Die Welt wird sich ändern. Und wir uns auch.
Klimawandel. Das bedeutet mehr als ein paar heiße Sommer. Mehr als einen Ernteausfall. Mehr als eine Jahrhundertflut.
Klimawandel bedeutet eine Welt mit noch mehr globaler Ungleichheit. Klimaflüchtlinge. Ressourcenkriege. Innenwelten und Außenwelten.
"Es werden Leute eingeschlossen und es werden Leute ausgeschlossen. Das verändert das Leben derjenigen, die eingeschlossen sind und natürlich auch derjenigen, die ausgeschlossen sind. Und wir erleben ja schon heute, dass es eine Art Abkapselung auch politisch gibt. Wir haben in Europa Grenzzäune nach Osten. Wir haben Frontex, die paramilitärische Sicherheitspolizei im Mittelmeer nach Süden, die Wirtschafts- aber auch Klimaflüchtlinge Raum abhalten sollen."
Friedrich von Borries lehrt als Architekt und, wie er sagt, Gestalter der Alltagswelt an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Jetzt kuratiert er die Ausstellung "Klimakapseln – Überlebensbedingungen in der Katastrophe".
"Alls was wir tatsächlich inzwischen schon machen, wird nach den Angaben der Naturwissenschaftler nicht ausreichen, um den zu erwartenden Klimawandel aufzuhalten. Und zweitens sind das alles Maßnahmen, die darauf basieren, dass wir in der reichen Welt, uns optimieren, um unseren Lebensstandard zu halten. Wenn aber der Rest der Welt auch diesen Lebensstandard würde haben wollen, dann hätte man noch weniger den Klimawandel vermieden. Konsequenz: Wir werden uns also an den Klimawandel anpassen."
Anpassen bedeutet für uns, sich abkapseln. Leben in einer Innenwelt. Vergleichbar mit einem überdachten Einkaufszentrum mit eigenem Binnenklima.
"Es gibt Überlegungen wie die Stadt Masdar, die jetzt von Norman Foster gebaut werden soll. Eine energie- und müllneutrale und CO2-neutrale Stadt mitten in der Wüste. Und es gibt zum Beispiel von Werner Sobeck, dem Architekten aus Stuttgart auch Forschungen über einzelne Wohnhäuser, die als kleine klimatische Kapseln sich selbst erhalten und ihre Energie aus Solarzellen und so weiter gewinnen."
Elypsenförmige transparente Kunststoffboxen für ein mobiles Wohnen in der Zukunft. Ortsunabhängig, sich selbst versorgend, abgeschottet von der Umwelt. Konzepte, wie es sie ähnlich schon in den Sechzigerjahren gab.
"Es beginnt schon in der Mitte des letzten Jahrhunderts, dass man sich über Ressourcenknappheit Gedanken macht, dass man sich über Umweltverschmutzung Gedanken macht und dass man sich natürlich auch über ein Leben nach dem Atomkrieg Gedanken gemacht hat. Und in diesem Kontext sind diese künstlichen Kapselwelten schon sehr lange ein Thema in der kulturellen Auseinandersetzung."
Nach den Atomkriegsszenarien jetzt technologisch perfekte Klimakapseln. Wohlstandsinseln für den Fall der Katastrophe.
"Dass es eine Welt sein wird, die stärker mit solchen Grenzen operiert und mit Zulassungen für das Innen und das Außen oder das Halbaußen und so weiter, das ist, glaube ich, schon eine Perspektive mit der wir uns auseinandersetzen müssen."
Eine Welt, wie wir sie im Kleinen bereits vorfinden, sagt Heinz Bude, Soziologe an der Universität Kassel und Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Global gesehen geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Beispiel die Schwellenländer. Manchen Menschen geht es jetzt viel besser, vielen aber schlechter. Und wer arm ist, dem ist Ökologie egal. Selbst in der reichen westlichen Welt.
"Es gibt einen Teil der Bevölkerung, der aufgeschlossen ist für die Frage, dass man sich vielleicht einschränken muss, um sein Leben besser werden zu lassen. Die Verbesserung von Lebensmitteln durch biodynamischen Anbau für sich positiv sehen. Und gleichzeitig einen Teil der Bevölkerung, die genau von diesen Prozessen nichts wissen wollen. Die sagen, ökologisches Bewusstsein heißt für uns, dass die Waren teurer werden, dass wir anfangen sollen zu sparen, wo wir doch schon sowieso schon so wenig haben."
