So finden sich vermeintliche und tatsächliche Täter nebeneinander. Viele der Erwähnten, die sich gar nichts zuschulden kommen ließen, geraten unter Generalverdacht. Als in diesem Frühjahr die Wildstein-Listeveröffentlicht wurde, schoss die Zahl der Anfragen plötzlich in die Höhe. Nach wie vor kommen täglich bis zu zweihundert Bürger ins IPN, um ihre Akte einzusehen. Früher waren es vielleicht zehn bis zwanzig Anträge in der Woche. Ein Besuch im IPN, der polnischen Gauck-Behörde.
Ein blau uniformierter Wachmann zeigt auf die Sicherheits-Schleuse. Jeder Besucher muss sie passieren. Mitgebrachte Taschen kommen unter das Röntgen-Gerät. Eine Prozedur wie am Flughafen. Dabei ist hier nur der Eingang zu einem Archiv. Aber niemand soll etwas hinein oder herausschmuggeln können. Keine Waffen hinein. Keine Akten heraus. "Wir sind vorsichtig", sagt der Wachmann.
Wer die Sicherheitsschleuse passiert hat, darf im neonbeleuchteten Warteraum Platz nehmen. Fünf der zehn orangefarbenen Kunststoff-Stühle sind schon besetzt. Die, meist älteren, Besucher warten vor dem Auskunftsschalter. Hinter einer kleinen Fensteröffnung sitzt eine Angestellte des IPN. Und gibt erste Informationen zum Antrag auf Akteneinsicht.
Ein alter Mann im blauen Parka steht am Info-Schalter. Mit beiden Armen auf den Tresen gestützt beugt er sich weit durch die kleine Fenster-Öffnung. Nimmt die Auskünfte mit Kopfnicken entgegen. Dann wendet er sich ab. Setzt sich auf einen der freien Plätze. Blättert mit zittrigen Händen in seinen mitgebrachten Unterlagen. Die Augen des 75jährigen blinzeln müde hinter seiner Brille. Eine Stunde lang sei er mit dem Bus hierher gefahren, sagt er. Er wohne am anderen Ende der Stadt. Aber jetzt müsse er hier etwas klären:
"Mein Name ist auf der Wildsteinliste. Aber wissen sie: Ich war niemals ein IM. Ich will jetzt eine Bescheinigung, dass ich ein Opfer bin. Also eine Person, die vom SB bespitzelt wurde. Und kein Mitarbeiter oder Spitzel. Darum geht es mir."
SB – das steht für Sluzba Bezpieczenstwa Und war der Geheimdienst der kommunistischen Volksrepublik Polen. Seine Enkel haben die Liste im Internet entdeckt, die der Journalist Bronislaw Wildstein heimlich aus dem IPN schmuggelte. Über zweihunderttausend Namen sind darauf zu finden.
Die Mehrheit der Namen auf der Liste gehören Mitarbeitern. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Namen mit den Aktennummern auf der Liste keine Mitarbeiter waren. Also die Liste zeigt wer ein Spitzel ist.
Viele Namen kommen allerdings zig mal auf der Liste vor, so wie seiner. Josef Malinowski. Auch eine Akte über ihn gibt es, sagt er. Weil er noch kurz nach dem Krieg Mitglied in einer nationalen Untergrundbewegung war. Jozef Malinowski wedelt mit den Papieren:
"Ich habe hier schon früher diese Dokumente bekommen. Hier sind Berichte über mich. Aber der richtige Name des Spitzels ist geschwärzt. Hier sind nur Pseudonyme."
Außerdem könnten diese Unterlagen nicht den Spitzelverdacht ausräumen, der nun wegen der Wildsteinliste auf ihm laste:
"Ich habe viele Freunde. Und als sie die Liste im Internet gelesen habe, gab es so zwei Lager: Die einen sagten, es ist unmöglich. Und die zweiten meinten: doch schon möglich. Und jetzt möchte ich denen die Bescheinigung zeigen, die mich als inoffiziellen Mitarbeiter verdächtigen. Und beweisen, dass sie Unrecht haben. "
Die Bescheinigung gäbe es dort drüben, bei der Schnellberatung, sagt der ältere Herr und blickt in Richtung eines Tisches, der auf der anderen Seite des Warteraumes steht. Dort, bei der IPN-Beraterin, sitzt gerade eine Frau. Auch sie ist um die siebzig. Trägt einen hellen Hosenanzug und schwarz gefärbtes Haar. Ihre faltigen Hände umklammern ein Mobiltelefon.
In ihrer Wohnung liefen kleine Wesen umher. Und gefährliche elektronische Strahlen fräßen Löcher in den Fußboden, erzählt die geistig verwirrte Frau aufgeregt der Beraterin. Die hört geduldig zu.
Der alte Mann hat seine Papiere wieder in der Aktentasche verstaut. Hält diese auf den Knien. Und rutscht unruhig auf seinem orangefarbenen Stuhl hin und her. Und schaut auf die große Uhr an der Wand. Er möchte noch heute seine Bescheinigung bekommen. Dass er ein Opfer der Kommunisten war und kein Helfer. Ob er sich ärgert über den Journalisten Wildstein, der den ganzen Wirbel verursacht hat? "Nein", sagt der Mann:
"Der Wildstein hatte Recht, dass er diese Liste veröffentlicht hat. Obwohl ich jetzt dadurch Probleme habe. Aber ich denke, die Wahrheit kommt ans Tageslicht."
