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Wildnis um Wien

In der Auen-Landschaft gab es immer schon Wildwuchs – die Donau konnte und wollte nie in ihrem Bett bleiben: mit der Kraft des Hochwassers grub sie Seitenarme in die Landschaft, überschwemmte Wiesen und Felder. Das konnte auch die Donauregulierung nicht vollständig verhindern: um die Anwohner vor Überschwemmungen zu schützen und um die Schifffahrt zu fördern, hatte man die Ufer mit großen Bruchsteinen befestigt, eine gewaltige technische Leistung des 19. Jahrhunderts.

Eine Sendung von Antonia Kreppel, Moderation: Simonetta Dibbern |
    Doch bei Pegelschwankungen von bis zu sieben Metern werden die ufernahen Wälder trotzdem immer wieder zu Wasserwäldern. Die Überflutungen bringen düngenden Schlamm, reichern das Grundwasser an und schaffen durch Anlandung immer neue Lebensräume. Die Donau-Auen mit dem breiten Donaustrom, mit dichten Auwäldern und Altarmen, mit Sandbänken, Uferabbrüchen, Feuchtwiesen und trockene Schotterflächen ist eine der letzten und größten Auenlandschaften Mitteleuropas.

    Seit 20 Jahren kämpfen Umweltschützer und Auenökologen, dass dieses Stück Wildnis erhalten bleibt. Und weiter wuchern kann.

    Expedition durch den Auendschungel
    Uli Eichelmann, Auenökologe des WWF Österreich, über die Artenvielfalt einer einzigartigen Landschaft


    Winter in der Au. Auf der Traverse, dem querliegenden Altarmübergang, weht ein eisiger Wind. Russische Saatkrähen bevölkern die Pappeln und Silberweiden in der Haslauer Au ca. 25 Kilometer östlich von Wien. Die Altarme sind zugefroren.

    Uli Eichelmann zieht die wattierte Jacke über dem Sakko enger zusammen und steuert flink wie ein Wiesel über die spiegelglatte Traverse auf die Donau zu. Hier, an diesem 21 Kilometer langen Gewässernetz, hat für den Wasserökologen damals alles angefangen – 1987 bei einem Studienaufenthalt in Wien.

    "Dann hab ich ein Praktikum bei der Nationalparkplanung Donauauen gemacht, da lernst du die Leute kennen und schätzen, dann hab ich auch Wien kennengelernt, und hab mich dann quasi auch in die Donau verliebt. Und hab dann 1990 hier meine Diplomarbeit gemacht an der Donau, bin immer mit dem Boot insgesamt 600 Stunden in den Auen rumgepaddelt und hab bestimmte Vogelarten untersucht und Hochwasserdynamik und bin dann auch 1990 im Dezember zum WWF gegangen und war damals genau für dieses Gebiet fürs Management zuständig. Das war mein erster Job. "

    Wasser bestimmt den Rhythmus der Au, den Wechsel von Stillstand und Bewegung; Vielfalt auf engstem Raum ist ihr Überlebensprinzip, zu allen Jahreszeiten.

    "Das Einmalige ist, dass es einen großen Wald noch gibt, der regelmässig überflutet wird. Also Au kommt aus dem Mitteldeutschen und heißt Wasser und Auwald ist demzufolge Wasserwald."

    Seltene Tierarten wie Einaugkrebs, Kupferglucke, Mondfleck, Nadelskorpion, Taumelkäfer, und Zünsler; phantastisch klingende Pflanzen wie Blutweiderich, Taumel-Kälberkropf, Dorn-Hohlzaun und Wald-Hexenkraut beleben die Au. Wissenschaftler sprechen ganz prosaisch von einem ungeheuren Genpool, einer Biomassekonzentration, vergleichbar mit dem tropischen Regenwald. Aber die Au ist auch Trinkwasserreservoir und Luftbefeuchter hier im Osten von Wien. Die Grundwasserdynamik sorgt für Durchlüftung des Bodens und üppiges Wachstum.

    "Das typische ist der Wechsel, nix bleibt wie es war und nix bleibt lange so wie es war. Das ist der Unterschied zu andern Lebensräumen. "

    Der reiche Wechsel von Vegetationsbeständen wie knorrige Eichen und silbrige Weiden, von Gewässern und Heissländen – der afrikanischen Savanne gleich - , locken die Wiener in Scharen in die Au, im Winter und vor allem im Sommer. Sonnenbaden, wandern, radfahren auf gelenkten Nationalparkwegen. Steine sammeln: Quarze, Kalke und zuweilen Granate aus den Alpen spült die Donau an ihre Auränder. Bärlauch pflücken und Biber schaun.

    Ab und zu hält Uli Eichelmann Nachschau in seinem früheren Arbeitsrevier Haslau, geht auf einen Sprung bei Fischer Viktor Albrecht und seiner Frau Ernestine vorbei. Direkt vor dem Wohnzimmerfenster ihres Hauses oberhalb der Traverse treiben die Biber ihr munteres Spiel.

    "Ernestine: Da san zwa Rutschen und die san über die Traversen sans ummigerutscht..
    Uli: ...des is eine Familie...
    Viktor: ...i glaub da san a paar Familien..."

    Vor 15 Jahren, in der heißen Phase der Vorbereitungen auf die Altarmöffnung, haben sie viele gemeinsamen Stunden am Stammtisch verbracht: Der frischgebackene Diplomingenieur aus der Nähe von Paderborn und die Fischer und Jäger aus der Au. Was woass den der Piefke, was weiss den dieser Deutsche, fragten sich damals viele Haslauer. Skepsis war angesagt.

    "Da war er noch jung, da hat er noch Hosen und Gilet in einem tragen, heut is er schon a Mann."

    Zeit, Bilanz zu ziehen. Der Auwald verjüngt sich wieder von selbst. Der Treppelweg ist abgesenkt und ein neuer Durchlass vernetzt Altarm und Donau stärker miteinander; Autümpel, Laken, werden besser durchströmt. Allerdings bleibt nach jedem Hochwasser mehr Schotter – Geschiebe der Donau – liegen.

