Schmähl: Guten Tag.
Koczian: Der schnellste Weg, Menschen Angst zu machen, lieg wohl darin, sie über ihre künftigen Altersbezüge zu verunsichern. Daher zunächst die ganz grundsätzliche Frage: wie viel Rente ist sicher, welche Ansprüche kann der Staat nicht beschneiden, das Bundesverfassungsgericht hat ja schon mahnend den Finger gehoben.
Schmähl: Das ist natürlich eine ganz schwierige Frage und da ich kein Jurist bin, will ich mich auch auf dieses Feld nicht begeben. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber doch schon einen relativ breiten Spielraum eingeräumt, um im Grunde auch Einschnitte vorzunehmen. Aber was Sie angesprochen haben, die Verunsicherung ist tatsächlich groß und man hat oftmals sogar den Eindruck, als ob die nicht ganz ungezielt betrieben wird, einfach um den Boden für tiefgreifende weitere Einschnitte zu breiten.
Koczian: Nach dem Motto: Es hätte noch schlimmer kommen können?
Schmähl: Wenn die Vorschläge, die jetzt so diskutiert werden, auch in dieser Nachhaltigkeitskommission, realisiert würden, dann kann man es sich kaum schlimmer vorstellen, um es mal im Klartext zu sagen.
Koczian: Damit kommen wir zur demographischen Entwicklung, die sozusagen einen schlimmen Rechenfehler aufdecken könnte insoweit als nämlich die Voraussetzungen der gesamten Rentenkalkulationen nicht mehr stimmen. Geht man damit ehrlich um?
Schmähl: Auch das ist im Grunde eine etwas schiefe Diskussion. Es geht eigentlich gar nicht nur um die Demographie, es sind ja viele andere Punkte, die auch die Rentenkassen belasten. Denken Sie allein an Fragen von Verlagerung von Aufgaben der Beschäftigungspolitik auf die Rentenversicherung, Kosten der deutschen Vereinigung oder, was jetzt auch möglich ist, eine beitragsfreie Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer. Das alles führt zu geringeren Einnahmen und folglich auch zu einem höheren Beitragssatz, wenn man dann nicht auf der anderen, der Leistungsseite wieder anschneidet.
Koczian: Das heißt, wenn wir von Renten reden, reden wir gar nicht mehr von Renten, sondern von Zuzahlungen von Steuern von Begünstigungen.
Schmähl: Wir reden natürlich schon noch von der Rente und es ist eigentlich eine traurige Entwicklung, dass die öffentliche Diskussion immer mehr den Eindruck erweckt, also hier ist wirklich ein System ein Auslaufmodell, das ist überhaupt nicht mehr tragfähig. Deshalb ja diese ganzen Diskussionen, die jetzt angestoßen werden, wir müssen zu irgendeiner Art Grundrente, die dann steuerfinanziert ist, die Grünen schlagen das vor, das kommt aus Teilen der CDU, Frau Merkel hat sich dafür ausgesprochen. Das heißt, keine beitrags- und lohnbezogene Rente, man zahlt einen höheren Beitrag und bekommt eine höhere Rente, sondern stark die Entwicklung in Richtung nivellierende Einheitsrente. Das ist ganz entgegen der Entwicklung in vielen anderen Ländern. Beispielsweise Schweden war ja ein Musterbeispiel für ein Land mit Staatsbürgerrente, kehrt sich davon ab und führt eine sehr beitragsbezogene differenzierte Rente ein, sehr stark an den Versicherungsgedanken angelehnt, etwas, was wir im Prinzip in unserer Rentenversicherung hatten, aber was jetzt systematisch demontiert wird.
Koczian: Ist denn eine Politik, die bei Wahlen die Stimmen der Rentner im Auge haben muss, ausreichend handlungsfähig?
Schmähl: Es ist ja so, dass die Politik und ich muss leider auch dazu sagen, was ich bis jetzt so höre von der Kommission, die dafür eingesetzt ist, dass zum großen Teil eine Verschleierung betrieben wird über die tatsächlichen Wirkung. Mit "relativ moderaten Veränderungen" wird gesagt. Und wie tiefgreifend im Grunde die Einschnitte sind, wird der Bevölkerung vorenthalten. Auch dass beispielsweise die starke Verlagerung auf die private Vorsorge, die ja vorgesehen ist, im Grunde das Gesamtsystem der Alterssicherung teurer macht als bei einem reformierten umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherungssystem.
