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Wieviel Acrylamid verträgt der Verbraucher?

Die großen Lebensmittelskandale sind mehr oder weniger von der Presse zu Grabe getragen worden. Niemand mehr regt sich auf über BSE oder Schweinepest. Doch diese tatsächlichen Bedrohungen waren menschengemacht und konnten durch drastische Mittel zurückgedrängt werden. Eine Gefahr, von der niemand weiß wie bedrohlich sie wirklich ist, heißt Acrylamid. Und diese Gefahr besteht, seit die Menschheit gelernt hat ihre Nahrung mit Hitze genießbarer zu machen. Ob Bratkartoffeln in der eigenen Pfanne oder Chips aus der Tüte - alles enthält den Wirkstoff, der in Tierversuchen Krebs erzeugt hat. Heute hat der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, kurz BLL, in Bonn zu dem Thema Stellung genommen.

Von Dietrich Sondermann | 31.01.2003
    Die Meldungen über Acrylamid waren in den letzten Tagen so widersprüchlich wie zu sonst kaum einem Thema. Wo noch am Wochenanfang ein Krebsrisiko gemeldet wurde, das viel höher liege als bisher angenommen, hieß es am Mittwoch, dass wir Unmengen dieses Stoffes zu uns nehmen müssten um gefährdet zu sein. Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde in Bonn hält beides für unseriös. Weder Entwarnung noch Panikmache sei bei Acrylamid das Mittel der Wahl. Gemeinsam mit der Bundesregierung, den Ländern und den vielen Vertretern aus der Wirtschaftsindustrie haben die Lebensmittelrechtler einen anderen Weg eingeschlagen. Ihr Motto heißt Minimierung:

    Konkret bedeutet das, dass man versucht bei den Erzeugnissen, die besonders hoch belastet sind, durch Änderung von Zeit, Temperatur, einigen Prozessschritten die geändert werden, die Acylamidgehalte zu senken und erste Erfolge sind vielversprechend; die Werte sind zum Teil um 15 im Einzelfall bis zu 20 Prozent abgesenkt worden.

    Für Michael Welsch, den Geschäftsführer des BLL ist das aber nur ein erster Schritt bei der Gefahrenminimierung durch diesen Stoff. Die Verbände und Firmen, die im BLL organisiert sind - und das sind fast alle, die sich in Deutschland mit Nahrung befassen - haben eigene Forschungen in Auftrag gegeben.

    Das Projekt, das wir beauftragt haben, was seit Monaten schon läuft wird dazu führen, dass die Analytik, also das Aufspüren und das Bestimmen von Acrylamidgehalten schneller geht, einfacher geht und vor allem auch kostengünstiger als bisher. Die Forschung ist begleitend zu den praktischen Schritten, die die Wirtschaft unternimmt.

    Die Ergebnisse dieser Untersuchungen teilt der BLL auch anderen Gremien mit. Dazu hat das Ministerium für Verbraucherschutz einen runden Tisch eingerichtet. Dort berichten die verschiedenen Institutionen, die mit Lebensmitteln zu tun haben, auf welchem Wissenstand sie derzeit sind.

    Das führt sehr viel schneller zu Ergebnissen, als wenn jeder für sich selbst macht. Die erste Runde der Branchengespräche ist vor wenigen Tagen abgeschlossen worden; sie wird wiederholt in etwa drei bis vier Monaten um dann zu sehen, wie weit ist man dann. Wir hoffen, dass dann erhebliche Schritte zu vermelden sind, also weitere Minimierungen der Gehalte.

    Und das ist dringend notwendig. Die Versuche die auf die Gefahren des Stoffes aufmerksam gemacht haben, sind alarmierend.

    Vom Mammakarzinom bis zum Hodenkrebs war bei den Tieren eigentlich alles dabei was so an Krebsarten vorkommt. Wie weit das auf den Menschen übertragbar ist, kann heute seriöserweise niemand beurteilen, aber Vorsicht ist geboten und dem wird die Lebensmittelwirtschaft in ihrer Verantwortung gerecht.

    Deshalb heißt das Motto der Lebensmittelexperten nach wie vor: Vergolden nicht verkohlen.

    Nicht mehr so heiß, die Fritten nicht mehr so dunkel; die Bratkartoffeln nicht mehr so dunkel; damit können Sie eine ganze Menge im häuslichen Bereich machen. Das ist kein Riesenaufwand aber ein Riesenbeitrag zur Verringerung der Gehalte.

    Ob mit diesen Maßnahmen das Risiko durch stark erhitzte Speisen und damit Acrylamid gemindert oder gar ganz ausgeschaltet werden kann ist bislang allerdings auch völlig unklar.

    Es geht niemand, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, davon aus, dass uns das Thema Acrylamid und seine verschiedenen Schlagzeilen in den nächsten Wochen und Monaten verlassen wird. In diesem Bereich, das ist auch eine internationale Auffassung, sind schnelle und einfache Wege nicht zu erwarten.