Malchow: Es handelt sich nicht um eine Reportage, es handelt sich nicht um einen Erfahrungsbericht, sondern es handelt sich eindeutig um einen Roman, auf den alle Kriterien eines literarischen Werkes zutreffen und auch als Kriterien zur Beurteilung angewandt werden müssen. Es sind in den letzten Tagen zahlreiche Rezensionen von der FAZ bis zur Welt erschienen, die dem Buch eine hohe literarische Bedeutung und Bewertung zukommen lassen. Das ist für mich als Verleger erst einmal der Ausgangspunkt, um zusagen, dass wir diese einstweilige Verfügung bedauern. Gleichwohl müssen wir Betroffenheit feststellen, weil hier offensichtlich Menschen Schmerz zugefügt worden ist.
Fischer: Geklagt haben ja, so weiß man es zumindest in der Branche, die ehemalige Freundin und deren Mutter. Im Verfahren muss es ja doch um konkrete Ähnlichkeiten und vor allem um Verzerrungen gehen. Ihr Autor hat sich ja um literarische Verfremdung offensichtlich keine große Mühe gegeben.
Malchow: Ja, aber das ist eine ästhetische Entscheidung. Die Logik eines Romans ist eine andere als die Logik beispielsweise eines journalistischen Textes. Wenn Sie sich die große Menge der zeitgenössische Literatur und erst recht der Weltliteratur vor Augen halten, dann werden Sie feststellen, dass es zwischen autobiographischen oder realen Ereignissen und Erfahrungen und dem, was in einem literarischen Text daraus gemacht wird, sehr unterschiedliche Entfernungen gibt. Es gibt sehr direkte Übernahmen in literarische Texte. Es gibt sehr viel verklausuliertere, es gibt verwischte und sehr verfremdete Übernahmen. Die Literatur ist voll von Beispielen von einer sehr großen Nähe. Denken Sie an Mephisto von Klaus Mann, wo Gustav Gründgens geschildert worden ist. Denken Sie an Holzfällen von Thomas Bernhard, wo sich Personen wieder erkannt und dagegen protestiert und geklagt haben. Da gab es immer wieder und wird es auch immer wieder geben. Man hat immer wieder einen jeweils anderen Konflikt zwischen persönlichen Interessen, die ich ohne weiteres nachvollziehen kann und die mir auch nahe gehen. Auf der anderen Seite gibt es Konflikte zwischen der Verteidigung eines literarischen Werkes, das große Qualitäten hat und das von Seiten des Verlages natürlich auch viele Leser finden soll.
Fischer: Der Punkt ist ja der, dass es sich hier im Gegensatz zu den Werken, die Sie jetzt genannt haben, beispielsweise Mephisto oder Tod eines Kritikers von Martin Walser, nicht um Personen der Zeitgeschichte handelt, die deshalb auch ganz besonderem Schutz unterliegen. Andererseits könnte überhaupt noch jemand Bücher schreiben, wenn sie recht bekämen?
Malchow: Wie ich hier sagte, wir haben es hier mit einer Güterabwägung zu tun. Ich sehe auf der einen Seite die zumindest subjektiv für mich erkennbaren Schmerzen, die zwei Personen durch dieses Buch zugefügt worden sind. Diese verteidigen aus dieser Verletzung und aus diesen Schmerzen heraus ihre Privatsphäre und haben sich um diese einstweilige Verfügung bemüht. Auf der anderen Seite sehe ich, dass es sich eindeutig und klar um einen literarischen Text handelt, der nach völlig anderen Gesetzmäßigkeiten und mit völlig anderen Absichten und Zielen geschrieben ist, als eine Übereinstimmung noch so geringer Art zwischen der Wirklichkeit und dem Text herzustellen. Diese Güterabwägung zwischen dem Recht, ein literarisches Werk zu verfassen, das auch Material aus der Realität verarbeitet und der Betroffenheit von Menschen, denen dadurch Schmerzen zugefügt wurden, muss in jedem Fall immer wieder neu stattfinden. Wir als Verlag können nur versuchen, in diesem Konflikt auf der Seite der Literatur zu stehen, wollen aber auch alles tun, um den Interessen dieser beiden Personen entgegen zu kommen. Wie sich das im einzelnen vollziehen wird und wie wir auf diese einstweilige Verfügung reagieren werden, das ist noch offen.
