"Man geht die Straße runter vom Brandenburger Tor, sozusagen das militärische Triumphtor, man geht Unter den Linden, man geht über die Schlossbrücke und dann sieht man diesen Kunsttempel, dieses Pantheon ist so etwas wie eine erste "Befreiungshalle". Man stirbt für den Staat, aber wenn man "aufersteht" als "Grieche", sozusagen als "idealer Deutscher"- das kann man sich gar nicht verquer genug vorstellen, aber so ist es gedacht, sozusagen: vor dem Anblick der Kunst werden wir nicht zu "Deutschen", sondern wir werden zu Menschen, zu "humanen Wesen", wir aktivieren alle unsere Kräfte, das geht von Schiller bis zu Beuys: ein Mensch zu werden."
So beschreibt der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Peter- Klaus Schuster, den Weg auf die Museumsinsel als Apotheose eines "Kulturnation"- Empfindens, das seine Form im "Alten Museum" gefunden hatte, einst errichtet als Zeichen preußischen Bildungsstolzes und Staatsbewusstseins. Seine dem römischen Pantheon nachempfundene, von griechischen Skulpturen gesäumte Rotunde diente nun als Kulisse für die Annäherung an die Frage nach der Notwendigkeit einer Nationalkultur. Ein Begriff, der heutzutage kein hohes Ansehen mehr genießt.
"Ich frage, ob wir nicht, wenn wir so was dekritieren und sehen zugleich, dass in allen Teilen Europas es anders ist, ob wir da nicht wieder eine Art von deutschem Sonderweg gehen und genau die Chance verpassen, die mit dem Wunder der nationalen Vereinigung ja gegeben ist, nämlich die Gelassenheit, dass wir eine stinknormale europäische Nation werden. Die auch ein Verhältnis zu sich selber hat und es nicht verdrängt. Wie das aussehen kann, darüber muss man reden."
meinte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Zuvor hatte es auf die Frage "Wieviel Nationalkultur braucht der Mensch?" unterschiedliche Antworten gegeben. So verwies etwa die amerikanische Soziologin Saskia Sassen auf das Auseinanderfallen und die langsame Erosion der Nationalstaaten im Angesicht global organisierter Unternehmen. Wolfgang Thierse hingegen zeigte grade vor diesem Hintergrund Verständnis für ein wiederaufkeimendes Nationalgefühl, das auch die Möglichkeit zur kulturellen Identifikation böte:
"Ich sehe, dass es angesichts so vieler Veränderungen, in denen wir stecken, bei vielen Menschen ein Bedürfnis nach Zugehörigkeiten, nach Zuordnungen, nach Beheimatung gibt oder nach: nach menschlicher Sicherheit. Zuordnungen emotionale ideelle, moralische, religiöse, im weitesten Sinne des Wortes. Kulturelle Beheimatung. "
Allerdings stieß er mit dieser Haltung bei der Berliner Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel auf scharfen Widerspruch.
"Identitäten werden gebildet über Essgewohnheiten, Familienverhältnisse, Habitus, Affektregelung, Kleiderordnungen- ich erinnere nur an den Kopftuchstreit, Musikgewohnheiten, Mediengewohnheiten und ähnliches. Und dafür spielen heute Nationen keine wichtige Rolle, sondern Generationen, Sport, Kultur, Mediengewohnheiten und ähnliches."
Die Begriffe Nationalkultur und Kulturnation konnte Sigrid Weigel nur noch historisch definieren.
"Was die deutsche Geschichte betrifft, so ist Deutschland im 19. Jahrhundert eine klassische Kulturnation gewesen und zwar deshalb, weil Deutschland als verspätete Nation im politischen Sinne auf dem Felde der Kultur eine enorme Aktivität entfaltet hat, um eine homogene kulturelle Nation zu formieren, die sozusagen eine bessere Möglichkeitsbedingung zur Bildung einer politischen Einheit darstellte."
Auch der spanische Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler Ignacio Olmos warnte vor einer vermeintlichen "Normalität" im deutschen Umgang mit Worten wie Nation, Nationalkultur oder Nationalstolz, wie sie in Frankreich, Italien oder Großbritannien gepflegt würde.