    "Na, des mit dem Durchlass, mit dem neuchen, i was net, sie ham gesagt des wird gut, des wird leiwand, a Pilotprojekt. Nach meiner Ansicht nach is des nix. Wann wir noch a paarmal Hochwasser haben, in 20 Jahren hast ka Laken nimmer."

    Der Blick aus dem Wohnzimmerfenster bestätigt es: Ein Schotterhaufen türmt sich am niedrigen Gewässer.

    "V.Albrecht: Des is wie in der Wüsten, eine Düne, also so viel Schotter, und der geht nit mehr aussi, der bleibt alle herin...

    Aber die Konsequenz aus dem ist, dass es zu wenig war an Öffnungen, also wenn, da musst du die Donau ganz aufmachen, dass des rausbläst wieder. Eines ist klar, dass an der Donau in diesem Abschnitt deutlich größere Öffnungsprojekte kommen müssen und kommen werden, weil des is Nationalpark.
    V. Albrecht: Wann kommen die, in 10 Jahr, in 15 Jahr? Es is noch nix beschlossen.
    U.Eichelmann: Aber du wirst das noch erleben, des is sicher, außer du stirbst vorher (lachen)."

    Uli Eichelmann hat es gelernt, heikle Geschichten mit Schmäh anzupacken; die blauen Augen blitzen eigenwillig. Der Kormoran ist sein Lieblingstier: ein Au-Raubvogel mit rasiermesserscharfem Biss. Manche Dinge, die im Nationalpark passieren, finden nicht seine Zustimmung; der geplante Tunnelbau zum Beispiel. Gerade in der Lobau, im Wiener Teil des Nationalparks, den über eine Million Grosstädter nutzen, ist die Au in Gefahr. Die Südostumfahrung von Wien soll per Tunnel mitten durch die Lobau geführt werden.

    "Diese Grosstadtnähe ist einerseits toll, weil du viele Leute hast die sowas auch sehen können, und die Wiener wollten auch den Nationalpark. Andererseits ist es genau die Stadt Wien, die erstens ein Kraftwerk gebaut hat, Freudenau; zweitens jetzt die Lobau auch noch einmal durchschneiden wollen mit diesem Tunnel und drittens dieses Hochwasserschutzprojekt nicht machen wollen, diese Idee, die untere Lobau anzubinden an den Wasserhaushalt. Stattdessen wollen sie die Hochwasserdämme erhöhen und verbreitern. Dann musst sagen, na hearst, ihr machts alles, ihr nutzt des unheimlich intensiv, also es ist eine zweischneidige Geschichte."

    Draußen legt sich der Abend über den Auenwald. Immer mehr Krähen baumen auf; Wintergäste aus Russland wie der Seeadler, Uli Eichelmanns spezieller Freund; übrigens Österreichs Wappentier. Das Arbeitsfeld des Auen-Ökologen hat sich inzwischen donauabwärts Richtung Rumänien, Bulgarien und nordwärts, Richtung Brüssel verlagert. Der österreichische Staat -Wasserbau und Schiffahrt - möchte die Donau zwischen Wien und Bratislava vertiefen und lockt als Ausgleich mit grosszügiger Finanzierung von Renaturalisierungsarbeiten. Durchs Weitwinkel-objektiv betrachtet ein ökologisch bedrohliches Szenario für die gesamte Donau.

    "Ich als WWF möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass in Deutschland dann doch ein Stau gebaut werden muss und ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass in Ungarn, Kroatien und Serbien und weiter runter Bulgarien, Rumänien dann immer tiefer ausgebaut wird, weil hier ist ja plötzlich eine neue Tiefe, die es nirgends wo jetzt garantiert an der Donau gibt, erstmalig festgelegt . Und das ist ein erster Dominostein. Und den kann man so nicht akzeptieren finde ich weil die Gefahr ist einfach zu gross, dass die Schädigung der Natur Donau, der Lebensader Donau, damit seinen Anfang findet."

    Die Donau. Der zweitlängste Fluss Europas und der einzige, der von West nach Ost fließt. Von dort, vom Kaspischen Meer aus, kamen die Römer, sie waren es, die dem Strom seinen Namen gegeben haben: Danubius, nach einem römischen Flußgott.

    Nicht einen Gott, sondern eine Wasser-Göttin hat der österreichische Schriftsteller Ernst Molden in den Donau-Gründen angesiedelt. In seinem phantastischen Roman "Austreiben" rächt sich die Donau-Nymphe Agua für den Raubbau an der Lobau. Ihre Waffe ist der Trieb. Als nackte Schönheit mit grünen Augen verführt sie Männer wie Frauen im Auenwald – um dann während des Liebesakts als böser Geist in sie zu fahren, die dann ihren Befehlen gemäß Amok laufen gegen Politiker, stumpfe Patriarchen und Umweltverschandler.



    In die Lobau, heute Wiens romantisches Naherholungsgebiet, zogen früher vor allem Träumer, Aussteiger, Visionäre und Pioniere. Der Auenprediger WaLuLiSo etwa, der als streitbarer Friedensapostel durch die Au wanderte, mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf. Oder Peter Waller, ehemaliger Oberleutnant der k&k-Armee, der 1924 auf einer Auenwiese ein Bretteldorf gründete für Wiener Arbeits- und Obdachlose, mit eigener Geheimsprache aus germanischen, slawischen und romanischen Wortkürzeln und: mit missionarischem Auftrag. Seine Wardanieri sollten als Bogos für das Parketum Hewo kämpfen, eine Art irdisches Gottesreich.
    Das Lobau-Museum erzählt nicht nur die verrückten Geschichten der Au, sondern erinnert auch an die historischen Fakten: an die Kämpfe zwischen den Österreichern und Napoleon. Vor allem aber ist das kleine Museum am Rande von Wien ein Dorado für junge und alte Naturliebhaber.



