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Wind des Südens

Nicht nur an der Küste und auf See, auch in den deutschen Mittelgebirgen ist es windig genug, um Strom produzieren zu können. Dennoch herrscht aber beispielweise in Baden-Württemberg Flaute, was den Bau von Windkraftanlagen betrifft. Das erste Treffen der baden-württembergischen Windkraftbranche und ihrer Zulieferer soll frischen Wind in den Meinungsaustausch mit Vertretern aus Verwaltung und Politik bringen.

Von Thomas Wagner |
    Und sie drehen sich auch in Baden-Württemberg erfolgreich - jene Windräder, die umweltfreundlichen Strom erzeugen: Gerhard Feeß, Bürgermeister der Gemeinde Altensteig im Nordschwarzwald:

    "Der Windpark Nordschwarzwald besteht aus 14 großen Windkraftanlagen, die über die Wipfel ragen. Ich wohne dort, wo ich den Windpark unmittelbar sehe. Ich empfinde es als durchaus belebendes Element in einer Landschaft, wenn sich auch etwas bewegt."

    2007 ging der Windpark Nordschwarzwald in Betrieb. Die 14 Windräder geben eine Leistung von 28 Megawatt ans Stromnetz - ganz emissionsfrei und damit umweltfreundlich. Bis sich das erste Windrad drehen konnte, musste die Gemeinde Altensteig aber so manchen Kampf ausfechten, der typisch war für die Windkraftpolitik in Baden-Württemberg: Bürgerinitiativen liefen Sturm gegen die angebliche "Verspargelung" der Landschaft durch Windräder. Die Behörden taten sich aus ähnlichen Gründen schwer mit den Genehmigungen. Heute, resümiert Bürgermeister Gerhard Feeß, wäre dies alles viel einfacher. Er macht nämlich in Baden-Württemberg einen Stimmungswandel in Sachen Windenergie aus - sowohl bei den Genehmigungsverfahren als auch bei der Haltung des Bundes für Umwelt und Naturschutz.

    "Der BUND war einer der starken Bedenkenträger wegen der Flora und Fauna., die dort oben herrschte. Also das Thema Vogelwelt und Fledermäuse war ein ganz beherrschendes Thema. Heute haben wir gehört, dass der BUND diesen Themen sehr offen gegenüber steht. Wenn der BUND über den Tellerrand schaut, erkennt er auch, dass der Einsatz regenerativer Energien dauerhaft dem Schutz der Flora und Fauna dient."

    Der BUND gibt dann auf dem ersten Windenergietag Baden-Württemberg auch gerne zu, sich vom "Windkraft-Saulus" zum "Windkraft-Paulus" gewandelt zu haben. Herrschte noch vor ein paar Jahren eher die Haltung vor, "Im Zweifel für die Fledermaus und gegen ein neues Windrad", hat sich das heute grundlegend geändert - aus nachvollziehbaren Gründen. Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des BUND Baden-Württemberg:

    "Eines ist klar: Windkraftanlagen greifen natürlich auch in die Natur ein. Aber Großkraftwerke tun dies um ein Vielfaches mehr. Und deswegen sagen auch wir: Die Energie muss natürlich irgendwo herkommen, die wir hier in Baden-Württemberg brauchen."

    Die Windverhältnisse in Baden-Württemberg seien zur Verstromung hervorragend geeignet. Vor allem in den Regionen Schwäbische Alb und Schwarzwald gebe es noch genügend Standorte, wo sich Windräder umweltfreundlich aufstellen ließen. Dass Baden-Württemberg dennoch mit einem Anteil von 0,8 Prozent Windenergie an der Gesamtstromnutzung gemeinsam mit Bayern das Schlusslicht bilde, hänge mit der restriktiven Genehmigungspraxis und den unzureichenden gesetzlichen Vorgaben zusammen. Berthold Frieß:

    "Wir haben zunächst einmal das Problem, dass wir landespolitisch keinen festen politischen Willen haben. Deswegen ist das Landesplanungsgesetz an dieser Stelle wachsweich formuliert. Die Regionalverbände können Abwägungsentscheidungen treffen durch die Akteure der Kommunen, die in diesen Regionalverbänden agieren. Da gibt es eben viele Widerstände. Ich denke, da müsste eben die Balance zwischen dem politischen Willen und der Betroffenheit von vor Ort besser zugunsten des Willens aufgelöst werden."

    Genau dies möchte die baden-württembergische Landesregierung nun tun: Mit der zurückhaltende Haltung gegenüber den Windrädern zwischen Stuttgart und Bodensee habe es nun ein Ende, so Wirtschaftsminister Ernst Pfister. Bis 2020 soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung auf 20 Prozent steigen. Das gehe nicht ohne einen erheblichen Ausbau der Windkraftanlagen im Land. Der Anteil an der Stromerzeugung soll in den nächsten Jahren von 0,8 Prozent auf mindestens zwei Prozent steigen. Und um dieses Ziel voranzutreiben, sei er auch bereit, bei zögerlichen Genehmigungsverfahren ein Machtwort zu sprechen, erklärt Wirtschaftsminister Ernst Pfister:

    "Wenn ich feststelle, dass sie weiterhin restriktiv sind, dann kann ich auf die Regionalverbände zugehen. Ich kann sie letzten Endes auch anweisen, dass eine bestimmte Anzahl von Windkraftanlagen dort gebaut wird. Aber ich glaube nicht, dass man hier mit Gewaltmaßnahmen durchgreifen muss. Und deshalb rate ich allen Kritikern der Windenergie, in der Zukunft nicht mehr so sehr auf die berühmte Verspargelung unserer Landschaft zu schauen. Die wird es eh nicht geben, sondern darauf zu schauen, dass Windenergie nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich, ökonomisch großen Sinn macht. Wir rechnen, dass alleine in diesem Bereich in den nächsten Jahren 20 000 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg geschaffen werden."

    Warum dann aber nicht gleich noch viel mehr Windräder aufstellen? Für den BUND Baden-Württemberg sind der angestrebte Anteil von zwei Prozent Windenergie am baden-württembergischen Gesamtstrombedarf viel zu wenig. Landesgeschäftsführer Berthold Frieß:

    "Wir freuen uns, dass die Landesregierung in ihrem Energiekonzept eine Verdreifachung ungefähr des Windes vorsieht. Wir sprechen uns aber klar für eine Verzehnfachung aus. Wir denken, dass es problemlos möglich ist, bis 2020 etwa auf sechs, sieben Prozent Windanteil im Strommix Baden-Württemberg zu kommen."