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Willkommen im Club

Der Einstieg des deutschen Altkanzlers Gerhard Schröder in das Management des deutsch-russischen Gaspipeline-Konsortiums vermochte russische Beobachter nicht zu überraschen. Es wurde mal wieder ein guter Freund versorgt, heißt es. Ein nicht unübliches Verfahren: Einige russische Industrieführer verdanken ihre Karriere guten Kontakten zum russischen Präsidenten Putin. Isabella Kolar berichtet aus Moskau.

    In den verschneiten Weiten des Provinznestes Babajevo, 400 Kilometer nordöstlich von Moskau, hat Alexej Miller, mächtiger Chef des Gasriesen Gazprom, gerade die entscheidenden Worte ausgesprochen: der Start ist gegeben. Zwei dicke schwarze Röhren werden zusammengeschweißt, Beifall ist aufgebraust, spontane Fröhlichkeit ist ausgebrochen. Wenig später dann eine improvisierte Pressekonferenz im marineblauen Zelt. Millers braunäugiger Blick unter top-frisierter Tolle in rundlichem Gesicht geht ausdrucksvoll ins Leere, als er das verkündet, was er angeblich auch gerade erst erfahren hat:

    "Die höchsten Leitungsorgane dieses Unternehmens sind die Aktionärsversammlung und das Aktionärskommitee. Die Aktionäre haben gemeinsam beschlossen, dass das Aktionärskommitee von Herrn Schröder geleitet wird."

    Peng und das saß. Die Pipeline ist plötzlich Nebensache. Altkanzler Gerhard Schröder wird Aufsichtsratsvorsitzender der North European Gas Pipeline Company, die die Ostsee-Pipeline baut. Willkommen im Club, Herr Schröder, mag Alexej Miller unterdessen gedacht haben. Er verdankt seine Karriere auch seinen guten Kontakten zum russischen Präsidenten Putin aus dessen Petersburger Zeit. Der Journalist der kremlkritischen Zeitung "Novaja Gazeta" Roman Schlejnov hat nachgezählt: 65 leitenden Positionen in 30 staatlichen föderalen Strukturen werden mittlerweile in Russland von Beamten aus Sankt-Petersburg besetzt und die statistische Kurve zeigt weiter nach oben:

    "Sie alle kennen Putin aus seiner Dresdner oder Berliner Zeit oder haben ihn später im Petersburger Rathaus kennen gelernt. Das geht von den Herrschaften an führender Position des Öl- und Gasgeschäftes bis zu den Leitern russischer Gerichte."

    Lilja Schewzowa, vom Moskauer Carnegie-Zentrum, hat die Beispiele dazu:

    "Das ist nicht nur Gazprom. Das ist auch Transneft, Sarubeshneft, Avtoprom, das sind die größten russischen Fluggesellschaften - das ist die direkte Folge eines solchen Staates: das Verschmelzen von Eigentum und Macht verkörpert in einem besonderen Typ von Unternehmer. Und unsere deutschen Freunde verleihen nun dem russischen Apparatekapitalismus faktisch die internationale Legitimation."

    1,5 Millionen Euro im Jahr, so heißt es in russischen Medienberichten, bekomme Gerhard Schröder für den neuen Job. Die Russen im Allgemeinen wundert das nicht sonderlich. Es wurde eben mal wieder ein guter Freund versorgt. Russische Experten und Menschenrechtler dagegen teilen die Zweifel des Westens. Lilja Schewzowa:

    "Der Westen ist doch für Russland schon zur Waschmaschine von schmutzigem und unehrlichem Geld geworden. Das sieht man doch, wenn man durch die Straßen Londons oder Berlins spaziert. Das hier Vorgefallene sagt eigentlich weniger etwas über Russland aus, als über die Fähigkeit des Westens, seine Spielregeln und die Prinzipien einzuhalten, auf denen eigentlich eine liberale Demokratie aufgebaut ist."

    Dass Gerhard Schröder nun als demokratische Lichtgestalt Gazprom, ein Molochunternehmen mit 390.000 Beschäftigten demokratisiert, glauben in Russland die Wenigsten. Gazprom ist ein Staat im Staat, einer der größten Konzerne in Osteuropa, der Umsatz lag 2004 bei fast
    30 Milliarden Euro. Hier bestimmen andere die Spielregeln, weiß der Journalist Roman Schlejnov:

    "In Russland sind staatliche Firmen wie Gazprom absolut undurchsichtig. Niemand muss darüber Rechenschaft ablegen, was im Gestrüpp von solchen Kooperationen passiert. Oft werden wichtige Entscheidungen über den Verkauf von Aktiva oder Schuldenübertragung von einer ganz kleinen Gruppe getroffen, die daraus ihren persönlichen Nutzen zieht und sich vor der Gesellschaft überhaupt nicht dafür rechtfertigen muss."

    Böse Absichten will Lilija Schewzowa dem deutschen Altkanzler bei seinem überraschenden Engagement in Russlands Energiewirtschaft dabei gar nicht unbedingt unterstellen:

    "Ich will nicht völlig ausschließen, dass Herr Schröder so naiv ist, dass er die indirekten Folgen seines Schrittes gar nicht begreift. Ich will nicht ausschließen, dass Schröder und Putin ganz ehrlich ihre Beziehung fortsetzen wollen und dabei nicht verstehen, dass vom Standpunkt der politischen Korrektheit aus betrachtet, solche Schritte in der Weltöffentlichkeit nicht üblich sind. Oder aber wir haben es hier mit dem Versuch zu tun, alle Vorstellungen von politischer Moral über Bord zu werfen. Denn die sind zumindest in Russland nicht besonders modern. In diesem Fall beginnt Herr Schröder einfach, nach den russischen Spielregeln zu spielen."