"Ich habe eine gewisse Beziehung mit Deutschland seit 20 Jahren seit ich mich entschlossen habe, deutsch zu lernen, weil ich Philosophie studiert habe und deshalb wollte ich das in Originalsprache lernen. Und deshalb bin ich zum Goethe Institut in Madrid gegangen und was habe ich da gefunden: eine Ausstellung über Konzentrationslager. Und ich dachte, was ist das, wie kann das sein, das grade die über sich... und dann habe ich das verstanden: grade aus diese selbstkritische Vermögen ist das Deutschlandbild in der Welt viel besser geworden. "
Und er appellierte:
"Grade in der mangelnden Selbstsicherheit in Deutschland liegt die Stärke dieses Landes. "
Ganz anders empfand Mely Kiyak, deutsche Journalistin mit türkischem Migrantenhintergrund, die ihren positiven Gefühlen angesichts des in ihren Ohren "opulent" klingenden Begriffs "Nationalkultur" freien Lauf ließ. Für sie hat er den Beiklang: Demokratie und Meinungsfreiheit. Und so ermunterte sie zu einem entspannten Umgang mit einem im Hier und Jetzt verwurzelten Deutsch- Sein aufrief, das auch Raum hat für die Wahrnehmung der Kultur von Migranten, die sich in Deutschland zuhause fühlen möchten.
Damit war das kontroverse Potential des Kongresses auch schon beinahe erschöpft. Denn naturgemäß sprach sich keiner der eingeladenen Gäste für eine deutsche Nationalkultur aus, die auch nur im entferntesten nationalistische Anklänge hätte haben können. Es gab allerdings im weiteren Verlauf auch niemanden mehr, bei dem der Begriff "Nationalkultur" in Verbindung mit "deutsch" noch Anlass zu Empörung gegeben hätte. Nicht einmal die einst so emotional diskutierte "Leitkultur" wurde aus der Reservatenkammer der Geschichte gezogen. Und der Politikwissenschaftler Claus Leggewie meinte gar:
"Die deutsche Nationalkultur hat offenbar keine explosive, sprengende Wirkung mehr. Nationalkultur, so wie sie heute alle erklären ist eine, die Einverständnis erzeugt."
Die Frage nach dem typisch "deutschen Klang" in der Musik, gestellt bei einer Podiumsdiskussion in der der Museumsinsel benachbarten Friedrichswerderschen Kirche, animierte die Musikwissenschaftlerin Nike Wagner zu pragmatischen Gedanken über den Alltag des Goetheinstituts im Ausland. Die müssten sich wohl immer wieder mit solchen Dingen beschäftigen, um zu wissen, wie deutsche und europäische Kultur exportiert werden solle. Dann konstatierte sie:
"Das ist sehr legitim, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, und ich empfinde es sehr dankbar, dass das eine kulturelle Fiktion, ein Heimweh, eine Ideologie ist: es gibt ihn nicht, den "deutschen Klang", aber es gibt wunderbare deutsche Komponisten, es gibt wunderbare deutsche Lieder, aber jede nationale Abstempelung ist mir verständlicherweise aus der Geschichte sehr unangenehm, ich empfinde uns auf dem Weg zum Kosmopolitischen, zumindest in der Kultur, ..."
Der Musikbetrieb sei längst, und zum Glück, internationalisiert, so die Meinung auch des kanadischen Musikwissenschaftlers Jean- Jaques Nattiez und des deutschen Komponisten mit dem indischem Geburtsort und Namen Sandeep Bhagwati auf dem Podium. Zuletzt brach Nike Wagner doch noch eine Lanze- nicht für deutsche Kunst noch Klang, aber für deren Präsentation und Verwaltung.
"Ich würde sagen, das besondere am Deutschen ist die Institutionsionalisierung der Kunst. Hier haben die Komponisten Foren gefunden, Plattformen gefunden, auch das Publikum gefunden. Das ist doch ganz anders als beispielsweise in Amerika wo sie mehr oder weniger als "University"- Composers in Anführungszeichen "verkommen", aber eben nicht gehört werden. Deswegen kommen sie ja auch nach Deutschland. Denken sie an unsere Orchester, an unsere Rundfunkhäuser, an unsere Museen. Das können wir uns schon wirklich an den Hut stecken. "
Als vorsichtiger Fürsprecher einer europäischen Kulturidentität und ihrer reichhaltigen Schätze erwies sich der niederländische Regisseur und zukünftige Intendant der Münchner Kammerspiele Johan Simons, der für eine intensivere Beschäftigung mit diesem Thema in der zeitgenössischen Kunst warb. Der Blick nach Osteuropa und Russland zeigte jedoch, wie schnell der Ruf nach nationaler Identität in Ausgrenzung von Minderheiten münden kann. So berichtete der russische Philosoph Michail Ryklin:
"Grade diese Unzufriedenheit und diese schmerzhafte sowjetische Vergangenheit bleibt unbewältigt und auch politisch manipulierbar. Und darin sehe ich eine große Gefahr, weil dann handelt es nicht nur um irgendwelche Widerstand gegen irgendwelche kulturelle Einflüsse, die für fremd gehalten werden. Aber es handelt dann um Stigmatisierung der Anderen. Und um die Errichtung neuer Grenzen."
