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Wiedervernässte Moore tragen zum Klimaschutz bei

Moore sind ein gefährliches Pflaster: Der Boden schwankt und schon ein kleiner Fehltritt kann dazu führen, dass man versinkt. Die meisten wurden entwässert und dienen heute der Landwirtschaft. Doch diese setzten Treibhausgase frei. Werden sie wieder vernässt, stoppt der Prozess.

Von Michael Engel | 02.01.2012
    Der "blaue Moorfrosch" ist selten geworden in Deutschland. Ebenso der "kleine Moorbläuling" - ein Schmetterling - und der "große Brachvogel". Allesamt typische Bewohner der Moorlandschaften. Für Dr. Annette Freibauer, die als Geoökologin beim Johann Heinrich von Thünen-Institut in Braunschweig arbeitet, ergibt sich daraus eine Verpflichtung:

    "An vielen Stellen, insbesondere in Hochmooren wird es möglich sein, wieder naturnahe, wachsende Moore zu schaffen, neue Ziele für den Tourismus. Es ist die Verzahnung der Moore mit der Kulturlandschaft drum herum, die auch ein ganz neues Heimatgefühl entwickeln lässt."

    Ein klares Plädoyer für die Moore. Doch weder "Ökonostalgie" noch Heimatliebe treibt die Wissenschaftlerin um, sondern harte Fakten. Zwei Jahre lang beobachtete Sie Messflächen an 80 verschiedenen Standorten in ganz Deutschland: Es waren Moore, die durch Entwässerungsgräben trocken gelegt wurden, um sie landwirtschaftlich zu nutzen. Trocken gelegte Moore, so der aktuelle Befund, zersetzen sich durch bakteriellen Abbau rasend schnell:

    "Da setzt ein Zersetzungsprozess ein, der um Längen schneller ist wie das langsame Torfwachstum. Während so ein naturnahes Moor vielleicht einen Millimeter im Jahr zuwächst, kann man - sobald man das Moor drainiert und Sauerstoff an den Torfkörper herankommt - innerhalb von einem Jahr bis zu vier / fünf Zentimeter Moor verlieren. Also richtige Dekaden gehen da in kurzer Zeit verloren. Diese Torfzersetzung führt zur Bildung von Kohlendioxid, einem Treibhausgas, und schon sind wir dann beim Thema Klimawandel."

    Obwohl die entwässerten Moorflächen nur acht Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen, sind sie für 40 Prozent der deutschen Emissionen aus Landwirtschaft und Landnutzung verantwortlich. Drainierte, also entwässerte Moorböden - so das Ergebnis - sind ein "Hotspot" für Treibhausgase: 40 Millionen Tonnen CO2 im Jahr - soviel wie der CO2-Ausstoß aller Flugzeuge in Deutschland im selben Zeitraum:

    "Das, was uns bei den Messungen sehr überrascht hat: Es gibt keine Bremse. Wir haben eigentlich gedacht, wenn Torf eine Weile drainiert ist, oder die Torfschicht immer flacher wird, dass sich dann auch die Emissionen entsprechend reduzieren. Aber es geht wirklich ungebremst durch bis nichts mehr da ist."

    Neben CO2 entstehen dabei auch die Klimakiller "Lachgas" und "Methan". Vor allem, wenn die Fläche wegen landwirtschaftlicher Nutzung obendrein auch noch gedüngt wird. Allein die Wiedervernässung kann diesen Prozess stoppen. Wenn das Wasser steigt, fehlt den Bakterien der Sauerstoff, das Moor kann wieder aufblühen.

    "Moorschutz ist die Option für Klimaschutz in Deutschland. Eigentlich eine der preisgünstigsten Maßnahmen, die wir überhaupt haben. Aber aktuell ist das Kohlendioxid aus diesen landwirtschaftlich genutzten Mooren nicht Teil der Verpflichtung unter dem Kyoto-Protokoll. Das hat historische Gründe. Waldmoore werden berücksichtigt, aber landwirtschaftliche Moore nicht. Um daraus wirklich eine nationale Politik zu machen, wäre der erste Schritt sich dieser Verantwortung tatsächlich auch zu stellen."

    Nur leider geben Moore unter landwirtschaftlichen Gesichtspunkten kaum noch etwas her. Das heißt: Hier müssen nationale Entschädigungslösungen gefunden werden. Moore sollten nach Ansicht von Dr. Annette Freibauer komplett in die Klimabilanzen eingehen, um Gelder auch über CO2-Zertifikate und Anrechnungsregeln zu bekommen.