    Reportage 2:
    Auf den Spuren des Franz von Assisi
    Der Pazifist und Aupionier Anton Klein und sein Lobaumuseum


    "
    Klein: Aufmerksamkeit bitte, hallo, hallo, das was ich jetzt sage, ist wichtig für euch, hallo, hierher schauen. Seht's ihr, hier ist der Franz von Assissi abgebildet, habt ihr schon was gehört von Franz von Assissi...wisst ihr wer das war?
    Kinder: Ja, ein Kaiser
    Klein: Ja, ein Kaiser ganz besonderer Art, ein ganz besonderer Kaiser, der hat uns nämlich gesagt dass die Pflanzen und Tiere unsere Schwestern und Brüder sind...."

    Anton Klein winkt und deutet aufgeregt mit den Händen; immer am Wochenende führt der rüstige 81jährige Aupionier durch sein Lebenswerk; eine eigenartige, teils skurrile Sammlung von Präparaten – die fast gesamte ausgestopfte Vogelwelt der Au, Kinderzeichnungen, Zeitungsausschnitte und Fotos. Diese Mahn- und Gedenkstelle trägt die Handschrift eines leidenschaftlichen Naturschützers. Recycling ist oberstes Gebot: Alte Fenster dienen als Vitrinen; Pappkartons als Schautafeln. In drei Aquarien schwimmen Aufische. Vor mehr als 30 Jahren hat er das Museum gegründet, um die stadtnahen Auen zu retten.

    "Man hat die ganze Lobau zum Industriegebiet erklären wollen, um hier die ganze Erdölindustrie und die Zubringerfirmen ansiedeln zu können. Und dann war noch gedacht zwei Autobahnen in einem riesigen Knotenpunkt durch die Lobau zu leiten und eine Schnellstrasse. Das war bereits im Bundesstrassengesetz gesetzlich verankert. Und so haben damals Hunderttausende den von mir hergestellten Aufruf unterzeichnet. Und durch diese 100.000 Unterschriften ist auch Wiens damaliger Bürgermeister einsichtig geworden und das Wunder geschah. Man hat die Lobau zum Naturschutzgebiet erklärt. "

    Ein Exponat in Anton Kleins Natur-Museum zeugt von der regen Öffentlichkeitsarbeit des Leiters: eine alte Vervielfältigungsmaschine, die er, wie auf einem Zettel zu lesen ist, für 4000 Schilling – also ca. 285 Euro – erworben hat. Inzwischen ist aus dem Naturschutzgebiet ein Nationalpark geworden; und statt einer Strasse ist jetzt ein Tunnel geplant. Und wieder hat Anton Klein Unterschriften gesammelt. Rettet die Lobau, Akt zwei.

    "Kind: Gibt es in der Lobau auch Störche?
    Klein: Es kommen auch Störche hierher aber leider Gottes nicht mehr so viel wie früher, denn die Frösche, die Kröten, die Nahrung dieser Tiere wird immer wenige, weil immer weniger Wasser hier ist ...."

    Wasser ist Anton Kleins Lebenselement. Der ehemalige Polizist ist im 3.Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen, unweit der Donau. Das Überschwemmungsgebiet der Lobau, das war sein Robinsonland.

    "Da durften meine Eltern nichts davon wissen, die wären vor Schreck gestorben. Da habe ich es gewagt, vom 3.Bezirk aus über die Donau hinüberzuschwimmen in die Lobau. Das war so 1930, 1932. Da musste man noch Eintritt zahlen, wenn man in die Lobau gekommen ist. Und das ist bei mir dann richtig zum Ausbruch gekommen, wie ich dann die Donau immer schwimmend erlebt hab von Wien abwärts bis zur Staatsgrenze, das sind ca 40 km da runter, die bin ich immer wieder gern geschwommen. "

    "Klein: Was hab ich gesagt was wichtig ist, was ist die Sonne?
    Kinder: Die Tankstelle des Lebens.
    Klein: Und was sind die grünen Teile der Pflanzen?
    Kinder: Die Autos, die Motorräder...."

    Anton Klein sieht sich als Diener der Natur; Worte wie Ehrfurcht sind ihm heilig. Seid gut zu denen, die anders sind - dieser Satz des böhmischen Schriftstellers Alois Sonnleithner ist zum Leitspruch Anton Kleins geworden. Evolution bedeutet Vielfalt, und die will er schützen. An seinem Steckenpferd, dem Lobaumuseum, hält er eisern fest. Das Steckenpferd, zitiert er einen ehemaligen Wiener Burgtheaterdirektor, ist ein Pferd, das es seinem Reiter ermöglicht, sich über alle Abgründe die das Leben entgegenstellt, hinwegzusetzen.

    Sein alltägliches Gefährt ist der Drahtesel. Wenn er am Abend das Museum schliesst, steigt er auf sein Fahrrad und fährt fünfundfreissig Kilometer donauabwärts bis zu seinem Haus in der Stopfenreuther Au; seit kurzem mit einem Handy ausgestattet; zu einsam ist die Strecke.

    Dazwischen pflegt er noch ein zweites Steckenpferd.

    "Herrlich, herrlichst, ein Märchen gell; im Winter, wenn ich aus dem Wasser aussisteig - natürlich bleib ich nicht solang drinnen - gleich aus dem Nassen ins Gewand rein, und sofort ist das Wärmegefühl da."

    Im Donau-Oder-Kanal – ein Torso aus der Hitlerzeit – schwimmt er mit dem Sonnenbarsch um die Wette; ein Zuwanderer aus Nordamerika, den er selbst nachgezüchtet und ausgesetzt hat.

    "Na und da hupf ich a bisserl eini, schwimm a bisserl, und dann mach ich sehr viel zur Erwärmung, da wird mir dann eh wieder haas. Und das kann ich mir nicht abgewöhnen und will es mir auch nicht abgewöhnen, weil es mir immer gefallen hat.
    ATMO: Wellen/Vogelstimmencollage Wintervögel."

