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Windräder-Enteisung
Heizen mit Nano-Technik

Wenn die Rotorblätter von Windrädern vereisen, ist die Energieausbeute quasi gleich null. Fraunhofer-Forscher haben in einem EU-Projekt getestet, wie man den Rotorblättern einheizen könnte: mit einer hauchdünnen Heizung aus Kohlenstoff-Nanotubes.

Von Nicola Wettmarshausen | 24.11.2014
    Obwohl es mit über 20 Grad ein sonniger Herbsttag ist, hat Sascha Getto seine dickste Jacke angezogen.
    Sascha Getto: "Let´s take 50 Kilometer pro Stunde."
    Assistent: "Ich schalte dann die Anlage wieder ein."
    Sascha Getto: "Alles klar."
    Der Ingenieur betritt den Klima-Wind-Kanal, in dem normalerweise Lkw den verschiedensten Witterungsbedingungen ausgesetzt werden. Jetzt steht hier eine 2,50 Meter hohe Kleinwindanlage. Auf einer Leiter stehend fängt Sascha Getto an, die senkrecht montierten Rotorblätter mit Wasser zu besprühen. Darauf klebt sein Testobjekt: eine dünne Folie, die das Vereisen der Rotorblätter verhindern soll. Der Ingenieur vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart will untersuchen, wie sie bei Kälte, Wind und Eis funktioniert.
    "Wir haben jetzt minus zehn Grad und Windgeschwindigkeiten von 50 km/h, und wir gucken jetzt, wie das Blade einfriert und werden dann versuchen, die Eisschicht wieder abzuschmelzen."
    Auf den Rotorblättern, englisch "blade", haben sich Eiszapfen gebildet. Ein Fünftel der für Windenergie geeigneten Gebiete in Europa haben solche extremen Wetterbbedingungen. Um das Vereisen der Rotorblätter zu verhindern, heizen Windparkbetreiber ihnen ein: Entweder blasen sie heiße Luft innen bis in die Spitzen der Rotorblätter. Oder sie erwärmen nur die Vorderkanten des Blattes durch eine Widerstandsheizung. Sascha Getto hat mit seinen Kollegen im EU-Projekt "Windheat" ein anderes Heizsystem entwickelt. Es basiert auf mehreren Sensoren, die an der Oberseite des Rotorblatts angebracht sind.
    "Jetzt hat Sensor zwei wieder Eis entdeckt, wir haben immer noch -2,8 Grad, und jetzt wird er veranlasst zu reizen."
    Für diesen Test überwacht Gettos Kollegin Anne Gerten die Sensoren, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen. Sie schalten die Heizung immer nur ganz kurz an und gleich wieder ab.
    "Eigentlich können wir sagen, dass wir innerhalb von zwei bis drei Sekunden die Heizleistung erreicht haben, und dann eigentlich schon anfangen abzuschmelzen, und innerhalb von fünf Sekunden sind wir dann eigentlich auch schon mit der Schmelzung fertig."
    Das spart Energie. Und Dank der Sensoren kann die Eisschicht nur millimeterdick anwachsen, wodurch die Aerodynamik des Rotorblattes nicht beeinträchtigt wird.
    Das innovative bei "Windheat" ist allerdings die Heizschicht.
    "Diese Schicht besteht aus Kohlenstoff-Nanotubes, auf Deutsch: Kohlenstoff-Nanoröhren, und die bilden ein Widerstandsheizelement in diesem Fall, das heißt wir wandeln in diesem Heizelement Strom in Wärme um."
    Die bis zu 200 Nanometer langen Kohlenstoff-Zylinder sind das ideale Material zum Bau einer Heizung: Einerseits leiten sie den elektrischen Strom sehr gut. Das liegt an den nichtgebundenen Elektronen, die sich entlang der Röhre frei bewegen können. Andererseits haben Kohlenstoff-Nanoschichten aber auch einen hohen elektrischen Widerstand, weil die Elektronen, die von einer Röhre zur anderen fließen, eine winzige Lücke überwinden müssen, sodass ein sogenannter Kontaktwiderstand entsteht: Strom kann dadurch fast vollständig in Wärme umgewandelt werden. Mit einer Isolier- und Klebeschicht kombiniert, wird aus den Nanotubes schließlich eine Folie zum Heizen.
    "Überall, wo Eis entstehen kann, auf allen aerodynamisch geformten Oberflächen wäre es natürlich sinnvoll, so etwas einzusetzen, so eine sehr dünne Schichttechnologie, und auch in der Luftfahrt wäre das möglich, vorne die Kanten mit so einer Folie zu beschichten und dort die Eisbildung zu verhindern."
    Die Entwicklung dieser Windkraft-Nanoheizung wurde von einem spanischen Kleinwindanlagenhersteller in Auftrag gegeben. Ob der Prototyp später in Serie gehen wird, weiß auch Sascha Getto nicht.