Der europäische Blick auf die eigene Identität speist sich, so ein Fazit der Tagung, vor allem aus Erinnerungen und Reminizenzen, mal mehr mal weniger selbstkritisch, ironisch und abgeklärt, immer politisch korrekt und nie unterhalb der Oberfläche gründelnd. Dagegen fiel auf, wie neugierig und zuversichtlich vier Wissenschaftlerinnen aus vier asiatischen Ländern, - China, Japan, Philippinen und Bangladesh- die Bildung eines neuen Nationalgefühls in ihren Staaten, trotz aller real existierenden Schwierigkeiten beschrieben und als wie prominent die Rolle der Kultur dabei eingeschätzt wurde. Verena Blechner- Talcott, Japanologin der Freien Universität Berlin:
"Wichtig ist die Zivilgesellschaft, sind Gruppen im Internet, sind Blocks, sind die neuen Medien, sind aber auch Marktkräfte. Der Markt ist eine ganz wesentliche Triebkraft in der Entwicklung einer gemeinsamen regionalen Identität, was soweit geht, dass eben auch davon gesprochen werden kann, dass Dinge, die Dinge, die wir erst als Elemente einer nationalen regionalen Kultur sehen- zum Beispiel japanische Comics, Mangas- nach und nach ihr "Japanisch- Sein" verlieren und so von einem zwar originären und regionalen, aber nach und nach globalisierten Produkt entwickelt haben. "
Vielleicht ist die Diskussion um Nationalkultur und Kulturnation auch weniger eine Frage der Herkunft als vielmehr eine Frage des Alters und der Generationenzugehörigkeit. Und vielleicht wird es grade da einen Paradigmenwechsel geben, wie der blick in den fernen Osten zeigt:
"Es bildet sich eine Art "Globale Klasse" heraus, für die die nationale Identität nicht mehr die einzige ist, sondern eine von vielen multiplen Identitäten, wobei wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in Asien die Bevölkerung im Durchschnitt sehr viel jünger ist, so dass auch Berührungsängste mit Markt und Populärkultur im Durchschnitt weniger groß sind als das in anderen Teilen der Welt der Fall ist."
So beschreibt der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Peter- Klaus Schuster, den Weg auf die Museumsinsel als Apotheose eines "Kulturnation"- Empfindens, das seine Form im "Alten Museum" gefunden hatte, einst errichtet als Zeichen preußischen Bildungsstolzes und Staatsbewusstseins. Seine dem römischen Pantheon nachempfundene, von griechischen Skulpturen gesäumte Rotunde diente nun als Kulisse für die Annäherung an die Frage nach der Notwendigkeit einer Nationalkultur. Ein Begriff, der heutzutage kein hohes Ansehen mehr genießt.
"Ich frage, ob wir nicht, wenn wir so was dekritieren und sehen zugleich, dass in allen Teilen Europas es anders ist, ob wir da nicht wieder eine Art von deutschem Sonderweg gehen und genau die Chance verpassen, die mit dem Wunder der nationalen Vereinigung ja gegeben ist, nämlich die Gelassenheit, dass wir eine stinknormale europäische Nation werden. Die auch ein Verhältnis zu sich selber hat und es nicht verdrängt. Wie das aussehen kann, darüber muss man reden."
meinte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. Zuvor hatte es auf die Frage "Wieviel Nationalkultur braucht der Mensch?" unterschiedliche Antworten gegeben. So verwies etwa die amerikanische Soziologin Saskia Sassen auf das Auseinanderfallen und die langsame Erosion der Nationalstaaten im Angesicht global organisierter Unternehmen. Wolfgang Thierse hingegen zeigte grade vor diesem Hintergrund Verständnis für ein wiederaufkeimendes Nationalgefühl, das auch die Möglichkeit zur kulturellen Identifikation böte:
"Ich sehe, dass es angesichts so vieler Veränderungen, in denen wir stecken, bei vielen Menschen ein Bedürfnis nach Zugehörigkeiten, nach Zuordnungen, nach Beheimatung gibt oder nach: nach menschlicher Sicherheit. Zuordnungen emotionale ideelle, moralische, religiöse, im weitesten Sinne des Wortes. Kulturelle Beheimatung. "
Allerdings stieß er mit dieser Haltung bei der Berliner Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel auf scharfen Widerspruch.