    Die Donau-Auen mit ihrer Artenvielfalt sind ein Biotop. Und ein Refugium für gestresste Großstädter, das diese sich selber erkämpft haben: Anfang der 80er Jahre, als in Hainburg ein Wasserkraftwerk gebaut, das allerletzte Stück frei fließender Donau zur Energiegewinnung aufgestaut werden sollte, gingen mehrere tausend Menschen in die Hainburger Au und besetzten sie, Tag und Nacht. Eine spektakuläre Aktion des Widerstands und zugleich die Geburtsstunde der österreichischen Grünen Partei. Ein Volksbegehren mit 350.000 Unterschriften ließ die Baupläne noch nicht verschwinden – doch im Dezember 1989 hatte der WWF Österreich genügend Spendengelder gesammelt, um das bedrohte Auenband bei Hainburg aufzukaufen.

    Mit der Ausweisung des Gebietes als Nationalpark vor 10 Jahren wurden nicht nur Schutz und Erhalt der Auenlandschaft gesetzlich festgelegt – es wurden auch Maßnahmen zur Renaturierung beschlossen. So sollen etwa Altarme, die durch die Donauregulierung im 19. Jahrhundert vom Hauptstrom abgeschnitten wurden, wieder geöffnet werden. Und die frühere Fehlbeforstung durch schnellwachsende Hybridpappeln wird behutsam ersetzt durch einheimische Baumarten. Denn nicht jede Pappel ist auch eine gute Auen-Pappel.



    Reportage 3:
    Der kleine Pappelunterschied.
    Der Nationalparkangestellte Josef Steiner und sein Wandel vom Hypridpappelpflanzer zum Schwarzpappelschützer


    Geschickt balanciert Josef Steiner seinen Jeep über die Eisplatten des Treppelwegs entlang der Donau. Die Schildmütze hat er tief in die Stirn gezogen. Auf seiner wetterfesten Jacke prangt das Logo des Nationalpark Donau-Auen.

    "Wir fahrn jetzt genau beim Stromkilometer 1900 vorbei, also bis zur Mündung der Donau sans 1900 Kilometer; dort ist der Nullpunkt. Die Donau ist der einzige Fluss, der im umgekehrten Sinn vermessen ist, der ist von der Mündung zum Ursprung vermessen. "

    Josef Steiner kontrolliert Fischerei, Jagd und Waldbestand im Auengebiet; von der Grosstadt Wien bis zur Staatsgrenze bei Bratislava.

    Anka kann es kaum erwarten, ins Freie zu kommen. Versteckt im Auwald steht ein knorriger Baum mit tiefer rissiger Rinde; der Stamm umfasst locker acht Meter.

    "Des is eine Hybridpappel. Des is eine der ersten Pappelsorten die man eingebracht hat. Der Baum ist kerngesund, ist mittlerweile schon Naturdenkmal, man hat ihm eine Tafel verpasst, hat aber im Volksmund schon immer die Bezeichnung Aukönig gehabt."

    Lange Zeit haben Experten diese Kreuzung aus heimischer Schwarzpappel und nordamerikanischen Pappelsorten für eine reinwüchsige Schwarzpappel gehalten.

    Josef Steiner begutachtet besorgt die vielen Misteln auf der Krone. Ein Baumchirurg muss her, soll dieser Aukönig noch eine Weile Bestand haben. Neugierig umkreist er den Baum.

    "Da san aus die vierziger Jahre Gravierungen drinnen, es müsste auch von mir was da sein, ich weiss nur nit wo ich des gemacht hab, als ganz junger Spund, irgendwo hab ichs gehabt. Des könnt die sein, Steiner Josef 1961, also 1961, wie alt war ich da, ich war da 17 Jahr. Möglicherweise dass ich mit der Freundin da war, des weiss i nit, i kann mi nit mehr erinnern. Des bin a i, 1960 Steiner Josef, definitiv bin des i, also a sehr sehr lange Zeit."


    Damals war dieses Gebiet noch in gräflichem Besitz und Josef Steiner Forstwirtschaftsgehilfe. Die schnell wachsenden Hybridpappelkulturen hat er selbst in Reih und Glied gepflanzt.

    "Ringsherum des war ein Kahlschlag den i damals gemacht hab, und wir haben dann links und rechts Aufforstungen betrieben. Bei der intensiven Forstwirtschaft die wir betrieben haben, hats überhaupt kein liegendes Totholz, kein stehendes Totholz geben, das ist immer rausgeben worden; denn wichtig waren die Erträge die man in der Forstwirtschaft erzielt hat. "

    Zufrieden registriert er die bizarren Aststrünke und morschen Baumstümpfe rund um den "Aukönig".

    "Da san verschiedene Insekten drin, die wieder für die Singvögel brauchbar san; wir haben den Auspecht, der wird mehr; seit man an dem Hangwald die Eichen stehn lässt ist der Hirschkäfer wieder stark vertreten, der eigentlich schon kaum mehr sichtbar war und mittlerweile wird des mehr."

    Der Wechsel der Arbeitgeber hat Josef Steiner die Augen geöffnet. Als der WWF den gräflichen Auwald aufkaufte, verlor er seinen Job und musste in einer Brotfabrik in Wien sein Geld verdienen; für den WWF betreute er das Gebiet ehrenamtlich weiter.

    "I bin eigentlich vom WWF an den Nationalpark mit übergeben wordn, Sklaven gehen mit, na, (lautes Bellen), komm Anka..."

    Vor einer kleinen Fischerhütte, umgeben von hohen Hybridpappeln, bleibt Josef Steiner stehen; prüfend blickt er den Stamm entlang in die Krone. Zwar darf seit 1995 im Nationalparkgebiet kein Baum mehr gefällt werden; doch Gefahrenbäume bilden da eine Ausnahme.