Bioläden für die Reichen, Billigdiscounter für die Armen. Ökologisches Wohnen für die Gebildeten, zugige Einfachbauten für die Ungebildeten.
"Das sind Entwicklungen, die man sehen muss, die möglicherweise die Welt derjenigen auf dies ankommt von der Welt mit denjenigen auf dies nicht mehr ankommt, diese Spaltung dazwischen möglicherweise vertieft, weil sogar diejenigen, die ökologisch bewusst leben wollen, mit einer großen Verachtung auf diejenigen schauen, die noch in der Massenkonsummentalität des 20. Jahrhunderts befangen sind."
Es gehe darum, dass ein auf Ökologie bedachter Lebensstil von allen Menschen akzeptiert werde, sagt Heinz Bude. Sonst bestehe die Gefahr, dass man eine Art sozialmoralischer Spaltung in der Gesellschaft provoziere.
"Man darf nie mit Verboten arbeiten. Und man soll nicht versuchen einen neuen Puritanismus auszurufen. Das glaube ich ist der falsche Weg. Es ist eher die Idee eines neuen Reichtums auszurufen. Also es gibt so etwas wie einen ökologischen Reichtum. Und nicht eine Vorstellung wie einer ökologischen Dürre, die uns das Leben schmaler macht. Die uns dazu anhält, jeden Pfennig umzudrehen."
Ein Weg, Verzicht als Reichtum zu empfinden, sei das Gefühl eigener Größe. Wer sich großartig fühle, verändere seinen Lebensstil, glaubt der Soziologe.
"Es geht um die Dinge, die man zu sich nimmt, die man in seiner unmittelbaren Umgebung als eine Verbesserung des Lebens spüren kann. Und sehen kann wie ein nicht durch Umweltverschmutzung zugedeckter Himmel. Wenn der Himmel blauer wird, wenn das Wasser sauberer wird, wenn die Äpfel besser schmecken, dann weiß man, man tut etwas für die Kinder."
Und freut sich, dass die Erde besser wird. Allerdings müssen wir Europäer uns davor hüten, uns für den Nabel der Welt zu halten.
"Schon in fünf bis acht Jahren, sagen wir in zehn Jahren, wird Europa vielleicht drei Prozent der Gesamtweltbevölkerung darstellen. Und daran können Sie sofort sehen, wir können uns wer weiß was ausdenken. Wir sind nicht der Ort, wo sich die Frage des Klimawandels auf der Welt entscheidet. Wir sind es definitiv nicht. Unsere Aufgabe ist uns schlaue Ideen auszudenken, wie man andere Leute im Sinne einer Vorstellung, dass sie etwas für sich tun, dazu bringen kann, Veränderungen vorzunehmen, die dann für die ganze Welt von Vorteil sein wird."
Klimakapselwelten werden sicher keine vorteilhafte Veränderung für unsere Erde bedeuten. Das weiß auch der Architekt Friedrich von Borries. In seiner Ausstellung steht er vor einer meterhohen Fotocollage der Künstlerin Ilkka Halso. Riesige sattgrüne Wälder inmitten einer Seenlandschaft. – Voll überdacht mit einer geschwungenen Stahl-Glas-Konstruktion.
"Sieht toll aus. Und dann fängt man an zu denken, ja aber irgendwas ist hier auch merkwürdig, irgendwas stimmt hier nicht. Und dieses Unwohlsein ist letztlich auch das Ziel der Ausstellung, uns da noch mal stärker drauf zu bringen über bestimmte Fragen nachzudenken. Weil so wie wir im Moment leben und auch im Moment Zukunftsplanung betreiben, wird es nicht funktionieren."
Info:
"Klimakapseln. Überlebensbedingungen in der Katastrophe" läuft noch bis zum 8. August 2010. Zum Preis von 14 Euro ist in der edition Suhrkamp ein Begleitbuch von Friedrich von Borries erschienen. Weitere Informationen über das umfangreiche Begleitprogramm unter www.klimakapseln.de.
