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Wiedereröffnung der Mailander Scala

Ein Unwetter und ein Schiff, das an einem Gestade strandet. Ein Schiff, das zur Flotte des Königs von Kreta gehört. Phönizische Krieger, geführt von einem gewissen Egisto, verhaften Asterio, den Kreterkönig, und seine Frau Europa und bringen beide nach Tiro, wo sie einem ungewissen Schicksal entgegen sehen.

Von Thomas Migge |
    Es folgen zwei Stunden Oper, in denen Missverständnisse aufgeklärt, in denen Eroberungsgelüste zerstört wurden und in denen schließlich das Eheglück triumphiert. Ein typisch frühklassische Happy-End eben.

    Hausdirigent Riccardo Muti hatte sich für diese Oper von Antonio Salieri nicht nur deshalb entscheiden, weil mit ihr 1778 das neu errichtete Musiktheater eröffnet wurde, sondern weil das Werk seitdem vergessen worden war. Zu Unrecht, so der Dirigent. Und auch die Altistin Daniela Barcellona, eine im Ausland noch relativ unbekannte Stimme Italiens ist begeistert. Sie singt die Rolle des Isseo:

    Vor einigen Tagen erhielt ich die Partitur. Meine Arien sind schon recht kompliziert aber gerade deshalb wunderbar. Ich muss ungewöhnlich hoch singen. Effektarien eben. Ich ging von einer langweiligen Partitur aus, das Gegenteil ist der Fall. Ich verstehe nicht, dass dieses Werk von Salieri seit über 200 Jahren nicht mehr aufgeführt wurde! Das wird eine Überraschung für alle werden.

    Die 33-jährige Deutsche Diana Damrau sang die Rolle der Europa. Eine sicherlich große Stimme, die aber nicht immer die von Salieri vorgegebenen Höhen einhalten konnte. Die Arien wurden für Kastraten geschrieben und wurden schon damals als schwierig eingestuft. Zusammen mit der Sizilianerin Desirée Rancatore als Semele, 27 Jahre jung und ein aufgehender Star am Opernhimmel, bestritt Damrau die schönsten Arien der "L’Europa riconoscita". Arien, bei denen deutlich wird, wie sehr sich Salieri von seinem großen Vorbild Christoph Willibald Gluck beeinflussen ließ.

    Luca Ronconi wollte mit seinem Regiekonzept überraschen: über 40 riesige Metallpferde, gigantische Treppen, und ein auseinanderbrechendes Schiff sowie ein von der Decke schwebender Spiegel sollten Bewegung in die Handlung bringen und dem Publikum verdeutlichen, was der neue Bühnenraum technisch alles hergibt. Dieses Konzept beeindruckte mit zahlreichen "special effects" - sicherlich im Stil barocker Opern, aber das Ganze wirkte ein wenig zu bombastisch für eine Oper der Frühklassik.

    Die von Ronconi in seiner ganzen Länge und Breite genutzte Bühne war beim Umbau von Mario Botta enorm vergrößert worden. So sehr vergrößert, dass die Sänger jetzt noch mehr Schwierigkeiten als vor den Bauarbeiten haben gegen das Orchester anzusingen.

    Mario Bottas großes Verdienst ist es vor allem, dass er die Akustik der Scala entschieden verbessert hat:

    Man musste im Innern der Scala arbeiten. Die Sitze im Parkett stehen jetzt auf einen Resonanzboden. Ich habe den Teppich sofort rausgeworfen. Der Boden schwingt jetzt mit wenn das Orchester spielt. Ich habe in der Scala nur die Fehler korrigiert, die in der Vergangenheit begangen wurden.

    Die Akustik im Parkett ist jetzt so perfekt, dass man Symphoniekonzerte auch aus dem Orchestergraben heraus spielen könnte. Heftig umstritten sind hingegen die unübersehbaren Veränderungen des Theaters außen. Botta errichtete über der Bühne auf dem Dach der Scala einen 38 Meter hohen Turm, in dem die Bühnenbilder aufgehängt werden. Für viele handelt es sich hierbei um eine, so der Mailänder Architekt Vittorio Gregotti, "Architekturschande".

    Egal, was man von Bottas Umbauten denken mag: Muti und sein Ensemble boten einen musikalisch und stimmlich ausgezeichneten Opernabend mit einem Werk, das es verdient, auch in Deutschland aufgeführt zu werden. Doch wäre es sicherlich ratsam, diese Oper der Frühklassik in einer weniger pompösen Inszenierung zu zeigen. Der Bühnenraum der Scala eignet sich besser für Verdis "Aida". Salieris "L’Europa Riconosciuta" verlor sich ein wenig in der immensen Größe.