Archiv


"Winde des Krieges wehen!"

Kolumbien hat in einer bilateralen Vereinbarung mit den USA diesen gestattet, ihre Militärpräsenz in dem Land erheblich auszuweiten. Die Union der zwölf südamerikanischen Nationen, UNASUR, zeigte sich davon wenig begeistert. Venezuelas Präsident Chávez befürchtet gar, dass die "Verstärkung durch die Yankees" die kolumbianischen Kriegstreiber stärke.

Von Peter B. Schumann |
    Bariloche im Winter, im eisigen Süden Argentiniens, ein idyllischer Ort mit schneebedeckten Bergen. Für einige Stunden bietet er eine traumhafte Kulisse für den Krisengipfel der UNASUR, der Union der zwölf südamerikanischen Nationen.

    "Die beiden fundamentalen Ziele dieses Treffens" sieht die Gastgeberin, die argentinische Präsidentin Cristiana Fernández de Kirchner in "Südamerika als einer Region des Friedens, der nicht von einseitigen Entscheidungen beeinträchtigt werden darf, sondern auf jeden Fall bewahrt werden muss." Und das gilt auch - nach ihren Worten – für "die Einheit der Union" als zweitem Ziel dieses Treffens.

    Einseitig hatte sich Kolumbien entschieden, auf seinem Staatsgebiet die Präsenz US-amerikanischer Truppen auszuweiten. Diese Nachricht hätte beinahe das reguläre Treffen der UNASUR vor drei Wochen in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito gesprengt.

    Damals übernahm Rafael Correa, der Präsident von Ecuador, den Vorsitz der Union. Seine erste Amtshandlung betraf Kolumbien. Er rief seine Kollegen zu einer Sonderkonferenz in Argentinien auf, denn die Situation sei "äußerst ernst".

    Kolumbien will nämlich den US-amerikanischen Streitkräften für zehn Jahre die Benutzung von sieben Militärbasen überlassen. Dieses bilaterale Bündnis ohne Konsultation der Nachbarländer führte zu heftigen Reaktionen. Erst im März 2008 hatte Kolumbien ecuadorianisches Hoheitsgebiet bombardiert, um einen Anführer der kolumbianischen Guerilla-Organisation FARC zu liquidieren. Ecuador brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen ab, und der venezolanische Präsident Chávez setzte eine Panzerbrigade an die Grenze zu Kolumbien in Marsch. Die künftig verstärkte Militärpräsenz der USA weckte aber auch alte Erinnerungen.
    "Ihr habt sie nicht so erlebt wie ich in meinem Land" – so Boliviens Präsident Morales auf dem UNASUR-Gipfel in Quito. "Bewaffnete nordamerikanische Militärs gaben der bolivianischen Polizei und den Streitkräften den Befehl, auf die Volksbewegungen zu schießen und Arbeiterführer zu verhaften. Ihre Spezialeinheiten in Kolumbien und Honduras unterweisen noch immer Einheimische darin, wie sie am besten oppositionelle Politiker und Gewerkschafter umbringen."

    Besonders Venezuela sieht sich durch den Ausbau dieser sieben Militärbasen ernsthaft bedroht von den USA, aber auch vom Nachbarland.
    "Kolumbien vertritt heute die These des Präventivschlags" – so Chávez. "Und Venezuela steht auf deren Liste. Die Verstärkung durch die Yankees dürfte die kolumbianischen Kriegstreiber ermuntern. Das kann zum Krieg in ganz Südamerika führen. Denn eine weitere Aggression gegen Ecuador oder gar eine Aggression gegen Venezuela wird eine militärische Antwort finden. Winde des Krieges beginnen, zu wehen."