Ein blau uniformierter Wachmann zeigt auf die Sicherheits-Schleuse. Jeder Besucher muss sie passieren. Mitgebrachte Taschen kommen unter das Röntgen-Gerät. Eine Prozedur wie am Flughafen. Dabei ist hier nur der Eingang zu einem Archiv. Aber niemand soll etwas hinein oder herausschmuggeln können. Keine Waffen hinein. Keine Akten heraus. "Wir sind vorsichtig", sagt der Wachmann.
Wer die Sicherheitsschleuse passiert hat, darf im neonbeleuchteten Warteraum Platz nehmen. Fünf der zehn orangefarbenen Kunststoff-Stühle sind schon besetzt. Die, meist älteren, Besucher warten vor dem Auskunftsschalter. Hinter einer kleinen Fensteröffnung sitzt eine Angestellte des IPN. Und gibt erste Informationen zum Antrag auf Akteneinsicht.
Ein alter Mann im blauen Parka steht am Info-Schalter. Mit beiden Armen auf den Tresen gestützt beugt er sich weit durch die kleine Fenster-Öffnung. Nimmt die Auskünfte mit Kopfnicken entgegen. Dann wendet er sich ab. Setzt sich auf einen der freien Plätze. Blättert mit zittrigen Händen in seinen mitgebrachten Unterlagen. Die Augen des 75jährigen blinzeln müde hinter seiner Brille. Eine Stunde lang sei er mit dem Bus hierher gefahren, sagt er. Er wohne am anderen Ende der Stadt. Aber jetzt müsse er hier etwas klären:
"Mein Name ist auf der Wildsteinliste. Aber wissen sie: Ich war niemals ein IM. Ich will jetzt eine Bescheinigung, dass ich ein Opfer bin. Also eine Person, die vom SB bespitzelt wurde. Und kein Mitarbeiter oder Spitzel. Darum geht es mir."
SB – das steht für Sluzba Bezpieczenstwa Und war der Geheimdienst der kommunistischen Volksrepublik Polen. Seine Enkel haben die Liste im Internet entdeckt, die der Journalist Bronislaw Wildstein heimlich aus dem IPN schmuggelte. Über zweihunderttausend Namen sind darauf zu finden.
Die Mehrheit der Namen auf der Liste gehören Mitarbeitern. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Namen mit den Aktennummern auf der Liste keine Mitarbeiter waren. Also die Liste zeigt wer ein Spitzel ist.
Viele Namen kommen allerdings zig mal auf der Liste vor, so wie seiner. Josef Malinowski. Auch eine Akte über ihn gibt es, sagt er. Weil er noch kurz nach dem Krieg Mitglied in einer nationalen Untergrundbewegung war. Jozef Malinowski wedelt mit den Papieren:
"Ich habe hier schon früher diese Dokumente bekommen. Hier sind Berichte über mich. Aber der richtige Name des Spitzels ist geschwärzt. Hier sind nur Pseudonyme."
Außerdem könnten diese Unterlagen nicht den Spitzelverdacht ausräumen, der nun wegen der Wildsteinliste auf ihm laste:
"Ich habe viele Freunde. Und als sie die Liste im Internet gelesen habe, gab es so zwei Lager: Die einen sagten, es ist unmöglich. Und die zweiten meinten: doch schon möglich. Und jetzt möchte ich denen die Bescheinigung zeigen, die mich als inoffiziellen Mitarbeiter verdächtigen. Und beweisen, dass sie Unrecht haben. "
Die Bescheinigung gäbe es dort drüben, bei der Schnellberatung, sagt der ältere Herr und blickt in Richtung eines Tisches, der auf der anderen Seite des Warteraumes steht. Dort, bei der IPN-Beraterin, sitzt gerade eine Frau. Auch sie ist um die siebzig. Trägt einen hellen Hosenanzug und schwarz gefärbtes Haar. Ihre faltigen Hände umklammern ein Mobiltelefon.
In ihrer Wohnung liefen kleine Wesen umher. Und gefährliche elektronische Strahlen fräßen Löcher in den Fußboden, erzählt die geistig verwirrte Frau aufgeregt der Beraterin. Die hört geduldig zu.
Der alte Mann hat seine Papiere wieder in der Aktentasche verstaut. Hält diese auf den Knien. Und rutscht unruhig auf seinem orangefarbenen Stuhl hin und her. Und schaut auf die große Uhr an der Wand. Er möchte noch heute seine Bescheinigung bekommen. Dass er ein Opfer der Kommunisten war und kein Helfer. Ob er sich ärgert über den Journalisten Wildstein, der den ganzen Wirbel verursacht hat? "Nein", sagt der Mann:
"Der Wildstein hatte Recht, dass er diese Liste veröffentlicht hat. Obwohl ich jetzt dadurch Probleme habe. Aber ich denke, die Wahrheit kommt ans Tageslicht."