Christiane Knoll: Kaviar als Delikatesse, Elfenbein als Reisesouvenir, eine Krokodilschwanzechse als Haustier - der Handel mit bedrohten Arten ist ein Multi-Milliarden-Business, und Europa Teil des Problems. Das weiß aus eigener Anschauung Sandra Altherr von der Artenschutzorganisation Pro Wildlife, immer wieder war sie im Internet unterwegs und incognito auch in Hamm, bei der Reptilienmesse Terraristika. Wenn Europa gegen das Geschäft mit Wildtieren ernsthaft beenden will, sagt sie, braucht es neue Gesetze. Vor der Sendung habe ich mit ihr gesprochen, meine erste Frage: Was kann ich denn hierzulande so alles kaufen an bedrohten Arten?
Sandra Altherr: Das fängt mit lebenden Tieren an, die Sie zum Beispiel als exotisches Haustier kaufen können. Da ist ein erschreckend breites Artenspektrum erlaubt, nämlich fast alles, was in der Natur rumkreucht und fleucht und klein genug ist, dass es in einen Glaskasten oder in einen Käfig passt. Reptilien aller möglichen Arten, Amphibien, aber es gibt auch viele Leute, die sich zum Beispiel immer noch Vogelspinnen ins Terrarium setzen oder Meerestierfische frisch vom Korallenriff.
Knoll: Und das ist legal.
Altherr: Das ist zum großen Teil legal. Dann gibt es noch eine Grauzone, nämlich von Tieren, die in ihrem Heimatland streng geschützt sind, aber international bisher noch unter dem Artenschutzradar fliegen. Das heißt, wenn diese Tiere mal in ihrem Heimatland illegal eingefangen und ausgeschmuggelt wurden, können sie hier in Deutschland völlig frei verkauft werden.
Gesetzeslücke in der EU ermöglicht Schmuggel
Knoll: Gerade wurde eine Studie in "TRAFFIC Bulletin" veröffentlicht, die speziell den Umfang des illegalen Handels für Deutschland ermittelt hat am Beispiel von Sri Lanka. Was genau hat diese Studie ergeben?
Altherr: Die Studie hat ein großes Problem bestätigt, was wir schon länger beobachten. Sri Lanka ist ein sehr gutes Beispiel dafür für ein Land, das seine heimischen Tiere und Pflanzen sehr streng schützt. Man kann keine lebenden Tiere aus Sri Lanka exportieren, zumindest nicht legal, und sie hier verkaufen. Dennoch finden wir Tiere, die es nur in Sri Lanka gibt und dort streng geschützt sind, hier im Handel, und es ist völlig offensichtlich, dass diese Tiere außer Landes geschmuggelt wurden, aber leider Gottes haben wir eine Gesetzeslücke hier in der EU, dass solche Tiere, solange sie nicht dem Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen weltweit unterliegen, hier nicht geschützt sind. Die Händler lachen uns frech ins Gesicht, und wir können aktuell nichts tun, um diese Art von Handel zu stoppen.
Knoll: Wie ist es mit der Nachfrage? Das Bewusstsein für den Artenschwund ist ja doch sehr gewachsen in den letzten Jahren. Lässt die Nachfrage wenigstens nach?
Altherr: Es gibt leider dadurch, dass das Ganze in einer Grauzone stattfindet und diese Importe ja auch nicht erfasst werden, gibt es eigentlich nur ganz grobe Beobachtungen. Also wir können im Internet auf bestimmten spezialisierten Plattformen und in bestimmten geschlossenen Facebook-Gruppen recherchieren, aber wir können eigentlich nur ein ganz grobes Bild zeichnen. Wir reden hier von Arten, die wirklich sehr bedroht sind. Das heißt, es ist jetzt kein Handel, wo hunderttausende Tiere gehandelt werden, aber bei solch hochbedrohten Arten zählt jedes einzelne Tier in der Natur, und all die Tiere, die fehlen, vielleicht sogar welche, die unterwegs bei der ganzen Prozedur des Schmuggels auch noch gestorben sind, all diese Tiere fehlen in der Natur.
"Die Naturentnahme für den Handel ist ein Riesenproblem"
Knoll: Das heißt, der Einfluss auf das Artensterben ist durchaus gewaltig durch diesen illegalen Handel?
Altherr: Ja, es sind vielleicht Arten, die jetzt in der Öffentlichkeit nicht auf dem breiten Radar sind – wer kennt schon die Hornagame aus Sri Lanka oder bestimmte Glasfrösche aus Brasilien oder aus Costa Rica –, aber wir reden schon von Arten, die in der Natur natürlich ihr Plätzchen haben und ihre wichtige Rolle im Ökosystem spielen. Es gab ja gerade den sehr alarmierenden Bericht vom Weltbiodiversitätsrat, und auch wenn der Habitatverlust für die meisten Arten vielleicht die große Gefahr ist, ist die Naturentnahme für den Handel auch ein nicht zu unterschätzender Faktor. Lange hat man gedacht, das sei gar nicht so gravierend, aber für gerade solche seltenen Arten ist es ein Riesenproblem, und wir sind hier in Europa einer der Absatzmärkte für solche Tiere.
Knoll: Vor drei Jahren hat die EU-Kommission einen Aktionsplan vorgelegt, der solcherlei Handel eigentlich bekämpfen wollte. Hat das denn gar nichts gebracht?
Altherr: Wir haben Probleme auf mehreren Ebenen: Wir haben Arten, die bereits geschützt sind international und die dennoch geschmuggelt werden. In solchen Fällen können zwar die Vollzugsbehörden durchgreifen, aber oft werden solche Fälle dann vor Gericht als Kavaliersdelikte behandelt. Also das Strafmaß ist oft zu niedrig und damit auch nicht abschrecken. Dann haben wir diese Gesetzeslücke, dass im Moment in der EU Tiere, die nur im Heimatland streng geschützt sind und dort illegal entnommen wurden, hier nicht als illegal erworben gelten, und solange es diese Lücke gibt, gehen die Leute hier komplett straffrei aus. Also da gibt es definitiv Lücken, aber bisher hat die EU-Kommission eigentlich deregulieren wollen und ist das Problem noch nicht herzhaft angegangen.
"Was im Herkunftsland illegal erworben wird, kann bei uns nicht legal sein"
Knoll: Jetzt wählt Europa neu. Wie sehen Ihre Forderungen aus?
Altherr: Also wir werden, wenn die EU-Kommission und das EU-Parlament sich neu gemischt haben, natürlich dieses Thema wieder vortragen und hoffen einfach, dass mit all den neuen Erkenntnissen und auch wirklich Weckrufen von Wissenschaftlern, was die Artenvielfalt angeht, vielleicht noch mal ein offenes Ohr finden. Es gibt so viele Beispiele dafür, wie die Natur in aller Welt, also wirklich auf allen Kontinenten geplündert wird für den hiesigen Heimtiermarkt, und es ist einfach an der Zeit, ein Gesetz zu verabschieden, wie es die USA übrigens schon seit über 100 Jahren hat und das ganz einfach sagt: Was im Herkunftsland illegal erworben wird, kann hier bei uns nicht legal sein. Wir müssten hier in der EU so ein Gesetz dringend verabschieden.
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