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Wieder daheim

Vier Tage haben die beiden Bielefelder Studenten Henning Wallerius und Eike Korfhage in einem russischen Gefängnis verbracht. Sie hatten eine Protestgruppe mit dem Fahrrad von Berlin zum G8-Gipfel nach St. Petersburg journalistisch begleitet. Inzwischen sind die beiden in ihre Heimat zurückgekehrt.

Von Michael Böddeker und Kathrin Sielker | 31.07.2006
    "Merkwürdiges Gefühl. Also zurück nach Deutschland, das Gefühl hatte ich natürlich schon beim Grenzüberschritt. Ich bin mit dem Zug gekommen, und als dann die üblichen Namen draußen lesbar waren und so, das war dann ja der eigentliche Grenzübertritt. Und ich habe mich schon gefreut","

    sagt Eike Korfhage nach seiner Rückkehr. Auch die Freunde der beiden Fotografiestudenten freuen sich, dass die beiden wohlbehalten zurückgekehrt sind. Moritz Götte:

    ""Einfach klasse zu hören, dass er wieder zurück ist. Habe mich auch gefreut darauf ihn wiederzusehen und war gespannt, was er zu erzählen hat, also was ihm passiert ist."

    Zu erzählen gibt es einiges: Seit Anfang Juni waren Eike und sein Kommilitone Henning Wallerius mit dem Fahrrad in Richtung St. Petersburg unterwegs. Sie hatten eine internationale Protestgruppe auf dem Weg zum G8-Gipfel begleitet, mit Fotos für ihr Studium und mit Beiträgen für das Bielefelder CampusRadio.

    In St. Petersburg angekommen wurden die beiden Studenten zunächst unbegründet in Polizeigewahrsam genommen und dann zu zehn Tagen Haft verurteilt. Den offiziellen Anklagegrund erfuhren sie erst später.

    "Wir sollen in der Öffentlichkeit gegen ein Auto uriniert haben. Wir haben mit Sicherheit nicht gegen ein Auto uriniert, dieser Vorwurf ist vielen Aktivisten gemacht worden. Und auf diese Art und Weise sind dann viele Aktivisten letzten Endes für 10 bis 15 Tage im Gefängnis gelandet."

    Die beiden Studenten mussten sich zusammen mit einem anderen Aktivisten 9 Quadratmeter teilen. Die Zelle war dunkelbraun gestrichen, 24 Stunden brannte künstliches Licht. Dennoch:

    "Die Haftbedingungen im Gefängnis selbst waren okay. Natürlich ist es eng. Natürlich kann man nicht aus dem Zimmer raus. Es ist natürlich ein Gefängnis."

    Für erträgliche Haftbedingungen und Betreuung hat sich auch das deutsche Generalkonsulat in St. Petersburg eingesetzt. Außenminister Steinmeier gegenüber dem WDR:

    "Das Generalkonsulat in St. Petersburg hat sich nach der Verhaftung unmittelbar gekümmert. Eine Beamtin des Konsulats hat unmittelbar Kontakt aufgenommen. Sie war bei der Vorführung vor dem Haftrichter dabei. Wir haben versucht dafür zu sorgen – erfolgreich dafür zu sorgen – dass ein Dolmetscher und ein Anwalt dabei sein kann."

    Während der Haft hat das Konsulat die beiden dann unter anderem mit Nahrungsmitteln und mit sauberem Trinkwasser versorgt. Denn Essen und Wasser im russischen Gefängnis waren größtenteils ungenießbar.

    Im Gegensatz zu den anderen Inhaftierten sind die beiden Deutschen bereits nach vier Tagen vorzeitig entlassen worden. Eike Korfhage:

    "Also es kam für uns völlig überraschend. Einer der Wärter hat die Tür geöffnet und sagte 'zu Hause'. Allerdings wurden wir auch dann sofort abgeschoben. Das war natürlich nicht so erfreulich."

    Eine offizielle Begründung dafür gibt es nicht. Vermutet wird aber, dass der Druck durch Medien, Politik und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty international etwas bewirkt hat.

    Seit der Entlassung sind nun zwei Wochen vergangenen. Die beiden Fotografen sind allerdings erst am Wochenende nach Bielefeld zurückgekehrt.

    "Also ich hatte es nicht so eilig. Ich hatte meine Filme, die ich soweit bis zur russischen Grenze gemacht hatte zurückgelassen, einer Kontaktperson in Estland gegeben, die ich dann in Tallinn wiedergetroffen habe und habe für mich persönlich die Entscheidung getroffen, dass ich jetzt nicht möglichst schnell nach Hause möchte, sondern dass ich auch schon auf der Rückreise einige Menschen noch mal wiedersehen möchte. Ich hatte es also überhaupt nicht eilig."

    Seitdem Henning und Eike wieder in Bielefeld sind, stehen vor allem ihre Freunde im Vordergrund.

    "Ja, ich habe schon einige wieder gesehen. Wir haben gefeiert und geredet. Es ist auch kein Problem für mich zu reden, ich erzähle gerne, weil die positiven Erlebnisse und die Kontakte mit den Menschen überwogen haben.""

    Die Themen Globalisierung, G8, Pressefreiheit und Menschenrechte waren bereits vor den persönlichen Erfahrungen in St. Petersburg interessant für die beiden Studenten. Eike Korfhage:

    "Also ich war vorher schon politisch interessiert und habe das auch kritisch gesehen. Im Grunde genommen ändert diese Erfahrung relativ wenig an meiner Einschätzung der Sache."