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Wie, was, wohin?

"All die traurigen jungen Dichter " heißt der Debütroman von Keith Gessen. Im Zentrum stehen drei gebildete Männer mit kreativen Neigungen um die 30. Was Karriere und Beziehungen betrifft, sind sie nicht mehr da, wo sie einst waren. Doch alle träumen von einer großen Zukunft. Leider will die aber einfach nicht anbrechen.

Von Sacha Verna | 26.01.2010
    "Beginn mit einem Individuum, und bevor Du es merkst, hast du einen Typus geschaffen. Beginn mit einem Typus, und du merkst, dass du gar nichts geschaffen hast.” So fängt die erste der neun Kurzgeschichten an, die F. Scott Fitzgerald 1926 unter dem Titel "All the Sad Young Men”, "All die traurigen jungen Männer” veröffentlichte. "All the Sad Young Literary Men” heißt der Debütroman von Keith Gessen im Original, und der Wink mit dem Zaunpfahl ist durchaus als solcher verstehen. Wie Fitzgerald hat Gessen darin Protagonisten gewählt, die ihm zum Verwechseln ähnlich sehen: Gebildete Männer mit kreativen Neigungen um die 30, die, was Karriere, Illusionen und Beziehungen betrifft, nicht mehr da sind, wo sie einst waren, aber noch lange nicht dort, wo sie hinwollen.

    Wo genau sie hinwollen, ist ihnen freilich alles andere als klar. Jedenfalls sind es Männer, die insofern sehr wohl einen Typus verkörpern, als sie eine bestimmte Schicht und Generation repräsentieren. Männer aber auch, die, um als literarische Figuren interessant zu sein, zu Individuen werden müssen.

    Mark, Sam und Keith bilden das Ensemble in Gessen "All die traurigen jungen Dichter”. Mark sitzt seit Jahren an einer Dissertation über die Menschewiken. Sam plant den großen zionistischen Roman und Keith eine Zukunft als politischer Kommentator. Aber eben: Die Zukunft scheint einfach nicht anzubrechen. Stattdessen bricht jede Menge zusammen. Besonders Ehen, Verlobungen und Affären, und das Selbstbewusstsein der einzelnen Akteure sowieso.

    Keith Gessen verfolgt das Schicksal seiner Helden in drei separaten Erzählsträngen, über drei Teile und ungefähr neun Jahre hinweg. Keith, der Namensvetter des Autors, spricht für sich selber, ein bisschen postmoderne Selbstreferenz kann ja nie schaden. Die Passagen über Sam und Mark sind auktorial gehalten, was dazu führt, dass diese beiden Figuren sehr viel klarer umrissen sind als Keith, der wie ein Gedankenballon über allem schwebt und jeden Augenblick zu platzen droht.

    Es ist eine ganz bestimmte Art junger Intellektueller, die Gessen beschreibt. Es sind Harvard-Absolventen, die ihren Frühstückskaffee nicht bei Starbucks, sondern im koreanischen Deli kaufen, teils aus Protest gegen "coroprate America”, teils aus Spargründen. Leute, die das Wälzen der Weltprobleme zu ihrer Lieblingssportart und die Selbstkasteiiung zur Kunstform erkoren haben, und die früher oder später in New York auftauchen, weil in den USA alle liberalen Kopfmenschen früher oder später in New York landen.

    Gessen bedient sich des ironischen Tons, der seinen Sujets angemessen ist. Daran, dass er sich in den Kreisen, deren Tun und Treiben er schildert, bestens auskennt, besteht kein Zweifel. Nicht umsonst zählt Gessen zu den Mitbegründern der Zeitschrift "n+1”, jenes vielgepriesenen diskret hippen Journals fortgeschrittener Geistesakrobatik, das in eben jenen Kreisen, deren Tun und Treiben der Autor schildert, für gepflegte Konversationen sorgt.

    Auch "All die traurigen jungen Dichter” hat in diesen Zirkeln für gepflegte Konversationen gesorgt. Über nichts redet man schließlich lieber als über sich selber. Und eben darin liegt das Unvermögen dieses Romans: Er verweist nur auf sich selber. Es mögen darin der Nahostkonflikt, die umstrittenen amerikanischen Präsidentschaftswahlen von 2004 sowie allgemeinmenschliche spätadoleszente Seelenpein Erwähnung finden – letztlich wird alles von einem schwer erträglichen literarischen Narzissmus überschattet.

    Entfernt erinnert "All die traurigen jungen Dichter” an "Unentschlossen”, den Erstling, mit dem Benjamin Kunkel vor wenigen Jahren auf sich aufmerksam machte. Nun handelt es sich bei Benjamin Kunkel neben Gessen zufällig um einen der anderen Gründer der Zeitschrift "n+1”. Zufällig? Nein, natürlich nicht.

    Der Narzissmus ist das eine. Das andere ist - um auf F. Scott Fitzgerald zurückzukommen - die Tatsache, dass die Narzissten, die Gessen sich ausgesucht hat, sowohl als Typen als auch als Individuen furchtbar langweilig sind.

    Keith Gessen: All die traurigen jungen Dichter. Roman. Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner. Dumont Verlag, Köln 2009. 285 Seiten, 19.95 Euro.