss am Doping-Kontrollsystem beibehält. Generaldirektor Michael Vesper teilte auf Anfrage mit, dass der Sport die NADA derzeit mit einem Beitrag von mehr als einer Million Euro unterstütze. Wenn man über den neuen Glücksspielstaatsvertrag zusätzliche Einnahmen erziele, könne man darüber reden, davon auch einen Teil für die NADA zu verwenden. Aber, so Vesper wörtlich, "Der Bär, dessen Fell da verteilt werden soll, ist noch längst nicht erlegt. Deswegen kann man darauf nicht bauen", so Vesper.

    Zwischen sechs- und siebenhunderttausend Euro sollen nach Deutschlandfunk-Informationen im Jahr 2010 die Zuwendungen des organisierten Sports betragen haben, dazu kommen Erstattungen für Kontrollkosten von Fachverbänden für Trainings- und Wettkampfkontrollen.

    In erster Linie müsse der Spitzensport selbst Interesse an einem effektiven Dopingkontrollsystem haben, sagt die Grünen-Politikerin Viola von Cramon. Sie fordert eine stärkere finanzielle Beteiligung des DOSB an den künftigen Jahresetats der NADA:

    "Denn wenn man überlegt, dass der organisierte Sport ja der größte Profiteur ist von der NADA, indem er nachweisen kann, dass er mit sauberen Athletinnen und Athleten im Feld ist, ist natürlich ganz klar, dass man hier auch mehr finanziellen Beitrag will. Ansonsten ist es nicht zu erklären. Sieht der organisierte Sport die NADA eher als Hindernis oder sieht er die NADA als Förderer, als ein Unterstützer. Und das ist schon die Frage, die wir vielleicht mit dem organisierten Sport an der Stelle deutlicher diskutieren müssten."

    Bei der Finanzierung des Kampfes gegen Dopings schieben sich die Beteiligten offenbar die Verantwortung gegenseitig zu. Gegenüber dem Deutschlandfunk wollte sich die NADA zur ungeklärten finanziellen Zukunft nicht äußern. Sowohl der umstrittene Aufsichtsratsvorsitzende Hanns-Michael Hölz als auch der vorübergehende Vorstandsvorsitzende Martin Nolte verwiesen auf - wie es hieß - laufende Gespräche, Überlegungen und Beratungen zur uneingeschränkten Finanzierung der NADA. Diese wolle man durch ein Interview zum jetzigen Zeitpunkt nicht konterkarieren.

    Es heißt, die NADA sei derzeit in Gesprächen mit potenziellen Sponsoren. 570.000 Euro sollen aus der Wirtschaft 2010 in die NADA geflossen sein. Wenn man berücksichtigt, dass der Spitzensport ein riesiges Millionen-, international sogar Milliardenbusiness ist, sind solche Summen vergleichsweise nur Kleckerbeträge. Doch eine attraktive Investition stellt die NADA derzeit ohnehin nicht gerade dar: Die Personalquerelen der vergangenen Monate haben das Image beschädigt - ein neuer hauptamtlicher Vorstand ist noch immer nicht gefunden worden.

    Derzeit soll es auch Gespräche zwischen BMI und der NADA bezüglich der künftigen finanziellen Zuwendung durch Steuergelder geben. Ein erster Haushaltsentwurf soll Anfang Juli im Kabinett vorgestellt werden. Dann wird man wissen, wie viel Deutschlands Politikern der Kampf gegen Doping wert ist.