Was ist eigentlich los an der Universität Wien, werden sich manche fragen. Weshalb rehabilitieren sie nicht alle Opfergruppen? Der Grund: es war bis vor kurzem gar nicht absehbar, dass neben Stefan Zweig oder Bruno Bettelheim auf der 1941 verfaßten Liste auch ein Homosexueller stand oder ein jüdischer Arzt, der wegen einer Abtreibung verurteilt wurde. Auch nach ´45 war beides noch strafbar. Auch nach ´45 wurde die Universität aktiv, wenn ihr entsprechendes gemeldet wurde. Vieles lag im Ermessen des Rektors und der Dekane. Was erzählen uns heute Listen, wie die zuletzt aufgefundene mit Stefan Zweig? Zunächst, dass die Auswahl der Betroffenen sehr willkürlich erscheint. Ein prominenter Exilant neben gänzlich unbekannten Akademikern, ein homosexueller Österreicher neben Juden, auch die Fakultäten oder Promotionsdaten lassen keinerlei Systematik in dem Schriftstück erkennen. Es war bloß einer von wahrscheinlich vielen Briefen des Rektors der Universität Wien an den Deutschen Reichsanzeiger mit dem Hinweis, die Namen der "Entehrten" zu publizieren. Bisher gibt es bei einer Reihe strafrechtlicher Tatbestände, zu denen auch der Verstoß gegen das Abtreibungsverbot zählt, keine generellen Regelungen, wie heute die Universität mit diesen Fällen umgehen soll. Friedrich Stadler und sein Team vom Institut für Zeitgeschichte sprachen nur Empfehlungen aus.
Ich glaube, dass dieser Beschluß, also unsere Empfehlung abgedeckt ist durch den Senatsbeschluß, wir haben das auch argumentiert. Aber zum damaligen Zeitpunkt hatte man sicherlich nicht gewusst, nachdem das nicht recherchiert wurde. Und vier Personen wegen sogenanntem strafrechtlichem Tatbestand, wusste niemand im Senat, was das hieß. Oder wie die NS-Diktion ist, wegen Kerkerstrafen. Und ursprünglich war aus politischen Gründen im weitesten Sinn gemeint, also Gegnerschaft zum NS und Widerstand prinzipiell.
Der Blick auf die deutschen Universitäten zeigt, dass hier nicht anders verfahren wurde. Auch in Berlin, Heidelberg, Tübingen oder Bonn arbeitet man die Geschichte etappenweise auf. An der Universität Bonn fand im Jahr 2000 eine Tagung deutscher Hochschularchivare zu dem Thema statt. Das Fazit lautete: längst noch nicht alles sei erfasst, bewertet und aufgearbeitet worden. Doch bereits Weihnachten 1946 eilte der Bonner Rektor, Thomas Mann den 1936 aberkannten Ehrendoktortitel wiederzuverleihen.