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Fischer: Geklagt haben ja, so weiß man es zumindest in der Branche, die ehemalige Freundin und deren Mutter. Im Verfahren muss es ja doch um konkrete Ähnlichkeiten und vor allem um Verzerrungen gehen. Ihr Autor hat sich ja um literarische Verfremdung offensichtlich keine große Mühe gegeben.
Malchow: Ja, aber das ist eine ästhetische Entscheidung. Die Logik eines Romans ist eine andere als die Logik beispielsweise eines journalistischen Textes. Wenn Sie sich die große Menge der zeitgenössische Literatur und erst recht der Weltliteratur vor Augen halten, dann werden Sie feststellen, dass es zwischen autobiographischen oder realen Ereignissen und Erfahrungen und dem, was in einem literarischen Text daraus gemacht wird, sehr unterschiedliche Entfernungen gibt. Es gibt sehr direkte Übernahmen in literarische Texte. Es gibt sehr viel verklausuliertere, es gibt verwischte und sehr verfremdete Übernahmen. Die Literatur ist voll von Beispielen von einer sehr großen Nähe. Denken Sie an Mephisto von Klaus Mann, wo Gustav Gründgens geschildert worden ist. Denken Sie an Holzfällen von Thomas Bernhard, wo sich Personen wieder erkannt und dagegen protestiert und geklagt haben. Da gab es immer wieder und wird es auch immer wieder geben. Man hat immer wieder einen jeweils anderen Konflikt zwischen persönlichen Interessen, die ich ohne weiteres nachvollziehen kann und die mir auch nahe gehen. Auf der anderen Seite gibt es Konflikte zwischen der Verteidigung eines literarischen Werkes, das große Qualitäten hat und das von Seiten des Verlages natürlich auch viele Leser finden soll.
Fischer: Der Punkt ist ja der, dass es sich hier im Gegensatz zu den Werken, die Sie jetzt genannt haben, beispielsweise Mephisto oder Tod eines Kritikers von Martin Walser, nicht um Personen der Zeitgeschichte handelt, die deshalb auch ganz besonderem Schutz unterliegen. Andererseits könnte überhaupt noch jemand Bücher schreiben, wenn sie recht bekämen?
Malchow: Wie ich hier sagte, wir haben es hier mit einer Güterabwägung zu tun. Ich sehe auf der einen Seite die zumindest subjektiv für mich erkennbaren Schmerzen, die zwei Personen durch dieses Buch zugefügt worden sind. Diese verteidigen aus dieser Verletzung und aus diesen Schmerzen heraus ihre Privatsphäre und haben sich um diese einstweilige Verfügung bemüht. Auf der anderen Seite sehe ich, dass es sich eindeutig und klar um einen literarischen Text handelt, der nach völlig anderen Gesetzmäßigkeiten und mit völlig anderen Absichten und Zielen geschrieben ist, als eine Übereinstimmung noch so geringer Art zwischen der Wirklichkeit und dem Text herzustellen. Diese Güterabwägung zwischen dem Recht, ein literarisches Werk zu verfassen, das auch Material aus der Realität verarbeitet und der Betroffenheit von Menschen, denen dadurch Schmerzen zugefügt wurden, muss in jedem Fall immer wieder neu stattfinden. Wir als Verlag können nur versuchen, in diesem Konflikt auf der Seite der Literatur zu stehen, wollen aber auch alles tun, um den Interessen dieser beiden Personen entgegen zu kommen. Wie sich das im einzelnen vollziehen wird und wie wir auf diese einstweilige Verfügung reagieren werden, das ist noch offen.
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