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Willy-Brandt-Doku
Abseits des Blitzlichtgewitters

Willy Brandts Amtszeit als Kanzler war prägend für die Bundesrepublik. Der "europäische Kennedy", wie ihn seine Berater für die Medien inszenierten, sagte staatstragende Sätze. Eine neue Dokumentation versucht, Brandt als Mensch zu zeigen - ohne spektakuläre Effekte und Exklusiv-Hype.

Von Susanne Luerweg |
    "Wir wollen mehr Demokratie wagen."
    "Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein."
    "Füreinander einstehen ist jetzt der Deutschen erste Bürgerpflicht."
    "Ich hatte von Anfang an den Wunsch, dass wir einen Film machen, wo viel Archivmaterial und Originalton da ist. Das heißt, ich wollte einen Mann, von dem man sagt, dass er ein charismatischer Redner ist, den wollte ich auch reden lassen. Ich wollte seine Stimme hören."
    Sagt Regisseur André Schäfer. Und Willy Brandts Stimme ist viel zu hören in der neunzigminütigen Dokumentation. Neben der Stimme und den vielen Weggefährten, die zu Wort kommen, sind es aber auch die Bilder, die den Film besonders machen; denn dies ist nun wahrlich nicht die erste Willy-Brandt-Doku.
    "Also es gibt schon so ein paar Schätze: großartige journalistische Meisterwerke aus Ende der 60er Jahre, Anfang der 70er, wo man den begleitet hat. So kann man heute Politiker gar nicht mehr begleiten, so nah. Da gibt es einen Film vom SFB, wo die Kamera dann mit in Rom war, wo er dann auch auf dem Balkon stand und so auf Rom geguckt hat. Und man stellt sich vor, wie geht es dem da."
    André Schäfer konzentriert sich auf die wohl wichtigsten 40 Jahre im Leben Willy Brandts: vom Beginn des Exils bis zum Ende seiner Kanzlerschaft. Er erzählt die Geschichte, wie aus Herbert Frahm, dem unehelichen Kind, der Politiker Willy Brandt wurde. Die Zeitzeugen, die über Brandt sprechen, sind auf den ersten Blick die üblichen Verdächtigen: Egon Bahr, Brandts Redenschreiber Klaus Harpprecht und Franz Müntefering.
    "Ich habe Brandt erlebt an dem Abend als die Mauer fiel. Und an dem Abend habe ich ihn auch gesehen. Es war sehr berührend, wie er da reagiert hat. Er war der Einzige der kapiert hat, was das ist. Was da eigentlich passiert."
    Bilder, die jeder erwartet - und solche, die kaum jemand kennt
    Dennoch ist dieser Film mehr als die x-te Dokumentation über einen Politiker, über den alle schon alles zu wissen glauben. Denn André Schäfer hat eine Nähe zu seinen Interviewpartnern hergestellt, die den Zuschauer fesselt. Ein echter Gewinn ist Elisabeth Fisher-Spanjer, eine holländische Jugendfreundin Brandts.
    "Wenn man angetanzt kam, dann hatte er immer etwas Zeit für einen. Das, was ich an ihm geschätzt habe, nennt man in Frankreich "Courtoisie du Coeur" - Höflichkeit des Herzens. Ich wünschte, mehr Politiker hätten es. Und mehr Staatsmänner."
    Mit Elisabeth Fisher-Spanjer hat Schäfer in Holland gedreht, Klaus Harpprecht sitzt vor dem Palais Schaumburg in Bonn, Wibke Bruns im Garten von Brandts Haus in Norwegen. Wenn die bewegten Bilder fehlen, helfen Fotos weiter. Es sind Bilder, die jeder erwartet, wie jene vom Kniefall in Warschau. Und es sind solche, die nicht jeder kennt, und die eine Nähe zum Protagonisten herstellen, die anrührend ist, nicht nur für Regisseur André Schäfer.
    "Wo er nach einer Rede in sich zusammengefallen ist, wo er Tränen in den Augen hatte und Schweißperlen auf der Stirn. Das sind so Bilder, wo ich dem irgendwie nahekam, habe ich so das Gefühl gehabt. Ich kriege gerade 'ne Gänsehaut beim Erzählen."
    Dass Familienmitglieder wie Matthias und Lars Brandt abgesagt haben, ist schade, aber nicht tragisch. Die letzte Frau Brandts, Brigitte Seebacher, hat André Schäfer gar nicht gefragt. Auch Helmut Schmidt wollte nicht.
    "Ne, aber ich bin auch kein Spiegel-Redakteur. Das ist ein Dokumentarfilm. Ich weiß nicht, ob er ehrfürchtig ist, ob man das so nennen kann. Ich verhehle nicht, dass ich diese Figur als eine sehr besondere Figur ansehe in der BRD. Das ist kein Film, der investigativ sein wollte, das ist kein Film, der noch mal darauf hinweist, dass der BND in den 70er den Bundeskanzler abgehört hat."
    Es ist ein Film mit guten Bildern und interessanten Interviewpartnern, der das Leben eines ungewöhnlichen Politikers würdigt. Die Bildsprache ist nicht innovativ, die Schnitte sind nicht experimentell, aber das wäre in diesem Fall auch nicht angebracht. Der Dokumentation ist die Liebe zum Detail anzumerken, die Liebe und das Interesse an der beleuchteten Person. Und das ist schlicht gut so.