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Wiederaufarbeitung

Der Atomkonsens bietet der Atomwirtschaft in den nächsten Jahren erst einmal einen ungestörten Betrieb ihrer Reaktoren - bei 32 Betriebsjahren pro Kraftwerk dürfte in etwa 20 Jahren das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden, wenn sich unser Land dann immer noch auf Ausstiegskurs befinden sollte. Bis 2005 gilt auch die Wiederaufarbeitung von Atommüll noch als Entsorgungsnachweis, doch es ist wohl eher Zufall, das sich gerade heute wieder zwei Castor-Transporte aus den Kraftwerken Philippsburg und Biblis auf den Weg nach Frankreich machen. Ihr Ziel: Die Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague. Wiederaufarbeitung ist noch umstrittener als die Atomkraft selbst.

von Dagmar Röhrlich |
    Sellafield - die Wiederaufarbeitungsanlage THORP - die Signale tönen den ganzen Tag, rund um die Uhr - sie zeigen an, dass alle Prozesse ordnungsgemäß laufen - wir stehen über dem Hauptlager-Becken - An der Seite ist eine Anlage, in der - tief unter Wasser - die Brennelemente aus den Transport-Containern herausgenommen werden

    Die Maschine zieht ein Brennelemente aus dem Transport-Behälter heraus - das Signal zeigt an, dass sich die Maschine bewegt - das Brennelement wird ausgemessen - ist alles okay, wird es umgepackt, damit es im nächsten Prozessschritt aufgesägt werden kann. Bis jetzt hat die meterhohe Wasserbedeckung für die Abschirmung gesorgt - ab jetzt schützt meterdicker Beton die Menschen.

    Wiederaufarbeitungsanlagen befinden sich immer etwas abseits. La Hague beispielsweise liegt idyllisch am Atlantik, und Sellafield am Strand der Irischen See. Es sind strukturschwache Gegenden, in denen es kaum andere Unternehmen gibt. Wiederaufarbeitung ist für die Betreiber der Anlagen ein gutes Geschäft. Auch British Nuclear Fuel lebt zu einem Gutteil davon, dass die Politiker lange Zeit fürchteten, dass das Uran einmal knapp werden könnte. Deshalb schrieb in Deutschland lange Zeit das Atomgesetz die Wiederaufarbeitung vor. Notwendig war sie aber nie - jedenfalls nicht, so lange man keine Nuklearwaffen bauen möchte. Deshalb verzichten viele Länder auf die Wiederaufarbeitung. Da sie zudem noch teuer ist, war in Deutschland deshalb noch nicht einmal die Atomindustrie glücklich mit dem gesetzlichen Zwang zur Wiederaufarbeitung. Seit der jüngsten Novellierung des Atomgesetzes ist die direkte Endlagerung zugelassen - die ist billiger.

    Wir stehen direkt über den Lösungsbecken. Sie sind unter Beton und Stahl verborgen. Zu sehen ist nur etwas, was aussieht wie eine Rohrpost. Darin wird der Brennstoff hinab in die Säurebecken transportiert. In der Salpetersäure werden die Brennelemente aufgelöst, nur die metallische Ummantelungen bleiben übrig. Der Brennstoff rieselt hinunter. Bald ist er aufgelöst. Dann wird die entstandene Lösung mit chemischen Mitteln der Extraktion auseinandersortiert und der Rest geht in die sogenannten hochaktiven Spaltprodukte.

    Michael Sailer vom Ökoinstitut Darmstadt. Die hochaktiven Spaltprodukte, das ist eine Suppe, die feinst verteilt in flüssiges Glas eingeblasen und später - als Glaskokille - ins Endlager transportiert wird. Der Prozess der Wiederaufarbeitung produziert aber nicht nur neue Gebinde für den Atommüll.

    Wir haben einmal Berechnungen gemacht, was in Sellafield vom Betriebsbeginn an ins Meer, in die Irische See dort, gelangt ist, und haben das verglichen mit dem was die Russen ins Eismeer und vor Nowaja Semlja versenkt haben, und haben festgestellt, dass bisher von Sellafield etwa zwei- bis dreimal mehr an Radioaktivität von ähnlicher Gefährlichkeit ins Meer entlassen worden ist, in dem Betrieb, seit kurz nach dem zweiten Weltkrieg.

    In die Atmosphäre gelangen leicht flüchtige Spaltprodukte wie Radiojod oder das Edelgas Krypton. Auch ins Wasser geht bei Anlagen vom Typ Sellafield und La Hague so einiges. Klaus-Detlef Closs vom Forschungszentrum Karlsruhe:

    Einige Radionuklide werden auch mit dem Wasser abgegeben. Man muss sich vorstellen, dass in einer solchen Anlage große Wärmemengen gehandhabt werden. Die einzelnen Brennelemente erzeugen Wärme, und auch die einzelnen Prozessschritte in so einer WAA benötigen eine Kühlung. Und durch die Kühlung, durch das Kühlwasser, z.B. werden dann in geringen Mengen auch Cs, Sr und andere Radionuklide abgegeben. Wenn diese Radionuklide in das Meer gelangen, verdünnen sie sich dann im Meerwasser, einige sedimentieren, aber die Konzentration ist im allgemeinen so gering, dass da keine gesundheitliche Belastung der Bevölkerung ausgeht.



    Wir sind ein paar blank geputzte Flure weitergegangen und haben einen großen Raum betreten, durch den sich eine verwinkelte Fördereinrichtung zieht. Dickwandige, glänzende Stahlkanister stehen darauf. In ihnen: das Uran aus der Wiederaufarbeitung, das zu neuen Brennstäben geformt werden soll. Unendlich langsam rucken sie auf dem Transportband weiter. Wie von Geisterhand.