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Wikinger-Kultur
Komplizierte Identifizierung der Sklaven

Archäologie. - Zur Kultur der skandinavischen Wikinger gehörten auch Sklaven. Mal wurden sie bei Raubzügen verschleppt, mal waren es einheimische Verbrecher, die so einen Frevel verbüßten. Um die Bedeutung der Sklaven für die Wikinger-Gesellschaft abzuschätzen, müssen Historiker erst einmal wissen, wer in den untersuchten Gräbern versklavt und wer frei war. Keine leichte Aufgabe, wie eine schwedische Archäologin auf der 20. Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Archäologie in Istanbul berichtet.

Von Michael Stang | 12.09.2014
    Während der Wikingerzeit und des frühen Mittelalters war der Sklavenhandel eine tragende Säule des Wirtschaftssystems in Skandinavien. Doch was viele als gegeben hinnehmen, ist gar nicht so einfach zu beweisen, sagt Anna Kjellström von der Universität in Stockholm. Denn Sklave ist nicht gleich Sklave.
    "Beim Wort Sklave hat man immer gleich eine Person in Ketten vor Augen, aber das ist nicht die ganze Geschichte, es ist viel komplizierter."
    Es gab zahlreiche soziale Abstufungen: vom Galeerensklaven, über den Knecht bis hin zum gut ausgebildeten und loyalen Diener. Nur eines hatten diese Menschen gemeinsam, sie konnten nicht über ihr Leben selbst bestimmen, sondern gehörten einer anderen Person. Die Archäologin bevorzugt daher den Begriff "unfrei".
    "I think, unfree is good."
    Sklaven lassen sich nur schwer identifizieren
    Nur wenige wissenschaftliche Quellen befassen sich mit dem Leben der Unfreien, schriftliche Beweise sind Mangelware. Aber auch die archäologischen Belege sind rar. Denn nur selten erhielten diese Menschen nach ihrem Ableben eine Bestattung; viele wurden vermutlich nur verscharrt oder ins Wasser geworfen. Aber woher weiß man, dass es sich bei einem Toten tatsächlich um einen Sklaven handelt?
    "Man kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass diese eine Person ein Sklave war. Wenn wir aber verschiedene Gräber und Hinweise haben, und eine Person hingerichtet wurde und es dann bestimmte Liegepositionen gibt, ist es wahrscheinlicher, dass es sich um einen Sklaven handelt."
    So etwa bei dem berühmten Grab des so genannten "Elch-Mannes" aus Birka, dessen Skelett mit Elchgeweihen geschmückt war und neben ihm bestattet lag ein geköpfter Diener oder Sklave. Weitere direkte Hinweise waren gefesselte Tote, aber hier könnte es sich auch um Straftäter handeln, die exekutiert wurden. In den vergangen Jahren haben vor allem in den USA genetische Analysen gezeigt, dass man die Herkunft der dortigen Sklaven im Labor bestimmen kann. Während in Amerika die Sklaven aber meist aus Afrika stammten und diese sich genetisch von ihrem Master deutlich unterschieden, waren jene Unfreie in Skandinavien nicht automatisch Fremde, so Anna Kjellström.
    "Während der Wikingerzeit und im frühen Mittelalter gab es auch die Möglichkeit, Sklave zu werden, um damit eine Strafe zu verbüßen, etwa für einen Mord. Es muss sich bei einem Sklaven also auch nicht immer um jemanden von außerhalb handeln. Das verkompliziert das alles natürlich."
    Suche nach naturwissenschaftlichen Kriterien
    Bleiben die Untersuchungen mithilfe stabiler Isotope, die Hinweise auf die Ernährung eines Menschen geben, sowohl auf die Ernährung in den Wochen vor dem Tod als auch über die Nahrung in der Kindheit. Die schwedische Archäologin hat bei mehreren Skeletten aus Grimsta diese Untersuchungen gemacht: einige Tote stammten aus einem Familiengrab, die anderen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit Sklaven. Der Hintergedanke war, dass man die Sklaven daran erkennen kann, dass sie a) weniger ausgewogene Nahrung bekommen hatten und b) es eine große Veränderung im Nahrungsplan gegeben haben muss, da die Ernährung vor der Versklavung anders gewesen war. Aber auch hier fand Anna Kjellström keine eindeutige Gleichung, die man beliebig bei anderen Gräbern anlegen könnte. Neue Hinweise könnten nun Zähne geben. Die Forscherin hat bei einigen Toten Manipulationen an Zähnen entdeckt, Muster oder sehr gerade Linien, die absichtlich gefeilt wurden.
    "Wir haben mehrere Beispiele für diese Manipulationen an den Zähnen, sowohl in Birka als auch in Stigtuna und einigen anderen Gräbern. Wir wissen noch nicht, weshalb sie da sind und ob sie eine Funktion haben. Ich vermute, dass sie eine Art Initiationsmerkmal darstellen, etwa wie ein Schmiss."
    Ob dieses offensichtliche Zeichen einer Zugehörigkeit tatsächlich eine Art Sklaven-Stempel war, bleibt abzuwarten. Klar ist nur, dass man sich der Antwort auf die Frage, ob es sich bei einem Skelett um die sterblichen Überreste eines Sklaven handeln könnte, nur in Kombination mit vielen Methoden nähern kann.