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Windenergie
Segelschiffe nutzen Brise zur Wasserstoffproduktion

Energie. - Auf den Meeren weht ein oft starker und vor allem beständiger Wind. Und das Energiepotenzial dieses Windes ist enorm. Bisher wird es allerdings nur in geringem Maße genutzt. Forscher aus Bayern wollen das ändern: Sie haben daher die Idee für ein so genanntes Energieschiff entwickelt. Es ist ein Segelschiff, das auf den Meeren umherfahren, dabei Wind ernten und ihn in Wasserstoff umwandeln könnte.

Von Thomas Gith |
    Gegenwärtig fahren noch Traktoren über Äcker und ernten Energiepflanzen. Ähnlich könnte es in Zukunft auf unseren Meeren zugehen: Energieschiffe könnten dort eines Tages umherfahren und Wind ernten. Wind, der kostenlos ist und in Unmengen vorhanden. Entwickelt hat dieses Konzept Professor Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg.
    "Das Windpotenzial auf dem Meer übersteigt unseren Energiebedarf um ein Vielfaches. Über 70 Prozent der Weltoberfläche sind Meer. Und dort wird die Ressource Wind fast gar nicht genutzt. Und deshalb sind wir auf die Idee gekommen, dass wir Energieschiffe bauen, die dem Wind folgen und ihm immer stückweise konstant Energie entnehmen."
    Die Energieschiffe sollen dabei durch Segel oder Drachen angetrieben werden. Unter dem Schiff wird zusätzlich eine Turbine montiert, die an einen Stromgenerator angeschlossen ist. Das vom Wind vorangetriebene Schiff setzt die Turbine in Bewegung – die dann über den Generator im Schiffsrumpf Strom erzeugt. Michael Sterner.
    "Wenn wir dann Strom an Bord haben, dann können wir diesen speichern. Wir haben vieles untersucht und sind zu dem Entschluss gekommen, dass es am sinnvollsten ist, den in chemischer Form zu speichern, in Form von Wasserstoff, Methangas oder auch flüssigen Kraftstoffen. Und dafür notwendig ist die Technik der Elektrolyse und verschiedenen Synthesen.“
    Im Elektrolyseur, der im Schiffsrumpf untergebracht wäre, wird Strom durch Wasser geleitet. Das Wasser wird dabei in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt – wobei sich die beiden chemischen Elemente jeweils getrennt voneinander an Anode und Kathode sammeln. Der Wasserstoff kann dann in Tanks umgefüllt, gespeichert und gegebenenfalls zu Treibstoff weiterverarbeitet werden. Doch während man den Wind direkt vor Ort nutzen kann, ist das beim Wasser für die Elektrolyse nicht möglich.
    "Das Meerwasser ist voll mit allen chemischen Elementen des Periodensystems und daher nicht primär geeignet, als Elektrolysewasser verwendet zu werden. Weil es einfach sehr unrein ist und wir für die Wasserelektrolyse ein sehr sauberes Wasser brauchen. Die Mengen an Wasser, die wir brauchen und benötigen, sind relativ klein. Daher sehen wir im Konzept vor, dass wir das Wasser mitbringen."
    Auf dem Energieschiff müssten also sowohl Behälter für hochreines Wasser als auch Drucktanks für Wasserstoff untergebracht werden. Der gewonnene Wasserstoff könnte dann allerdings noch direkt auf dem Meer vom Energieschiff gelöscht, also entladen werden. Denn in der Nordsee beispielsweise existiert dafür bereits eine Infrastruktur.
    "Es gibt Gasplattformen, die Gas fördern aus der Nordsee und die auch Schiffsanlegestellen haben. Und an diese Schiffsanlegestellen könnte ich die Schiffe anlegen, und dann aus der Druckbetankung über eine Gaseinspeisestelle auf der Plattform den Wasserstoff einspeisen in das europäische Gasnetz."
    Denn ein kleiner Prozentsatz Wasserstoff kann dem Erdgas problemlos beigemischt werden. Allerdings: Der Aufwand, so ein Energieschiff zu betreiben, ist enorm. Hochreines Wasser muss getankt, Schiffspersonal eingestellt, der Wasserstoff entladen oder weiterverarbeitet werden. In wirtschaftliche Konkurrenz zu fossilen Energieträgern kann die Segelenergie daher nicht treten – zumindest derzeit nicht. Michael Sterner.
    "Es kann sich aber in Zukunft ändern, wenn fossile Kraftstoffe knapper werden, beziehungsweise irgendwann einmal die Emittierung von CO2 richtig Geld kostet. Und dann ist es interessant, so eine Idee zu haben, die uns aufzeigt, wie wir noch mehr Potenziale an erneuerbaren Energien nutzen können, ohne groß einzugreifen in die Landschaft. Dann kann es an der Zeit sein, diese Energieform zu erschließen."
    Die Forscher sehen ihr Konzept daher vor allem als eine visionäre Idee – für das sie einen Gesamtwirkungsgrad von etwa 20 Prozent ermittelt haben. Michael Sterner hat dabei ein Szenario für ein 100 Meter langes Schiff durchgerechnet: Es könnte jährlich etwa 700.000 Liter Treibstoff liefern. Rund 600 Autos könnten damit immerhin ein Jahr lang umherfahren, und jeweils 20.000 Kilometer zurücklegen. Eine Machbarkeitsstudie steht als nächstes an. Denn: Der Wind auf dem Meer ist kostenlos – und Ideen, wie er sich umweltschonend nutzen lässt, erscheinen durchaus erstrebenswert.