"Identitäten werden gebildet über Essgewohnheiten, Familienverhältnisse, Habitus, Affektregelung, Kleiderordnungen- ich erinnere nur an den Kopftuchstreit, Musikgewohnheiten, Mediengewohnheiten und ähnliches. Und dafür spielen heute Nationen keine wichtige Rolle, sondern Generationen, Sport, Kultur, Mediengewohnheiten und ähnliches."
Die Begriffe Nationalkultur und Kulturnation konnte Sigrid Weigel nur noch historisch definieren.
"Was die deutsche Geschichte betrifft, so ist Deutschland im 19. Jahrhundert eine klassische Kulturnation gewesen und zwar deshalb, weil Deutschland als verspätete Nation im politischen Sinne auf dem Felde der Kultur eine enorme Aktivität entfaltet hat, um eine homogene kulturelle Nation zu formieren, die sozusagen eine bessere Möglichkeitsbedingung zur Bildung einer politischen Einheit darstellte."
Auch der spanische Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler Ignacio Olmos warnte vor einer vermeintlichen "Normalität" im deutschen Umgang mit Worten wie Nation, Nationalkultur oder Nationalstolz, wie sie in Frankreich, Italien oder Großbritannien gepflegt würde.
"Ich habe eine gewisse Beziehung mit Deutschland seit 20 Jahren seit ich mich entschlossen habe, deutsch zu lernen, weil ich Philosophie studiert habe und deshalb wollte ich das in Originalsprache lernen. Und deshalb bin ich zum Goethe Institut in Madrid gegangen und was habe ich da gefunden: eine Ausstellung über Konzentrationslager. Und ich dachte, was ist das, wie kann das sein, das grade die über sich... und dann habe ich das verstanden: grade aus diese selbstkritische Vermögen ist das Deutschlandbild in der Welt viel besser geworden. "
Und er appellierte:
"Grade in der mangelnden Selbstsicherheit in Deutschland liegt die Stärke dieses Landes. "
Ganz anders empfand Mely Kiyak, deutsche Journalistin mit türkischem Migrantenhintergrund, die ihren positiven Gefühlen angesichts des in ihren Ohren "opulent" klingenden Begriffs "Nationalkultur" freien Lauf ließ. Für sie hat er den Beiklang: Demokratie und Meinungsfreiheit. Und so ermunterte sie zu einem entspannten Umgang mit einem im Hier und Jetzt verwurzelten Deutsch- Sein aufrief, das auch Raum hat für die Wahrnehmung der Kultur von Migranten, die sich in Deutschland zuhause fühlen möchten.
Damit war das kontroverse Potential des Kongresses auch schon beinahe erschöpft. Denn naturgemäß sprach sich keiner der eingeladenen Gäste für eine deutsche Nationalkultur aus, die auch nur im entferntesten nationalistische Anklänge hätte haben können. Es gab allerdings im weiteren Verlauf auch niemanden mehr, bei dem der Begriff "Nationalkultur" in Verbindung mit "deutsch" noch Anlass zu Empörung gegeben hätte. Nicht einmal die einst so emotional diskutierte "Leitkultur" wurde aus der Reservatenkammer der Geschichte gezogen. Und der Politikwissenschaftler Claus Leggewie meinte gar:
"Die deutsche Nationalkultur hat offenbar keine explosive, sprengende Wirkung mehr. Nationalkultur, so wie sie heute alle erklären ist eine, die Einverständnis erzeugt."
Die Frage nach dem typisch "deutschen Klang" in der Musik, gestellt bei einer Podiumsdiskussion in der der Museumsinsel benachbarten Friedrichswerderschen Kirche, animierte die Musikwissenschaftlerin Nike Wagner zu pragmatischen Gedanken über den Alltag des Goetheinstituts im Ausland. Die müssten sich wohl immer wieder mit solchen Dingen beschäftigen, um zu wissen, wie deutsche und europäische Kultur exportiert werden solle. Dann konstatierte sie:
"Das ist sehr legitim, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, und ich empfinde es sehr dankbar, dass das eine kulturelle Fiktion, ein Heimweh, eine Ideologie ist: es gibt ihn nicht, den "deutschen Klang", aber es gibt wunderbare deutsche Komponisten, es gibt wunderbare deutsche Lieder, aber jede nationale Abstempelung ist mir verständlicherweise aus der Geschichte sehr unangenehm, ich empfinde uns auf dem Weg zum Kosmopolitischen, zumindest in der Kultur, ..."