    "Jetzt kann man sich vorstellen, wenn dieser Baum da umfallt bleibt von der Hütte nicht viel übrig.(ATMO sprühen des Baums) Und wann dann der Fischer drin sitzt ist das sehr bedenklich. "

    Der ehemalige Forstangestellte ist ganz in seinem Element. Sorgfältig sprüht er einen pinkfarbenen Kreis auf die Baumrinde.

    "Jetzt werdn wir den noch wegnehmen, die brechen zum Teil ganz oben ab und jetzt wird’s total gefährlich wenn man sich drin im Bestand bewegt. Es ist übrigens verboten in die Naturzone rein zu gehen. Sie können jeden Weg, der als Weg erkenntlich ist, begehen, aber sie dürfen nicht quer durch die Botanik marschieren und des wär auch nicht ratsam. Also wir werden den trotzdem wegnehmen und den a noch. So Anka, steig ein, wir fahrn weiter...."

    Vorbei die Zeiten, als der Au-Flaneur wild durch den Dschungel streifen konnte. Jetzt wacht das Auge des Nationalparks.

    "(ATMO Auto). Seeadler dort vorn! Und des is a guts Zeichen wenn aner alleinig da ist, aber es san da an die 4-5-Brutpaare da, und den sieht man eigentlich immer wieder da, ja des is er...."

    Weiß glänzen die unteren Schwingen im Sonnenlicht. Zufrieden legt Josef Steiner das Fernglas zurück. Am linken Donauufer der Hainburger Au türmen sich hohe Kies-und Sandberge. Dort wird die Uferbefestigung rückgebaut; ein Nationalpark-Projekt zur Belebung der Auengewässer.


    Im Sommer kontrolliert Josef Steiner die Altarme mit einer Zille; in diesem Teil der Au unweit seines Heimatdorfs Haslau ist er schon als kleiner Junge umhergestreift. Behutsam lässt er die Ruder durchs seichte Wasser gleiten; ein wenig schabt das Holz am Kiesgrund.

    "Da, des is a Rehbock, (ATMO: imitiert Lockruf/rudern), oh, weg ist er (ATMO: Rudern, schaben am Kies) "

    Geschickt lenkt er das Holzboot an der Uferböschung entlang. Josef Steiners wachen Augen entgeht nichts; da ein Fuchsloch, dort ein Biberbau. Insgesamt ist der 62jährige Familienvater mit seiner biblischen Karriere von Saulus zu Paulus zufrieden; auch wenn ihn Nachbarn als "Grünen" beschimpfen.

    "Da kommen wir jetzt nicht weiter. Stehendes Totholz und liegendes Totholz. Wenn man da mit alten Einheimischen redet, Bauern, die sagen ihr seid's deppert. Die sehen im Baum eigentlich nur einen Brennholzlieferanten, oder so. (ATMO/ Rudern) "

    Ein türkis-goldgelbfarbener kleiner Vogel steht im Schwirrflug über der Wasserfläche: Der Eisvogel, ein Königsfischer.

    "In dem Böschungsbereich, den die Hochwässer anreissen, brütet der Eisvogel. Des ist ein exotischer Vogel, gegen den die anderen alle unscheinbar sind.
    (ATMO: Rudern) Man hat des vor der Haustür, und die Leut sehn des net, die Leut sehn immer im Fernsehn Universum was weiss ich von wo, dabei habens des hier vor der Haustür, nur beobachtet scho kaaner mehr."

    Von der dämonischen Nymphe, die in Ernst Moldens Roman in die Menschen fährt, erzählen die Donau-Fischer schon seit dem 11. Jahrhundert: Donau-Weibchen heißt die geheimnisvolle Schöne bei ihnen, die der Legende nach immer wieder junge Männer verführt und an den Grund des Stroms gezogen haben soll.

    Das Engagement der Umweltschützer in den Donau-Auen wird nicht von allen mit Begeisterung aufgenommen: Die Schiffer hätten lieber einen kanalisierten Strom, um möglichst unabhängig zu sein von Hoch- und Niedrigwassern. Manche Spaziergänger wollen sich nicht einschränken lassen, wenn sie durch die Wildnis streifen – im Nationalpark dürfen sie die bezeichneten Wege nicht verlassen. Und die Donau-Fischer profitieren zwar langfristig von dem größeren Fischreichtum in den Donau-Auen. In dem Teilstück zwischen Wien und Bratislava war der Fischbestand in den letzten 40 Jahren dramatisch zurückgegangen: Wasserverschmutzung und zunehmender Schiffsverkehr haben den Wasserbewohnern zugesetzt. Durch die strengen Schutzbestimmungen des Nationalparks und durch die Öffnung der Flachwasserzonen in den Altarmen kehren nun längst für ausgestorben geglaubte Fischarten wie Hundsfisch und Wildkarpfen wieder zurück in die Donau-Auen.
    Doch so mancher Hobbyfischer mag sich nicht vorschreiben lassen, wann, wie, wie viele und welche Fische er fangen darf.



    Reportage 4:
    Ein toller Hecht weiß, was er will
    Der Fischer Viktor Albrecht findet die strengen Fischschutzbestimmungen mehr als lästig


    "Goldfisch san drinn, des hat mir mal es Enkerl bracht und die san jetzt schon 10 Jahr drinnen. Werdns derfroren san, derstickt werdns san..."

    Der Teich in Viktor Albrechts Garten ist zugefroren; ein Loch ist in das Eis gehackt und frisches Wasser sprudelt .

    Der passionierte Fischer ist auf dem Weg in seinen Keller, Ordnung in sein Zeugl bringen, Angelruten in allen Grössen. Zum Fischen ist es viel zu kalt.

    "Jetzt geh i net weil i Federn hab vorm Ausrutschen, weil jetzt is ja des blanke Eis, auf dem Treppelweg, des is schiach. "

    Zudem ist von Januar bis Mai Schonzeit für Hecht und Schill – auch als Zander oder Hechtbarsch bekannt. Ungeduldig versucht er die Fischschnüre zu entwirren.

