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Windenergie
Türme aus Holz trotzen Wind und Vorurteilen

Windturbinen stehen auf Masten, die überwiegend aus Stahl sind. Einfacher und billiger wären Türme aus Holz, sagen einige norddeutsche Tüftler. Ein Testbau in Hannover soll die Vorteile beweisen.

Von Sönke Gäthke | 15.01.2014
    "Also, jeder kann zu Holz was sagen. Holz bricht, brennt, fault, kommt aus dem Wald, und erst mal wussten alle, dass es nicht funktioniert."
    Kein Wunder, denn für das, was Gregor Prass und seine Kollegen vor einem Jahr schließlich bauen durften, gab es ja auch noch kein Vorbild: Ein grauer Turm, auf dem ein 100 Tonnen schwerer Windgenerator in einer Höhe von 100 Metern sitzt.
    "Wir stehen hier gerade vor dem Timber-Tower."
    Masten im EInheitsgrau
    Zwischen alte Hallen, ungepflasterten Wegen und Schutthaufen am nordwestlichen Rande Hannovers steht das Windrad - der Turm ist achteckig und wirkt insgesamt etwas stämmiger als ein konventioneller Turm. Gregor Prass:
    "Ansonsten erkennt man eigentlich nicht, dass es ein Holzturm ist."
    Denn er ist genauso grau wie jeder andere Windturbinenmast auch. Bauvorschriften, sagt Gregor Prass, die vorgeschriebene Farbe sei grau.
    Erst beim Näherkommen fallen drei Dinge auf. Etwa die überall aus dem Turm herausstechenden Metallstäbe. Gregor Prass erklärt:
    "Diese dünnen Drähte sind für den Blitzschutz, das ist noch eine Lösung, die wir beim ersten Mal hier verwendet haben ja - war nicht meine Idee."
    Aber notwendig, um die Bauerlaubnis zu bekommen. Das gilt auch für die Oberfläche des Turms, die überzogen ist von etwas, das wie Dachpappe aussieht.
    "Dass ist unsere Fassade, unsere Außenwand."
    Damit das Holz nicht fault. Deshalb steht der Turm auf einem Betonsockel. Gregor Prass:
    "Wir fangen mit dem Holzturm in fünf Metern Höhe an."
    Damit das Holz ganz sicher trocken bleibt und nicht durch Feuchtigkeit im Boden angegriffen wird. Einer Befürchtung konnten die Konstrukteure den Behörden jedoch nicht durch solche, wie sie sagen, Kompromisse, entgegenkommen, sagt Prass:
    "Holz ist nicht in der Lage, hohe dynamische Lasten aufzunehmen, oder überhaupt so große Kräfte von der Windkraftanlage."
    Die ja zum einen im Betrieb vibriert und sich auch um ihre Achse dreht, um der Windrichtung zu folgen; zusätzlich schüttelt der Wind selbst den Turm durch. Wie gut das Holz diese Bewegungen verkraftet hat, will Gregor Prass nun zeigen. Er steuert auf eine Tür im sieben Meter breiten Sockel zu.
    Überwachung mit Sensoren
    Es wird lauter. Im Betonsockel sind die Steuerung und die Wechselrichter installiert, in den Holzgeschossen nur ein Holzgerüst in der Mitte. Die Außenwände bestehen aus dreißig Zentimeter starken Wänden aus Fichtenholz. Das ist zwar nicht unbedingt das typische Holz für Niedersachsen, sagt er, doch die hier übliche Kiefer wollte kein regionales Sägewerk liefern. Alle sind miteinander verklebt - Schrauben würden die dynamischen Belastungen nicht aushalten, so Prass. Er steuert auf eine Stelle in der Wand zu: Hier hängt ein kleines Kästchen, Teil eines aufwendigen Netzes von Sensoren, erläutert Prass:
    "Wir haben in diesem Turm einige hundert Messstellen, ja - zum Beispiel an dieser Stelle messen wir die Holzfeuchtigkeit, und zwar die Holzfeuchtigkeit hier im Turm, an dieser Stelle."
    Er weist auf eine zweite Stelle dicht daneben.
    Mit Sensoren - die gehen komplett durch die Wand durch - messen wir die Feuchtigkeit unter der Dachbahn.
    Schließlich dreht sich Gregor Prass um, deutet auf eine Metallplatte:
    "Dann haben wir an vielen von den Lochblechen, die eingeklebt sind, Dehnmessstreifen drauf. Das sind über hundert Dehnmessstreifen mit über hundert Messverstärkern drin."
    Die messen, wie sehr der Windgenerator das Holz vibrieren lässt. Diese ganzen Sensoren waren nötig - um nachweisen zu können, dass Holz nicht fault und nicht bricht. Was es auch offenbar nicht tut. Gregor Prass:
    "Das klingt irgendwie ein bisschen komisch und absurd, es sind ein paar Hunderttausend Euro hier hineingeflossen ins Monitoringsystem, ja, aber das Ergebnis ist außerordentlich langweilig. Wir haben halt nur sehr, sehr viele Daten, die das sagen, was wir erwartet haben."
    Aber genau auf diese Routine hat Gregor Prass gehofft, sieht er doch in diesem Turm keinen Prototypen, der erst noch lange Jahre getestet muss. Stattdessen plant er, noch 2014 einen 140 Meter hohen Holzmast und mindestens drei 100 Meter hohe aufstellen lassen. Dann würde bewiesen, dass Holz billiger ist als Stahl, und praktischer: Weil der Turm erst vor Ort aus kleinen Segmenten zusammengesetzt wird, die mit konventionellen Lkw gefahren werden können - Stahltürme dagegen bestehen aus riesigen Elementen, die aufwendig transportiert werden müssen.