Der Musikbetrieb sei längst, und zum Glück, internationalisiert, so die Meinung auch des kanadischen Musikwissenschaftlers Jean- Jaques Nattiez und des deutschen Komponisten mit dem indischem Geburtsort und Namen Sandeep Bhagwati auf dem Podium. Zuletzt brach Nike Wagner doch noch eine Lanze- nicht für deutsche Kunst noch Klang, aber für deren Präsentation und Verwaltung.
"Ich würde sagen, das besondere am Deutschen ist die Institutionsionalisierung der Kunst. Hier haben die Komponisten Foren gefunden, Plattformen gefunden, auch das Publikum gefunden. Das ist doch ganz anders als beispielsweise in Amerika wo sie mehr oder weniger als "University"- Composers in Anführungszeichen "verkommen", aber eben nicht gehört werden. Deswegen kommen sie ja auch nach Deutschland. Denken sie an unsere Orchester, an unsere Rundfunkhäuser, an unsere Museen. Das können wir uns schon wirklich an den Hut stecken. "
Als vorsichtiger Fürsprecher einer europäischen Kulturidentität und ihrer reichhaltigen Schätze erwies sich der niederländische Regisseur und zukünftige Intendant der Münchner Kammerspiele Johan Simons, der für eine intensivere Beschäftigung mit diesem Thema in der zeitgenössischen Kunst warb. Der Blick nach Osteuropa und Russland zeigte jedoch, wie schnell der Ruf nach nationaler Identität in Ausgrenzung von Minderheiten münden kann. So berichtete der russische Philosoph Michail Ryklin:
"Grade diese Unzufriedenheit und diese schmerzhafte sowjetische Vergangenheit bleibt unbewältigt und auch politisch manipulierbar. Und darin sehe ich eine große Gefahr, weil dann handelt es nicht nur um irgendwelche Widerstand gegen irgendwelche kulturelle Einflüsse, die für fremd gehalten werden. Aber es handelt dann um Stigmatisierung der Anderen. Und um die Errichtung neuer Grenzen."
Der europäische Blick auf die eigene Identität speist sich, so ein Fazit der Tagung, vor allem aus Erinnerungen und Reminizenzen, mal mehr mal weniger selbstkritisch, ironisch und abgeklärt, immer politisch korrekt und nie unterhalb der Oberfläche gründelnd. Dagegen fiel auf, wie neugierig und zuversichtlich vier Wissenschaftlerinnen aus vier asiatischen Ländern, - China, Japan, Philippinen und Bangladesh- die Bildung eines neuen Nationalgefühls in ihren Staaten, trotz aller real existierenden Schwierigkeiten beschrieben und als wie prominent die Rolle der Kultur dabei eingeschätzt wurde. Verena Blechner- Talcott, Japanologin der Freien Universität Berlin:
"Wichtig ist die Zivilgesellschaft, sind Gruppen im Internet, sind Blocks, sind die neuen Medien, sind aber auch Marktkräfte. Der Markt ist eine ganz wesentliche Triebkraft in der Entwicklung einer gemeinsamen regionalen Identität, was soweit geht, dass eben auch davon gesprochen werden kann, dass Dinge, die Dinge, die wir erst als Elemente einer nationalen regionalen Kultur sehen- zum Beispiel japanische Comics, Mangas- nach und nach ihr "Japanisch- Sein" verlieren und so von einem zwar originären und regionalen, aber nach und nach globalisierten Produkt entwickelt haben. "
Vielleicht ist die Diskussion um Nationalkultur und Kulturnation auch weniger eine Frage der Herkunft als vielmehr eine Frage des Alters und der Generationenzugehörigkeit. Und vielleicht wird es grade da einen Paradigmenwechsel geben, wie der blick in den fernen Osten zeigt:
"Es bildet sich eine Art "Globale Klasse" heraus, für die die nationale Identität nicht mehr die einzige ist, sondern eine von vielen multiplen Identitäten, wobei wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in Asien die Bevölkerung im Durchschnitt sehr viel jünger ist, so dass auch Berührungsängste mit Markt und Populärkultur im Durchschnitt weniger groß sind als das in anderen Teilen der Welt der Fall ist."