Pandemie im Meer
Wimperntierchen lässt weltweit Seeigel sterben

Ein Parasit vernichtet offenbar immer mehr Seeigel-Bestände. Dadurch sind auch Korallenriffe bedroht, die ohnehin schon unter Klimawandel und Umweltverschmutzung leiden.

24.05.2024
    Ein Seeigel (Diadema antillarum) auf braunem Meeressandboden.
    Ein Seeigel (Diadema antillarum) auf braunem Meeressandboden (Archivbild vom April 2023). (imago images / Juan Carlos Calvin / Juan Carlos Calvin via www.imago)
    Nach Angaben eines Forschungsteam von der Universität Tel Aviv weitet sich das Massensterben von Seeigeln immer mehr zur globalen Pandemie aus. Inzwischen sei die tödliche Erkrankung auch im Indischen Ozean nachzuweisen, berichten die Forscherinnen und Forscher im Fachjournal "Current Biology". Aufnahmen würden unzählige tote Seeigel an einem Strand der Insel La Réunion zeigen. Der Ausbruch stelle eine unmittelbare Bedrohung für Korallenriffe dar: Denn Seeigel fräßen Algen, die sonst Korallen überwuchern und abtöten würden.
    Ein auf das Wimperntierchen zurückgehendes Massensterben von Diadem-Seeigeln war im Januar 2022 zunächst auf den US-amerikanischen Virgin Islands beschrieben worden. In den Monaten danach wurden ähnliche Beobachtungen in weiten Teilen der Karibik gemacht. Später waren auch das Mittelmeer und kurz danach das Rote Meer betroffen. 

    Seeigel-Populationen sind schon seit langem geschwächt

    Das Forscherteam schätzt, dass seit Dezember 2022 der größte Teil der Populationen betroffener Seeigel-Arten im Roten Meer sowie hunderttausende Seeigel weltweit vernichtet wurden. Im Riffsystem nahe der israelischen Küstenstadt Eilat zum Beispiel seien die beiden Seeigel-Arten, die zuvor im Golf von Akaba am häufigsten vorkamen, vollständig verschwunden.
    Bereits 1983 war ein verheerender Zusammenbruch der Population in der Region beobachtet worden. Sowohl die Korallen- als auch die Seeigel-Populationen der Karibik haben sich davon bisher noch nicht vollständig erholt, so das Forschungsteam.

    Infizierten Seeigeln kann bisher nicht geholfen werden

    Der Parasit lässt die Tiere binnen zwei Tagen zur gewebslosen Hülle werden - wenn nicht Fressfeinde die geschwächten Tiere schon vorher erbeuten. Der tödliche Erreger werde über das Wasser übertragen und könne in kürzester Zeit große Gebiete befallen, hieß es. Die Stabilität der Korallenriffe sei damit in einem noch nie dagewesenen Ausmaß bedroht. Bisher gebe es auch keine Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen.
    Wimpertierchen bestehen aus nur einer Zelle und haben Härchen auf ihrer Oberfläche, mit denen sie sich bewegen können. Sie kommen häufig im Wasser vor und sind oft harmlos. Allerdings wurden Verwandte der nun gefundenen Wimpertierchen bereits für Massensterben bei anderen Meerestieren wie Haien verantwortlich gemacht.
    Diese Nachricht wurde am 24.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.