    Chávez schätzt das Säbelrasseln. Doch es sieht eher so aus, als ob er Siege an der rhetorischen Front sucht, um von den heimischen Niederlagen abzulenken: von der immensen Kapitalflucht und den fehlenden Privatinvestitionen aufgrund seiner Verstaatlichungspolitik, vom beträchtlichen Rückgang der Erdölproduktion, den schwindenden Rücklagen und überhaupt: der düsteren Wirtschaftsperspektive. Nicht einmal seine engsten Alliierten in Bolivien, Ecuador und Nicaragua stimmen in die verbale Kanonade ein. Allerdings zeigen sich alle Länder – mit Ausnahme Perus – sehr beunruhigt über die fortschreitende Militarisierung in Kolumbien.
    "Wir dürfen diese Entwicklung nicht hinnehmen," so die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. "Man hat schon alles Mögliche in den Süden exportiert: die Wirtschaftskrise, die Grippe und nun auch noch die Kriegsgefahr. Das ist höchst besorgniserregend."

    Auch Brasilien, die neue Großmacht im südlichen Amerika, verfolgt die Entwicklung mit wachsender Aufmerksamkeit, denn sie besitzt Grenzen mit fast allen Ländern.
    "Die Souveränität eines Landes ist zwar unantastbar" – so Präsident Lula da Silva. "Wir müssen aber jeden Konflikt untereinander und mit den USA vermeiden. Wir müssen offen diskutieren und eine Lösung finden. Die Idee amerikanischer Militärbasen in Kolumbien gefällt mir überhaupt nicht."

    Sie widerspricht eigentlich auch dem Geist einer "neuen Ära regionaler Beziehungen", die Obama auf dem Amerikagipfel im April ausgerufen hatte. Die USA beeilten sich deshalb, das Abkommen mit Kolumbien herunterzuspielen.
    "Der Vertrag richtet sich nicht gegen andere Länder" – so Außenministerin Hillary Clinton. "Es geht um eine bilaterale Kooperation in Sicherheitsfragen zwischen den Vereinigten Staaten und Kolumbien in Kolumbien. Wir stellen uns gemeinsam einer Reihe von Herausforderungen wie der Wirtschaftskrise, der Klimakrise, dem Gesundheitswesen, der Grippe, dem Drogenhandel, dem Terrorismus und dem organisierten Verbrechen."

    Die USA sind seit einem Jahrzehnt in Kolumbien aktiv. Plan Colombia heißt das Projekt, in das sie inzwischen nahezu 3,5 Milliarden Euro investiert haben, um die Mafia und die Guerilla zu bekämpfen. Der Erfolg ist bis heute umstritten. Nun wird das Programm erweitert, das vorhandene Personal von rund 600 auf 1400 Militärs und zivile Kräfte mehr als verdoppelt und der militärische Apparat entsprechend vergrößert. Das Potenzial für Konflikte wird dadurch erhöht – befürchten die Nachbarn. Deshalb informierte Präsident Uribe einige von ihnen auf einer Blitzreise durch den Kontinent und hat kurz vor dem Krisengipfel der UNASUR in Bariloche noch einmal versucht, die Gemüter zu beschwichtigen.
    "Das Abkommen dient dazu, kolumbianische Militärbasen zu stärken und nicht dazu, nordamerikanische Basen zu eröffnen" – so beteuerte er. "Es dient dazu, das Recht der Kolumbianer auf ein sicheres Leben wiederherzustellen." Und dann teilte er ein weiteres Ziel mit: "Wir sagen dem transnationalen Verbrechen den Kampf an: dem Terrorismus und der Verbreitung von Waffen. Wir bieten eine erweiterte regionale und weltweite Kooperation gegen diese Geißeln."

    Daran sind auch die Nachbarländer interessiert, aber das ginge auch ohne zusätzliche Militärbasen der USA in Lateinamerika ab – meinen sie. Der Krisengipfel in Bariloche hat ihre Befürchtungen keineswegs beseitigt. Und die beiden Hauptkontrahenten aus Kolumbien und Venezuela, Uribe und Chávez, standen auf dem offiziellen Konferenzfoto der zwölf Staatspräsidenten so weit auseinander wie ihre Positionen.

    Im Schlussdokument, verlesen vom ecuadorianischen Präsidenten Correa, wurde zwar Kolumbiens Souveränität garantiert, aber zugleich auch betont, dass "die Präsenz ausländischer Streitkräfte keinesfalls die Souveränität und Integrität irgendeiner südamerikanischen Nation gefährden darf".