    "(herumwühlen)...des bring mer net obi, des is ja a Manglerei...."

    Die Raubfische holt Viktor Albrecht am liebsten aus der Donau. Ganz nah hat er es von seinem Haus oberhalb der Au bis zum Wasser.

    "Drei Minuten bin i unt, i nimms glei so und geh obi, da nimm i drei Zeugl mit, da hob i den Rucksack, und an Sessel hab i a noch mit zum Niedersitzen weil i a fauler Hund bin.."

    Dieser faule Hund – übrigens Matrose und Bierausfahrer im Ruhestand - sitzt zumindest im Winter gerne hinterm Ofen und lässt sich von Ehefrau Ernestine bedienen?; eine flotte ältere Dame mit dunkelblauen Leggins und weissem Häkelpulli. Zeit, Fischergarn zu spinnen. In die weichen Gesichtszüge des Petrijüngers kommt Bewegung.

    "Aner hat des, der andere des, und i hab des Fischen. Wie i 14 Jahr alt war, hob i mir die Jugendkartn kauft und seitdem hob i immer gefischt. Früher wars ja noch wunderbar, wie die Kläranlagen noch net war. Wenn da der ganze Dreck in die Donau geronne is, wir habn Fisch gefangt, des war a Traum. Nur essen hasts net könne. Die haben gestunken und geklettet, aber a Fischreichtum war da drin, des glaubt mer gar net. Wir haben immer gesagt des schwarze Wasser. Erstens habns viel Futter gehabt, des war trüb, die haben net viel gesehen; jetzt is des Wasser klar und der Fisch is a net blöd; er sieht ja des Daubi."

    Mit Daubi meint Viktor Albrecht die Daubel, ein drei mal drei Quadratmeter grosses Hebenetz, das auf elastische Stäbe gespannt und in die Donau gesenkt wird. Jahrelang hatte der Vorstadtwiener eine Daubelhütte an der Donau gepachtet. Fischen mit dem Oarschzahrer, wie das mit blosser Körperkraft ins Wasser gesenkte Netz auf wienerisch genannt wird, interessiert ihn schon lange nicht mehr.

    "Erstens ist es eine Plackerei und zweites mit der Angel fangst mehr. Die Weissen, was da fangst , auf des bin i nix neugierig. Es ist ja mehr wegen dem Theater, a Saufpartie."

    Ehefrau Ernestine seufzt und schiebt dem Gatten ein Fotoalbum hin: die Trophäen-parade.

    "Da, da schau, da schau..... "

    Viktor, braungebrannt mit Karpfen; Viktor in der Badehose mit Tostolop, 33 Kilo schwer.
    "Die habns von Japan eingeführt, die wollens nimmermehr weil der Fisch net hergehört: Des is genauso bei der Forelln, des is ja kein einheimischer Fisch..."

    Und Viktor mit seinem Lieblingsfisch, dem Hecht.

    "Weil der Hecht der stinkt, also wanns an Hecht fangst und bringst den in die Kuchl, frischt gefangt, stinkt der. Der stinkt richtig nach Fisch. Der riecht net, der stinkt. Und i iss ihn halt am liabsten, warum, weil der hat a richtig a fest a glasrigs Fleisch."

    Viktor Albrechts Wangen röten sich vor Begeisterung. Zwanzig Karpfen und zehn Raubfische darf er fangen im Jahr – mehr erlaubt der WWF nicht, der hier in diesem Teil der Au die Fischereirechte besitzt. Berufsfischer gibt es schon lange nicht mehr, und Fischereilizenzen erhalten nur Einheimische; rund 400 Euro kostet das Vergnügen; immerhin hat hier die Donau Wassergüteklasse 2.

    "I glaub wir haben 54 Sorten von Fisch in die Donau und in die Altarme. Des san so viel wos gar net kennst, wia en Streber, an Zingel. Den Sterlet habns wieder angesetzt "

    "....ob er sich vermehrt was mer net, hat sogar der WWF angesetzt. Der Wels, der Weisse, die Brachsen, die Bärsch und die Grundler, da is olles, is olles drin. Wir haben sogar auch beim Hochwasser an Huchen fangt. "

    "Die Fisch des was mir brauchn für unsere Familie, die fangt er. Alle Jahr eigentlich. Amal weniger, amal mehr halt."

    Viktor Albrecht blickt gedankenverloren aus dem Fenster in die weiss verschneite Au. Wenn es nur schon Sommer wär‘. Da steht er um halb Drei Uhr am Morgen auf.

    "Weils schö is, und wannst unten bist, dass dann die Sonn aufgeht, des is a Traum. Und des schönste is im Sommer, wann viel Gelsen san, da kommst mit em Verjagen net nach, aber man gewöhnt sich dran, man gewöhnt sich dran. "

    Reiz-voll ist die Au: sie beisst und sticht. Bei Hochwasser ist die Luft schwarz von Gelsen, Stechmücken. Ein echter Augänger ist immun gegen die Blutsauger.

    "V. Albrecht: Und i will net einschmiern, des einschmiern will i net .Man darf net kratzn, wannst beim Gelsendübl net kratzt, wird er a net beissn .
    Ernestine: Du bist a Härtling (lachen)"

    " Und man sagt ja, ohne Gelsen keine Fisch. Warum. Wann mir ka
    Hochwasser habn, von wo soll der Fisch herkommen; natürlich wann a Wasser kommt, und a Wasser bringt immer was. Mir habn direkt a Freud wann viel da san. (lacht)"

    Was ihm weniger Freude bereitet sind die Auflagen, an die sich ein Fischer im Nationalparkgebiet halten muss.

    "Mir dürfen net amal in der Fischhandlung an Köderfisch kaufen, mit dem derf mer net fischen. Weil sie ham Angst dass mer an Pilz einibringen. Wos natürlich aufgelegter Blödsinn is aber bitte, des san so gescheite Leut.."

    Fischen mit einem Metallköder ist erlaubt, allerdings müssen die Widerhaken des Drilling geschliffen sein.