Klimawandel. Das bedeutet mehr als ein paar heiße Sommer. Mehr als einen Ernteausfall. Mehr als eine Jahrhundertflut.
Klimawandel bedeutet eine Welt mit noch mehr globaler Ungleichheit. Klimaflüchtlinge. Ressourcenkriege. Innenwelten und Außenwelten.
"Es werden Leute eingeschlossen und es werden Leute ausgeschlossen. Das verändert das Leben derjenigen, die eingeschlossen sind und natürlich auch derjenigen, die ausgeschlossen sind. Und wir erleben ja schon heute, dass es eine Art Abkapselung auch politisch gibt. Wir haben in Europa Grenzzäune nach Osten. Wir haben Frontex, die paramilitärische Sicherheitspolizei im Mittelmeer nach Süden, die Wirtschafts- aber auch Klimaflüchtlinge Raum abhalten sollen."
Friedrich von Borries lehrt als Architekt und, wie er sagt, Gestalter der Alltagswelt an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Jetzt kuratiert er die Ausstellung "Klimakapseln – Überlebensbedingungen in der Katastrophe".
"Alls was wir tatsächlich inzwischen schon machen, wird nach den Angaben der Naturwissenschaftler nicht ausreichen, um den zu erwartenden Klimawandel aufzuhalten. Und zweitens sind das alles Maßnahmen, die darauf basieren, dass wir in der reichen Welt, uns optimieren, um unseren Lebensstandard zu halten. Wenn aber der Rest der Welt auch diesen Lebensstandard würde haben wollen, dann hätte man noch weniger den Klimawandel vermieden. Konsequenz: Wir werden uns also an den Klimawandel anpassen."
Anpassen bedeutet für uns, sich abkapseln. Leben in einer Innenwelt. Vergleichbar mit einem überdachten Einkaufszentrum mit eigenem Binnenklima.
"Es gibt Überlegungen wie die Stadt Masdar, die jetzt von Norman Foster gebaut werden soll. Eine energie- und müllneutrale und CO2-neutrale Stadt mitten in der Wüste. Und es gibt zum Beispiel von Werner Sobeck, dem Architekten aus Stuttgart auch Forschungen über einzelne Wohnhäuser, die als kleine klimatische Kapseln sich selbst erhalten und ihre Energie aus Solarzellen und so weiter gewinnen."
Elypsenförmige transparente Kunststoffboxen für ein mobiles Wohnen in der Zukunft. Ortsunabhängig, sich selbst versorgend, abgeschottet von der Umwelt. Konzepte, wie es sie ähnlich schon in den Sechzigerjahren gab.
"Es beginnt schon in der Mitte des letzten Jahrhunderts, dass man sich über Ressourcenknappheit Gedanken macht, dass man sich über Umweltverschmutzung Gedanken macht und dass man sich natürlich auch über ein Leben nach dem Atomkrieg Gedanken gemacht hat. Und in diesem Kontext sind diese künstlichen Kapselwelten schon sehr lange ein Thema in der kulturellen Auseinandersetzung."
Nach den Atomkriegsszenarien jetzt technologisch perfekte Klimakapseln. Wohlstandsinseln für den Fall der Katastrophe.
"Dass es eine Welt sein wird, die stärker mit solchen Grenzen operiert und mit Zulassungen für das Innen und das Außen oder das Halbaußen und so weiter, das ist, glaube ich, schon eine Perspektive mit der wir uns auseinandersetzen müssen."
Eine Welt, wie wir sie im Kleinen bereits vorfinden, sagt Heinz Bude, Soziologe an der Universität Kassel und Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Global gesehen geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Beispiel die Schwellenländer. Manchen Menschen geht es jetzt viel besser, vielen aber schlechter. Und wer arm ist, dem ist Ökologie egal. Selbst in der reichen westlichen Welt.
"Es gibt einen Teil der Bevölkerung, der aufgeschlossen ist für die Frage, dass man sich vielleicht einschränken muss, um sein Leben besser werden zu lassen. Die Verbesserung von Lebensmitteln durch biodynamischen Anbau für sich positiv sehen. Und gleichzeitig einen Teil der Bevölkerung, die genau von diesen Prozessen nichts wissen wollen. Die sagen, ökologisches Bewusstsein heißt für uns, dass die Waren teurer werden, dass wir anfangen sollen zu sparen, wo wir doch schon sowieso schon so wenig haben."