Koczian: Um einmal bei der Rente als Wahlmotiv zu bleiben: wäre es nicht doch eine Alternative, gezielt auf die Jugend zu setzen, wie es derzeit mit dem Begriff "Krieg der Generationen" geschieht?
Schmähl: Ich weiß nicht, das ist gerade das negativste Beispiel, das wir in jüngster Zeit haben. Es kann ja eigentlich doch nur in einer Gesellschaft, die sozialen Frieden haben sollte, um auch wirtschaftlich produktiv zu sein, darum gehen, einen Ausgleich der Interessen zwischen den verschiedene Generationen aber auch zwischen arm und reich, Männern und Frauen, Familien und Alleinstehenden herzustellen. Insofern ist dieses eigentlich nicht zielführend und die Diskussion, die jetzt über die Situation zwischen den Generationen so oft angestoßen wird, verdeckt auf der anderen Seite die großen Unterschiede, die sowohl innerhalb der Generation der Jungen als auch der Alten bestehen.
Koczian: Um auf die psychologische Wirkung zurückzukommen: sollte die BFA künftig besser keine Briefe verschicken? Es gibt ja jetzt auch die Gefahr nach dem Eklat vorsichtshalber eher düster zu malen.
Schmähl: Nein, ich finde, Informationen, die eigentlich schon lange gefordert wurden, sind notwendig. Und ein Weg, das ist ja dort angelegt, ist zu sagen, ich unterstelle mal, du als Versicherter wirst einen Lohn haben, so wie in den letzten Jahren und wirst 30 oder 35 Jahre Beiträge zahlen. Wie hoch wäre dann in heutigem Geldwert ausgedrückt deine Rente? So dass man unmittelbar vergleichen kann mit der heutigen Einkommenssituation, wie viel man eigentlich erwarten könnte. Da braucht man gar keine Berechnungen über eine zukünftige Anpassung. Ich glaube, diese Information ist sehr wichtig und gibt auch den Versicherten eine Handhabe zu fragen, was ist im Grunde meine Versorgungslücke, die ich versuchen will, zu schließen, wenn ich es kann.
Koczian: In den Informationen am Mittag hörten Sie Professor Winfried Schmähl. Danke nach Bremen.
Koczian: Der schnellste Weg, Menschen Angst zu machen, lieg wohl darin, sie über ihre künftigen Altersbezüge zu verunsichern. Daher zunächst die ganz grundsätzliche Frage: wie viel Rente ist sicher, welche Ansprüche kann der Staat nicht beschneiden, das Bundesverfassungsgericht hat ja schon mahnend den Finger gehoben.
Schmähl: Das ist natürlich eine ganz schwierige Frage und da ich kein Jurist bin, will ich mich auch auf dieses Feld nicht begeben. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber doch schon einen relativ breiten Spielraum eingeräumt, um im Grunde auch Einschnitte vorzunehmen. Aber was Sie angesprochen haben, die Verunsicherung ist tatsächlich groß und man hat oftmals sogar den Eindruck, als ob die nicht ganz ungezielt betrieben wird, einfach um den Boden für tiefgreifende weitere Einschnitte zu breiten.
Koczian: Nach dem Motto: Es hätte noch schlimmer kommen können?
Schmähl: Wenn die Vorschläge, die jetzt so diskutiert werden, auch in dieser Nachhaltigkeitskommission, realisiert würden, dann kann man es sich kaum schlimmer vorstellen, um es mal im Klartext zu sagen.
Koczian: Damit kommen wir zur demographischen Entwicklung, die sozusagen einen schlimmen Rechenfehler aufdecken könnte insoweit als nämlich die Voraussetzungen der gesamten Rentenkalkulationen nicht mehr stimmen. Geht man damit ehrlich um?
Schmähl: Auch das ist im Grunde eine etwas schiefe Diskussion. Es geht eigentlich gar nicht nur um die Demographie, es sind ja viele andere Punkte, die auch die Rentenkassen belasten. Denken Sie allein an Fragen von Verlagerung von Aufgaben der Beschäftigungspolitik auf die Rentenversicherung, Kosten der deutschen Vereinigung oder, was jetzt auch möglich ist, eine beitragsfreie Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer. Das alles führt zu geringeren Einnahmen und folglich auch zu einem höheren Beitragssatz, wenn man dann nicht auf der anderen, der Leistungsseite wieder anschneidet.