    "Du derfst beim Blinkern mit em Drilling fischen, aber du muss den Widerhakn zuwibiagn oder obschleifn. I mein des is a an Blödsinn weil erstens fangst mit dem kein Fisch; wenn da wirklich a Hecht drauf is, der macht die Pappn auf
    MOD:...das Maul...
    und macht an Draher und is furt. Aber sie sagn halt es gehört alles geschont und man derf des net und des net. "

    Ein toller Hecht weiß eben was er will. Viktor Albrecht schmunzelt in sich hinein.
    Ernestine zupft an ihrem weißen Häkelpulli. Vollmondnächte sollen besonders reizvoll sein.

    "Des waas kaner. Also mei Ansicht is, die beste Fischerei is nach dem Vollmond. Des geht 2,3 Tag, dann is eh wieder vorüber."

    Zuweilen – so erzählt die Sage – schwimmt der Fischer in hellen Mondnächten weit in die Donau hinaus. Bis er eines Tages nicht wieder kommt. Das Donauweibchen hat ihn geholt.

    "Jesses na...
    V.Albrecht: I habs noch net gesehn. aber ich täts gern sehn...
    Ernestine ( lacht....)."

    Die Wiener sind stolz auf ihre Donau und auf die einzigartige Auenlandschaft. Doch die Natur wird nicht um jeden Preis geschützt – trotz des Status als Nationalpark sind die Donauauen immer wieder in Gefahr, ökonomischen und verkehrsplanerischen Interessen untergeordnet zu werden. Energiekrisen lassen regelmäßig an die Pläne für ein Wasserkraftwerk denken , die noch immer in den Schubladen liegen. Die Frühjahrshochwasser liefern jedes Jahr denjenigen Argumente, die das Wildwasser durch Baumaßnahmen bändigen wollen. Vor allem aber der zunehmende Straßenverkehr fordert seinen Tribut: Die mit der Osterweiterung dringlich gewordene Südostumfahrung von Wien soll – zum Teil unterirdisch - einen Teil der Au durchqueren. Und die Flußschifffahrt auf der Strecke Wien-Bratislawa soll durch eine Vertiefung der Donau zu einer Art Wasserautobahn ausgeweitet werden – ein erster Schritt für den Korridor VII der transeuropäischen Netzwerke: ein europaweites Ausbauprojekt, das auch Deutschland betrifft.
    Die Ökologen setzen dagegen auf die Selbstheilungskräfte der Natur: "Laß den Fluß die Arbeit tun" lautet das Motto des Projekts zum Uferrückbau, den der Nationalpark zusammen mit dem Life-Natur-Programm der EU ins Leben gerufen hat und das in diesem Frühjahr abgeschlossen werden soll: in der Hainburger Au wurden die großen Blocksteine entfernt, so daß der Fluß sich auf natürliche Weise ausbreiten kann, wodurch die hohen Pegelstände im Bereich Hainburg um etwa 10 cm gesenkt werden sollen. Ein Pilotprojekt für den europäischen Naturschutz, sagen die politisch Verantwortlichen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagen die unermüdlichen Streiter im Dienste der Wildnis.



    Reportage 5:
    Der Rächer der Donauweibchen
    Der Umweltschützer Günther Schobersberger und sein Kampf gegen die Donauvertiefung


    "Man sieht schon viele Rehspuren, hier die Klauen der Rehe. Hier haben wir z.b. schon die ersten Wildschweinspuren"

    Die Tierspuren sind festgefroren; bei minus dreizehn Grad singt das Eis. Die Sonne zieht lange Schatten über der spiegelglatten Oberfläche des Donaualtarms bei Petronell, fünfzig Kilometer östlich von Wien. Günther Schobersberger zieht die grüne Baskenmütze tiefer über das lange Haar. Im graumelierten Bart bilden sich kleine Eisklümpchen.

    "Auf den Grund dieser Tümpel ziehen sich im Winter die Fische zurück, das sind ihre Ruheräume hier im Winter. "

    Günther Schobersberger kennt die Au zu Wasser, zu Land und aus der Luft. Als Architekturstudent hat der gebürtige Oberösterreicher in den frühen siebziger Jahren mit dem Segelflieger die schönsten Plätze entdeckt.

    "Ich kenn die Au noch viel lebendiger und schöner und reicher belebt als sie jetzt ist und mir tut es leid, dass dieser Lebensraum obwohl es Nationalpark ist mehr und mehr verkommt, weil man immer wieder Regulierungsmassnahmen an der Donau setzt. ATMO: Schritte auf Eis."

    Hier müssen wir aufpassen, den da sind natürlich Wasserlöcher, weil die Biber hier an diesem Ast hier gearbeitet haben...

    Der Biber hat eine Kanadapappel gefällt; die akkurat gesetzten Bisspuren im Weichholz sind frisch. Obwohl diese Hybridpappel kein heimischer Au-Baum ist, scheint sie ihm zu schmecken.

    "Er isst diese Rinde, auch Knospen die hier drauf sind, ich glaub die Biber werden kaum Entzündungen oder Erkältungen kriegen, denn da ist überall Salicylsäure drinnen, die essen das Aspirin pur. Das witzige ist, um diese Zeit wenns am kältesten ist, dann ist für die Biber die Liebe ganz heiss, da machen sie Liebe um die Zeit. Da drüben ein Rotkehlchen, das in diesem Eissprung da geht."

    Das Rotkehlchen ist eine Art Symbol für den Widerstand in der Au; damals in dem eisigen Winter 1984, als tausende Österreicher den Bau des Kraftwerks Hainburg verhinderten, war das Rotkehlchen treuer Begleiter im Zeltlager der Aubesetzer. Günther Schobersberger hat die Widerstandsaktion vor über zwanzig Jahren initiiert; eigenes Geld in den Kauf von Militärschlafsäcken, Kunststoffplanen und Decken investiert. Überlebensstrategien hat er, der passionierte Aussteiger und Einzelkämpfer, genug gesammelt.

