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Windkraft zu Ameisensäure

Chemie. - Eine Achillesferse der Wasserstoffwirtschaft ist der Speicher. Wasserstoff ist leicht flüchtig und nur mit hohem Aufwand festzuhalten. Chemiker am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock haben einen Speicher entwickelt, der Kohlendioxid nutzt, um Wasserstoff effizient und sicher zwischenzulagern.

Von Philipp Hummel | 04.08.2011
    Wasserstoff ist das erste Element im chemischen Periodensystem. Er ist der Stoff mit der geringsten Dichte und nimmt deshalb als Gas sehr viel Platz ein. Ihn zu lagern ist schwierig. Zwar lässt sich Wasserstoff unter Druck komprimieren und bei unter -250 Grad Celsius sogar verflüssigen. Diese Prozesse verbrauchen aber viel Energie. Außerdem müssen wegen der hohen Drücke und tiefen Temperaturen besonders stabile, gut isolierte und deshalb schwere Tanks eingesetzt werden.

    "Deshalb glauben wir, dass die sogenannten organischen Hydride, das sind Verbindungen von Kohlenstoff mit Wasserstoff, bessere Wasserstoffspeicher darstellen","

    sagt Matthias Beller, Direktor des Leibniz-Instituts für Katalyse in Rostock. Er und seine Kollegen haben einen Weg gefunden, Wasserstoff zu speichern, ohne große Energiemengen zu investieren. Zunächst lösen die Forscher dazu Kohlendioxid in Wasser.

    ""Das ist also eine einfache Sprudellösung, und versetzten diese Lösung mit Wasserstoff in Gegenwart von einem Katalysator."

    Der Katalysator ist die entscheidende Komponente für die Reaktion von Wasserstoff und Kohlendioxid. Ohne ihn würde eine Umwandlung gar nicht stattfinden. Doch mit seiner Hilfe reagiert ein CO2-Molekül mit zwei Wasserstoffatomen zu einem neuen Molekül.

    "Der Chemiker spricht von HCO2H – Ameisensäure."

    Gebunden in der Ameisensäure lässt sich der Wasserstoff einfacher speichern. Man kann die Formiat-Lösung flüssig in einer Stahlpatrone oder einem Glasbehälter aufbewahren. Formiat lässt sich aber auch in festem Zustand lagern. Als weißes Pulver, das aussieht wie Kochsalz. Will man den Wasserstoff wieder zurückgewinnen benötigt man einen weiteren Katalysator. Beller:

    "Ich kann zu einem späteren Zeitpunkt in Gegenwart eines zweiten Katalysators den Wasserstoff wieder freisetzen und ihn zum Beispiel an einer Brennstoffzelle in Strom umwandeln oder ich kann ihn ganz einfach verbrennen und dabei Energie erzeugen."

    Im Moment ist die Speichermethode noch absolute Grundlagenforschung, nicht mehr als ein Experiment im Labor. Doch Matthias Beller ist vom Potential der Technologie für künftige Anwendungen überzeugt.

    "Wir gehen nicht davon aus, dass man jetzt so eine Ameisensäure-Lösung in einem typischen PKW-Tank verwendet, weil wir dort einfach zuviel an Ameisensäure-Lösung verwenden müssten. Auf der anderen Seite ist die Speicherdichte mindestens so gut wie wir das heute mit kommerziellen Lithium-Ionen-Batterien sehen. Das heißt bei allen Anwendungen, wo Lithium-Ionen-Batterien genutzt werden, da könnte man sich auch die Anwendung von einem solchen Speichersystem vorstellen."

    Wasserstoff-betriebene Handys, Digitalkameras oder Laptops? Wahrscheinlicher ist für Matthias Beller der Einsatz der chemischen Wasserstoffspeicherung bei der Umstellung auf die erneuerbaren Energien. Sonnen- und Windenergie ließen sich in Form von Wasserstoff zwischenspeichern:

    "Eine Möglichkeit ist jetzt eben die regenerative Energie mit Wasserelektrolyse zu koppeln. Ich bin an ein Windkraftrad angeschlossen und bringe den entstehenden Strom jetzt nicht ins Netz sondern nutze den entstehenden Strom für die Produktion von Wasserstoff. Damit erzeuge ich einen chemischen Energiespeicher, den ich zu einem späteren Zeitpunkt nutzen kann. Also grundsätzlich sind solche dezentralen Ansätze denkbar und wir arbeiten im Moment auch intensiv daran unser Speicherkonzept mit reg. Energieerzeugung und Wasserelektrolyse zu kombinieren."

    Bleibt die Frage nach den Kosten für diese chemische Form der Wasserstoffspeicherung. Die Rostocker Forscher verwenden bisher Katalysatoren aus Ruthenium, doch das Edelmetall ist verhältnismäßig teuer. Soll die Technologie kommerziell erfolgreich sein, muss sie effektiver werden. Ein Ruthenium-Katalysator müsste mehrere hunderttausend, vielleicht sogar Millionen von Wasserstoff-Molekülen mit CO2 zu Ameisensäure umsetzen. Matthias Beller:

    "Einerseits versuchen wir die heute existierenden Ruthenium-Katalysatoren zu verbessern, den anderen Aspekt, den wir dort verwenden ist, dass wir billigere Katalysatoren herstellen. Diese billigeren Katalysatoren sind welche auf Basis von Eisen und da stehen wir auch kurz vor dem Durchbruch, das ist aber eine andere Geschichte."