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Windenergie
Höhenwind wird schwächer

Dass der bodennahe Wind abflaut, haben Forscher schon vor zehn Jahren festgestellt. Nun zeigen neue Messdaten, dass auch der Höhenwind, der für den Ertrag von Windkrafträdern wichtig ist, schwächer wird. Ob dieser Trend anhalten wird oder wo die Ursachen für das Abflauen liegen, ist noch unklar.

Von Volker Mrasek | 20.05.2019
Windenergieanlagen im Windenergiepark "Odervorland" im Landkreis Oder-Spree in Brandenburg spiegeln sich in einem Wasserbecken.
Höhenwinde sind für Energiegewinnung durch Windkrafträder entscheidend. Ob der Höhenwind weiter abflauen wird, ist noch unklar. (Patrick Pleul / dpa-Zentralbild / ZB )
Rund 60 Kilometer südöstlich von Berlin unterhält der Deutsche Wetterdienst ein großes Observatorium. Dort, in Lindenberg, steht ein 99 Meter hoher Messmast. Damit reicht er bis in die Gefilde vieler Windkrafträder und ihrer Nabenhöhen, was ganz praktisch ist. Denn die Anlagenbetreiber sind beunruhigt, wie der Lindenberger Meteorologe Frank Beyrich sagt. Gerne wüssten sie, ob der Wind dort oben auch tendenziell nachlässt - so, wie es Studien für die Luftschicht in Bodennähe ergeben haben:
"Und wir haben im Prinzip jetzt immerhin schon seit 20 Jahren diesen Mast. Das ist zwar in der Klimatologie noch ein relativ kurzer Zeitraum, aber bei 20 Jahren kann man ja doch schon einmal anfangen, sich die Datenreihe anzuschauen."
Das haben die Forscher jetzt gemacht. Und dabei herausgefunden, ...
"... dass die auch in der Tendenz eine leichte Abnahme in den 20 Jahren zeigt, die aber noch nicht signifikant ist. Als Wissenschaftler müssen wir sagen: Da kann man also noch nichts drauf geben."
Ob der rückläufige Trend anhält, ist noch unklar
Es gibt zwar einen erkennbaren Trend. Demnach hat die mittlere Windgeschwindigkeit auch in knapp hundert Metern Höhe leicht abgenommen. Doch die Schwankungen von Jahr zu Jahr sind ziemlich groß. Und ob der Wind weiter abflaut, der rückläufige Trend also anhält, steht noch nicht wirklich fest.
Nach den Messungen an der Mastspitze beträgt die Abnahme etwa 0,1 Meter pro Sekunde in zehn Jahren. Das scheint nicht viel zu sein, ist aber durchaus von Bedeutung, wie Beyrich erläutert:
"Für die Windenergie spielt das schon eine Rolle. Sie wissen: Bei der Windenergie, da ist der Ertrag der Windkraftanlage Windgeschwindigkeit hoch drei. Und da ist es ein Unterschied, ob ich nach 20 Jahren 4,5 hoch drei oder 4,8 hoch drei rechne."
Auch in den Niederlanden steht ein besonders hoher Messmast, in Cabauw östlich von Rotterdam. Er reicht sogar bis in 213 Meter Höhe. Forscher aus dem Leipziger Institut für Meteorologie haben auch diese Daten ausgewertet, für einen etwas kürzeren Zeitraum von 17 Jahren. Das Ergebnis ist das gleiche: Der Höhenwind in Cabauw hat leicht abgenommen, etwas schwächer als in Lindenberg.
Energie-Ernten sind noch nicht in Gefahr
Doch was ist der Grund für diesen Trend? Verändern sich die Verhältnisse in der Höhe vielleicht durch neugebaute Windparks mit immer größeren Rotoren? Die Arbeitsgruppe von Armin Raabe hat auch das untersucht, aber keine Anhaltspunkte dafür gefunden, wie der Leipziger Physiker sagt:
"An was man denken könnte, das sind die Strömungsmuster in der Atmosphäre, dass die sich großräumig ändern könnten. Und das wäre also, was wir heute unter klimatischen Veränderungen verstehen würden. Also Strömungsmuster, die die Windrichtungsverteilung verändern:"
Autor: "Üblicherweise weht der Wind bei uns ja aus Westen!"
Raabe: "Sie haben vielleicht mehr Süd-Komponenten oder mehr Nordwind-Verteilung - dann kann es natürlich zu Änderungen auch in der Windgeschwindigkeitsverteilung in den großen Höhen kommen."
Im Moment muss es den Betreibern hiesiger Windkraftanlagen also noch nicht bange um ihre Energie-Ernten sein. Wie es in Zukunft aussieht und ob der Höhenwind noch weiter schwächelt, ist aber unklar.
Die Forscher wollen jedenfalls an der Sache dranbleiben und Daten von weiteren Standorten analysieren. Hohe Messmasten stehen zum Beispiel auch noch im Forschungszentrum Jülich und auf dem Hohenpeißenberg in Bayern. Mit eindeutigen Aussagen rechnet Armin Raabe aber nicht so schnell: "Das wird noch dauern."