Koczian: Das heißt, wenn wir von Renten reden, reden wir gar nicht mehr von Renten, sondern von Zuzahlungen von Steuern von Begünstigungen.
Schmähl: Wir reden natürlich schon noch von der Rente und es ist eigentlich eine traurige Entwicklung, dass die öffentliche Diskussion immer mehr den Eindruck erweckt, also hier ist wirklich ein System ein Auslaufmodell, das ist überhaupt nicht mehr tragfähig. Deshalb ja diese ganzen Diskussionen, die jetzt angestoßen werden, wir müssen zu irgendeiner Art Grundrente, die dann steuerfinanziert ist, die Grünen schlagen das vor, das kommt aus Teilen der CDU, Frau Merkel hat sich dafür ausgesprochen. Das heißt, keine beitrags- und lohnbezogene Rente, man zahlt einen höheren Beitrag und bekommt eine höhere Rente, sondern stark die Entwicklung in Richtung nivellierende Einheitsrente. Das ist ganz entgegen der Entwicklung in vielen anderen Ländern. Beispielsweise Schweden war ja ein Musterbeispiel für ein Land mit Staatsbürgerrente, kehrt sich davon ab und führt eine sehr beitragsbezogene differenzierte Rente ein, sehr stark an den Versicherungsgedanken angelehnt, etwas, was wir im Prinzip in unserer Rentenversicherung hatten, aber was jetzt systematisch demontiert wird.
Koczian: Ist denn eine Politik, die bei Wahlen die Stimmen der Rentner im Auge haben muss, ausreichend handlungsfähig?
Schmähl: Es ist ja so, dass die Politik und ich muss leider auch dazu sagen, was ich bis jetzt so höre von der Kommission, die dafür eingesetzt ist, dass zum großen Teil eine Verschleierung betrieben wird über die tatsächlichen Wirkung. Mit "relativ moderaten Veränderungen" wird gesagt. Und wie tiefgreifend im Grunde die Einschnitte sind, wird der Bevölkerung vorenthalten. Auch dass beispielsweise die starke Verlagerung auf die private Vorsorge, die ja vorgesehen ist, im Grunde das Gesamtsystem der Alterssicherung teurer macht als bei einem reformierten umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherungssystem.
Koczian: Um einmal bei der Rente als Wahlmotiv zu bleiben: wäre es nicht doch eine Alternative, gezielt auf die Jugend zu setzen, wie es derzeit mit dem Begriff "Krieg der Generationen" geschieht?
Schmähl: Ich weiß nicht, das ist gerade das negativste Beispiel, das wir in jüngster Zeit haben. Es kann ja eigentlich doch nur in einer Gesellschaft, die sozialen Frieden haben sollte, um auch wirtschaftlich produktiv zu sein, darum gehen, einen Ausgleich der Interessen zwischen den verschiedene Generationen aber auch zwischen arm und reich, Männern und Frauen, Familien und Alleinstehenden herzustellen. Insofern ist dieses eigentlich nicht zielführend und die Diskussion, die jetzt über die Situation zwischen den Generationen so oft angestoßen wird, verdeckt auf der anderen Seite die großen Unterschiede, die sowohl innerhalb der Generation der Jungen als auch der Alten bestehen.
Koczian: Um auf die psychologische Wirkung zurückzukommen: sollte die BFA künftig besser keine Briefe verschicken? Es gibt ja jetzt auch die Gefahr nach dem Eklat vorsichtshalber eher düster zu malen.
Schmähl: Nein, ich finde, Informationen, die eigentlich schon lange gefordert wurden, sind notwendig. Und ein Weg, das ist ja dort angelegt, ist zu sagen, ich unterstelle mal, du als Versicherter wirst einen Lohn haben, so wie in den letzten Jahren und wirst 30 oder 35 Jahre Beiträge zahlen. Wie hoch wäre dann in heutigem Geldwert ausgedrückt deine Rente? So dass man unmittelbar vergleichen kann mit der heutigen Einkommenssituation, wie viel man eigentlich erwarten könnte. Da braucht man gar keine Berechnungen über eine zukünftige Anpassung. Ich glaube, diese Information ist sehr wichtig und gibt auch den Versicherten eine Handhabe zu fragen, was ist im Grunde meine Versorgungslücke, die ich versuchen will, zu schließen, wenn ich es kann.
Koczian: In den Informationen am Mittag hörten Sie Professor Winfried Schmähl. Danke nach Bremen.