Bioläden für die Reichen, Billigdiscounter für die Armen. Ökologisches Wohnen für die Gebildeten, zugige Einfachbauten für die Ungebildeten.
"Das sind Entwicklungen, die man sehen muss, die möglicherweise die Welt derjenigen auf dies ankommt von der Welt mit denjenigen auf dies nicht mehr ankommt, diese Spaltung dazwischen möglicherweise vertieft, weil sogar diejenigen, die ökologisch bewusst leben wollen, mit einer großen Verachtung auf diejenigen schauen, die noch in der Massenkonsummentalität des 20. Jahrhunderts befangen sind."
Es gehe darum, dass ein auf Ökologie bedachter Lebensstil von allen Menschen akzeptiert werde, sagt Heinz Bude. Sonst bestehe die Gefahr, dass man eine Art sozialmoralischer Spaltung in der Gesellschaft provoziere.
"Man darf nie mit Verboten arbeiten. Und man soll nicht versuchen einen neuen Puritanismus auszurufen. Das glaube ich ist der falsche Weg. Es ist eher die Idee eines neuen Reichtums auszurufen. Also es gibt so etwas wie einen ökologischen Reichtum. Und nicht eine Vorstellung wie einer ökologischen Dürre, die uns das Leben schmaler macht. Die uns dazu anhält, jeden Pfennig umzudrehen."
Ein Weg, Verzicht als Reichtum zu empfinden, sei das Gefühl eigener Größe. Wer sich großartig fühle, verändere seinen Lebensstil, glaubt der Soziologe.
"Es geht um die Dinge, die man zu sich nimmt, die man in seiner unmittelbaren Umgebung als eine Verbesserung des Lebens spüren kann. Und sehen kann wie ein nicht durch Umweltverschmutzung zugedeckter Himmel. Wenn der Himmel blauer wird, wenn das Wasser sauberer wird, wenn die Äpfel besser schmecken, dann weiß man, man tut etwas für die Kinder."
Und freut sich, dass die Erde besser wird. Allerdings müssen wir Europäer uns davor hüten, uns für den Nabel der Welt zu halten.
"Schon in fünf bis acht Jahren, sagen wir in zehn Jahren, wird Europa vielleicht drei Prozent der Gesamtweltbevölkerung darstellen. Und daran können Sie sofort sehen, wir können uns wer weiß was ausdenken. Wir sind nicht der Ort, wo sich die Frage des Klimawandels auf der Welt entscheidet. Wir sind es definitiv nicht. Unsere Aufgabe ist uns schlaue Ideen auszudenken, wie man andere Leute im Sinne einer Vorstellung, dass sie etwas für sich tun, dazu bringen kann, Veränderungen vorzunehmen, die dann für die ganze Welt von Vorteil sein wird."
Klimakapselwelten werden sicher keine vorteilhafte Veränderung für unsere Erde bedeuten. Das weiß auch der Architekt Friedrich von Borries. In seiner Ausstellung steht er vor einer meterhohen Fotocollage der Künstlerin Ilkka Halso. Riesige sattgrüne Wälder inmitten einer Seenlandschaft. – Voll überdacht mit einer geschwungenen Stahl-Glas-Konstruktion.
"Sieht toll aus. Und dann fängt man an zu denken, ja aber irgendwas ist hier auch merkwürdig, irgendwas stimmt hier nicht. Und dieses Unwohlsein ist letztlich auch das Ziel der Ausstellung, uns da noch mal stärker drauf zu bringen über bestimmte Fragen nachzudenken. Weil so wie wir im Moment leben und auch im Moment Zukunftsplanung betreiben, wird es nicht funktionieren."
Info:
"Klimakapseln. Überlebensbedingungen in der Katastrophe" läuft noch bis zum 8. August 2010. Zum Preis von 14 Euro ist in der edition Suhrkamp ein Begleitbuch von Friedrich von Borries erschienen. Weitere Informationen über das umfangreiche Begleitprogramm unter www.klimakapseln.de.