    Jetzt ist die Au wieder in Gefahr. In einem Naturversuch soll die Donau bei Hainburg auf einer drei Kilometer langen Strecke von derzeit 1,80 bzw. 2,20 Meter bis zu 2,80 Meter vertieft werden; als Kompensationsmassnahme bietet die via-donau, die österreichische Wasserstrassen-Gesellschaft, den Rückbau eines Altarms.

    "Es ist einerseits eine Erpressung, aber es ist auch ein unmoralisches Angebot würd ich sagen. Man will von den Naturschützern die Zustimmung: Wir machen was für die Au, wir machen das abhängig davon dass ihr uns die Donau noch tiefer eingraben lässt und dass ihr uns die Donau panzern lässt. D.h. Schwerpunkt noch immer hier in diesem Gebiet die Donau für die Großschifffahrt auszubauen. Also diese harten Regulierungsschritte und diese harten Korsette hsier rückzubauen ist etwas was sowieso gemacht werden muss."

    Hochwasserprognosen fordern geradezu den Rückbau; denn je mehr die Donau verbaut wird, um so weniger Raum hat das Wasser, sich auszubreiten.
    ATMO: Gehen im harschen Schnee
    Graugrüner Au-Sand türmt sich wie eine riesige Welle auf, bei Hochwasser angespült aus den Stauräumen der Donau. Die Au verschlammt, verplackt.

    "Seit 30 Jahren kämpf ich wirklich hier dafür, dass diese Landschaft wieder zu ihrem Recht kommt und dass wir damit auch zu unserem Recht kommen, das hier so geniessen zu dürfen. Für mich ist es ein grosser Lebensauftrag geworden hier, diese Au zu verstehen, auch zu befreien von diesen Zwangsvorstellungen, dass sie hier immer maximal genutzt werden müsste für irgendeinen Nutzungsschwerpunkt. Vorsicht hier jetzt, da wird’s wieder glatt ."

    Nur ein kleines Waldstück trennt die Altarme von der frei fließenden Donau.

    Schellenten – Wintergäste der Donau – fliegen von der Wasserfläche auf, mit hellem Glockenklang. Die Buhnen - quer zur Strömung gebaute Dammkörper aus Steinschüttung – sind vereist.

    "Die engen den Wasserabfluss ein, sodass der frei fließende Teil erst am Ende dieser Buhne beginnt. Man will diese Buhnen noch weiter in den Fluss hinaus bauen, damit bei Niederwasser der Fluss noch enger eingeengt wird und dann die Wasserstände hier steigen."

    Zwei Schiffe kreuzen trotz extremem Niedrigwasser draussen auf der Donau.
    Ein mit Schüttgut beladenes Motorschiff fährt Donau aufwärts , ein Schubverband mit zwei Kähnen Donau abwärts.

    "Das sind Riesenschiffe und die können fahren, und die fahren bereits gewinnbringend hier auf der Donau, die fahren obwohl sie nur 1Meter80 Fahrwassertiefe zur Zeit haben. "

    Am Buhnenkopf hat sich ein Silberreiher niedergelassen. Eisige Wellen schwappen über die seichten Wasserfelder zwischen den Buhnen, die angefüllt sind mit Kiesel und Schotter; Geschiebe der Donau, ausgebaggert um den Fluss schiffbar zu halten. Normalerweise pflastert sich die Donau selbst ihr Bett. Weil ihr das Geschiebe fehlt, soll nun die dynamische Selbstpflasterung der Sohle durch Beigabe von gröberem Material verstärkt werden. Günther Schobersberger fürchtet um die Qualität des Trinkwassers.

    "Und das würde bedeuten, dass nurmehr bei Hochwassern die Sohle in Bewegung gerät. Die Filterwirkung würde sehr stark abnehmen. Mein Haus liegt an einem Altarm ,ich hab da einen Schachtbrunnen, 100 Meter von der Donau entfernt und die Qualität des Wassers ist sehr stark abhängig davon, ob hier Sauerstoffzehrungen wirksam werden. Alle hier an der Donau und in Hainburg trinken Donauwasser und wenn ich so hier steh kann ich sagen: Ich bin eigentlich ein Stück Donau, denn mein ganzes Brauchwasser, was ich koche, und ich trink eigentlich Donauwasser ."

    In dem kleinen gemütlichen Haus von Günther Schobersberger bullert der Holzofen.

    Auf dem Fußboden entrollt der Auschützer riesige Pläne: Luftaufnahmen der Naturversuchsstrecke.

    "Ist in Wahrheit ein Versuch, in der Natur eine Teilstrecke hier bereits fertig zu bauen. Und ich hab dagegen natürlich meine Einwendungen gemacht, und das Projekt wurde wasserrechtlich und schiffahrtsrechtlich bewilligt und ich hab gegen beide Bewilligungen Berufung eingelegt. Es hat jetzt der Landeshauptmann darüber zu bescheiden, ob meiner Berufung stattgegegben wird oder nicht und ich werde natürlich auch die Sache bis zum bis zum Höchstgericht weiterverfolgen. "

    Henry David Thoreaus manifeste Aufforderung "Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat" steht bei Günther Schobersberger nicht nur im Bücherschrank. Meister der Zivilisation gibt es genug, zitiert er den amerikanischen Sozialkritiker, Anwälte der Wildnis nur wenige.

    " Das war meine große Wildnis, das war für mich meine große Jugendliebe, die Au, und das ist es geblieben. Also da bin ich einfach glücklich gewesen. Wissenschaftliche Erkenntnis ohne moralische Konsequenz im Handeln das bringt die Menschheit nicht weiter. Und nun fühle ich mich auch verpflichtet, das was ich gelernt habe, auch wenns vielen nicht passt, wieder zurückzugeben. Da haben sich die Donauweibchen mich ausgesucht, diesen Wassermann, den werden sie bis zum letzten seiner Tage damit beschäftigen, dass er unser Haus sauber hält."